Lungenspezialist zu Covid-19„Wirklich genesen sind nur wenige“

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Viele Symptome, die nach Covid-19 bleiben, hat Dr. Matthias Schmalenbach inzwischen in der Klinik kennengelernt.

Viele Symptome, die nach Covid-19 bleiben, hat Dr. Matthias Schmalenbach inzwischen in der Klinik kennengelernt.

  • Unter dem Begriff Post-Covid-Symptom wird inzwischen eine ganze Reihe von Beschwerden aufgelistet.
  • Je nach Schwere und Verlauf leidet ein Großteil der Patienten unter Luftnot.
  • Ziel weiterer Therapien ist es, eine Chronifizierung der Symptome zu verhindern.

Die Corona-Krise und ihre Folgen bestimmen alles – vor allem im Gesundheitssystem in Oberberg. Wie lang ist der Schatten, den das Virus wirft? Harald Knoop sprach mit Lungenspezialist Dr. Matthias Schmalenbach von der Mediclin-Reha-Klinik über die Folgen von Covid-19.

Wie gesund sind die „Genesenen“ nach einer Corona-Infektion wirklich?

Schmalenbach: Je nach Schwere und Verlauf leidet ein Großteil der Patienten unter Luftnot und unter Beeinträchtigungen der Muskulatur und der Nerven bis hin zu Lähmungen der Extremitäten. Allgemeine Erschöpfung und Antriebslosigkeit sind auch zu beobachten. Sehr viele Menschen leiden zudem unter Ängsten und der Sorge, dass nicht mehr alles so wird wie es vorher war.

Eine Reihe von Symptomen nach der Infektion

Wirklich genesen sind sie also nicht?

Wirklich genesen sind nur wenige. Unter dem Begriff Post-Covid-Symptom wird inzwischen eine ganze Reihe von Symptomen aufgelistet, unter denen Menschen nach überstandener Corona-Infektion leiden.

Wie viele Post-Corona-Patienten haben Sie seit Ausbruch der Pandemie in Ihrer Klinik in Eckenhagen behandelt?

Etwa 80.

Sie haben auch zwei Beatmungsplätze. Wurden die für akute schwere Corona-Fälle gebraucht?

Nicht für akute Covid-Patienten, die werden bislang in den Akutkrankenhäusern versorgt. Als Reserveklinik haben wir von dort aber vereinzelt beatmete Patienten übernommen, die den Höhepunkt der Infektion überwunden hatten.

Wie lange dauert die Behandlung bei Ihnen?

Geplant werden zunächst drei Wochen, in deren Verlauf geprüft wird, ob eine Verlängerung sinnvoll ist.

Das Nervensystem ist beeinträchtigt

Wie gehen Sie dabei vor?

Im Vordergrund stehen neben der Atemtherapie zum Beispiel Krafttraining und Krankengymnastik. Unsere pneumologische Abteilung ist spezialisiert auf Lungenerkrankungen. Daneben haben wir auch eine neurologische Abteilung, dank deren Expertise wir uns intensiv um Beeinträchtigungen des Nervensystems und der Muskulatur kümmern können.

Falls notwendig, können auch unsere Psychologen und Psychiater den Patienten bei der Überwindung kritischer Situationen helfen. Momentan erweitern wir unsere Klinik um eine psychosomatische Abteilung. Es muss das Ziel sein, einer Chronifizierung der Symptome entgegenzuwirken.

Wie gesund sind die Patienten anschließend? Bleiben Dauerschäden?

Nicht selten bleibt eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit – sowohl der Atmung als auch der Kraft, mitunter Schmerzen, Konzentrationsstörungen  . . .

Weitere Hilfen bis hin zur Sauerstoffversorgung

Was können die Betroffenen dagegen tun?

Bei weiter bestehenden Beschwerden erfolgt die professionelle Anleitung, wie zu Hause weiter trainiert werden kann. Sollte sich zusätzlicher Pflegebedarf abzeichnen, organisieren wir mit unserem Sozialdienst weitere Hilfsmittel bis hin zur Sauerstoffversorgung.

Wie haben Ihre Patienten die Corona-Infektion erlebt? Was haben die Betroffenen erzählt?

Ich habe viele Geschichten gehört, wo die Patienten sich ihrer Ansicht nach angesteckt hatten. Eine Opernsängerin etwa war sicher, dass sie es von einer Schülerin bekommen hatte, die ganz furchtbar hustete. Viele berichten von ihrer Angst, als sich ihr Zustand nach einem scheinbar harmlosen Verlauf plötzlich um den zehnten Tag dramatisch verschlechterte. An die Zeit danach haben manche keine Erinnerung mehr bis sie wieder aufwachten.

Durch die Einschränkungen konnten viele Infektionen verhindert werden

Waren auch Corona-Leugner unter ihren Patienten ?

Das weiß ich nicht. Und wenn, waren sie spätestens jetzt geläutert.

Was halten Sie von den „Querdenkern“?

Nach meinen persönlichen Erfahrungen in dieser Pandemie mit einer Vielzahl begleiteter Schicksale ist es mir unverständlich, dass einige Mitmenschen die Realitäten ausblenden.

Als wir uns im April unterhalten haben, sagten Sie, dass Masken wie seit vielen Jahren schon in Asien bald auch zu unserem Alltag gehören würden. Das klang damals unwahrscheinlich, ist aber so gekommen. Waren die Erleichterungen im Frühsommer falsch?

Durch die Einschränkungen konnten bestimmt viele Infektionen und somit viel Leid verhindert werden. Im Sommer bei rückläufigem Infektionsrisiko eine Reiseerleichterung zu versuchen, halte ich für nachvollziehbar. Entscheidungen kann man immer nur in der Gegenwart treffen. Dass man im Rückblick zu anderen Einschätzungen kommt, gehört zum Leben.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung der Corona-Pandemie?

Mit den Lockerungen zu Weihnachten und Silvester sollte vor allem die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Einschränkungen aufrechterhalten werden. Die, die jetzt schon mitmachen, werden ihr Verhalten auch zu Weihnachten nicht ändern. Und die anderen kümmern sich nicht um die Einschränkungen, solange diese nicht kontrolliert werden. Und das werden sie ja nicht. Insofern hätten weitere Beschränkungen gleich zu Anfang November vielleicht nur die Gutwilligen verprellt.

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Welche Entwicklung erwarten Sie für die kommenden Monate?

ch glaube, es wird weitere Verschärfungen geben, und ich erwarte eine sehr kritische Zeit im Januar und Februar, weil es nach dem Jahreswechsel zu einem erneuten Anstieg der Fallzahlen kommen wird.

Zur Person

Dr. Matthias Schmalenbach (49) ist Pneumologe und Chefarzt der Abteilung für Lungen- und Atemwegserkrankungen an der Mediclin-Reha-Klinik in Eckenhagen. Als solcher war er an der Entwicklung des oberbergischen Pandemieplans beteiligt. Schmalenbach ist gebürtiger Oberberger und lebt in Ründeroth. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. (kn)

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