Springen, Langlauf und AlpinAls Müllenbach noch Wintersportgebiet war

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Skifahrer am Hang mit Nummernleibchen.

Neben Skisprung-Wettbewerben fanden am Skihang bei Obernhagen Meisterschaften im Torlauf statt.

Im beschaulichen Müllenbach ging es in der kalten Jahreszeit über Jahrzehnte heiß her. Einst sprangen dort die Oberberger sogar vom Schanzentisch.

Winterliches aus unserem Zeitungsarchiv: Dieser Bericht ist zuerst im März 2005 erschienen.


Mit Hacke und Schaufel brachten die Müllenbacher vor 75 Jahren den Skisport in ihren Ort. 1930 begannen die damals arbeitslos gewordenen Steinbrucharbeiter mit den Erdarbeiten zum Bau der ersten Skisprungschanze im Oberbergischen Kreis.

In den folgenden 60 Jahren florierte die Leibesertüchtigung auf weißer Pracht: Neben Skisprung-Wettbewerben fanden am Skihang bei Obernhagen Meisterschaften im Torlauf statt. Im Gervershagener Forst drehten die Langläufer ihre Runden. Nach dem Weltkrieg lockten die schneereichen Winter tausende Menschen auf den Skihang nach Müllenbach. Verkehrsschilder zeichneten den Ort noch bis in die 2000er Jahre als „Wintersportzentrum“ aus. Müllenbach war das touristische Aushängeschild der Gemeinde.

Ein Skispringer im Flug.

Das waren noch Zeiten: Von der Naturschanze flogen die Skispringer den Hang hinab in Richtung Marienheide-Dahl.

Die Skier von damals waren aus Bäumen geschnitten

Für 20 Reichspfennig pro Stunde gingen die ehemaligen Steinbrucharbeiter ans Werk. Eine Schneise am Engelnberg wurde für die Naturschanze gerodet. Die Idee fürs Skispringen holten sich die Müllenbacher aus dem benachbarten Meinerzhagen, wo schon seit längerem gesprungen wurde. Zuerst ließ die Schanze Sprünge von 20 bis 25 Meter zu, nach Umbauarbeiten sogar bis 36 Meter. Mit dem Skispringen steigerte sich auch der allgemeine Skibetrieb.

Das damalige Skigerät war mit den heutigen Hightech-Brettern nicht zu vergleichen. „Heute den Baum abgeschnitten und morgen mit den Skiern los“ war das Motto. Aus Esche-Bäumen wurden Latten ausgesägt. Die Lederriemen für die Bindung kamen vom Ochsengeschirr. „Zu den wirklichen Fachmännern und Kennern“ der Skiherstellung zählte die Gummersbacher Zeitung im Jahr 1933 den Müllenbacher Willi Kölsche. Unterschiede zwischen Abfahrts-, Sprung- und Langlaufskiern gab es jedoch kaum.

Der Reiz des Skisports liegt in der Kombination „Abfahrt-Aufstieg“

Männer tragen ihre Skier den Berg hinauf.

Wo ist denn hier der Lift? Den gab es zu dieser Zeit noch nicht; mit geschulterten Skiern gings den Berg zu Fuß wieder hinauf.

In den Nachkriegsjahren wurde der Skibetrieb in Müllenbach wieder aufgenommen. Nach zehnjähriger Pause richtete der TV Rodt-Müllenbach „vor gut 600 Zuschauern eine Veranstaltung aus, die sich sehen lassen konnte“, so meldet es die Oberbergische Rundschau am 8. März 1949. „Auf mustergültigen Strecken ging Sonntagvormittag der Langlauf und nachmittags auf der Engelnbergschanze der Sprunglauf über die Bühne.“

Auch die Gemeinde erkannte den touristischen Wert des Wintersports. Plakate des Heimat- und Verkehrsvereins warben 1953 für Müllenbach. Lautsprecherdurchsagen am Bahnhof gaben den Insassen der ankommenden Sonderzüge Auskunft über die Schneelage. Die Rundschau stellte fest: „Es regt sich was im Höhenluftkurort Marienheide.“

Mit blauen Matten blaues Wunder erlebt

Autokarawanen schlängelten sich Winter für Winter ins Skigebiet. „Die Nummernschilder verraten, woher die Skibegeisterten kommen: Wuppertal, Köln, Düsseldorf“, schrieb die OVZ am 16. Februar 1956. Einen Skilift gab es damals noch nicht. „Der Reiz des Skisports liegt in der Kombination ,Abfahrt-Aufstieg'“, fand die OVZ. Und am Ende des Tages winke ein verdientes Plauderstündchen oder ein zünftiger Skat in einem der Gasthäuser.

Ein altes Plakat bewirbt das Wintersportgebiet Müllenbach.

Plakate des Heimat- und Verkehrsvereins warben 1953 für Müllenbach.

Am 2. Januar 1971 eröffneten Bürgermeister Josef Luis und Gemeindedirektor Werner Knabe den Skilift. Dass Müllenbach mit dem Bau des Lifts und dem Ende der „Abfahrt-Aufstieg“-Kombination nicht an Reiz verlor, zeigte der anhaltende Besucheransturm - trotz immer schlechter werdenden Wintern.

Mit großem Spektakel wurde im Sommer 1972 Deutschlands erste Skipiste aus Kunststoffmatten eingeweiht. Der Olympiateilnehmer Gerhard Prinzing meinte nach einer ersten Testfahrt: „Die Piste ist pfundig!“ Doch das Sommer-Skivergnügen wehrte nur zwei Jahre. Weil der Investor Pleite ging, kamen die Matten bei einer Zwangsversteigerung unter den Hammer. Ein Österreicher zahlte 28.000 Mark und holte die blauen Matten ins Alpenland. „Mit blauer Skipiste blaues Wunder erlebt“, titelte damals die Lokalzeitung.

Trotz dieser Pleite ging der Skibetrieb weiter. Der Skibezirk Bergisch Land und der VfL Gummersbach nutzten den Hang als Austragungsort für Meisterschaften, mehrere hundert Athleten gingen unter anderem beim Nachtslalom an den Start. In den 1990er Jahren wurden die Winter immer kürzer und der Lift schließlich mangels Schnee stillgelegt. Schließlich wurde der Schlepper abgebaut.

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