Massenflucht nach BangladeschEngelskirchener Lichtbrücke sammelt für Hilfsprojekte

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Hilfe zur Selbsthilfe: Männer erhalten Unterricht und Starthilfe zum Aufbau von kleinen Werkstätten.

Hilfe zur Selbsthilfe: Männer erhalten Unterricht und Starthilfe zum Aufbau von kleinen Werkstätten.

  • Lichtbrücke unterstützt Einheimische in Aufnahmegemeinden.
  • Mit einem Weihnachtsbasar sollen wichtige Euro gesammelt werden.
  • Projekt der Lichtbrücke hat weitere Schwerpunkte.

Engelskirchen/Lindlar – Mit einem der größten Hilfsprojekte ihrer Geschichte reagiert die Lichtbrücke auf den Flüchtlingsstrom nach Bangladesch. Auf knapp 800 000 Euro Gesamtvolumen beziffert der Engelskirchener Verein die Initiative zugunsten Einheimischer, die zuletzt von der Massenflucht der Rohingya überrannt wurden.

„Dort herrscht mehr oder weniger Anarchie“, berichtet Projektleiter Stefan Bepler, der sich vor einigen Monaten im Distrikt Cox’s Bazar ein eigenes Bild machte. Im äußersten Südosten Bangladeschs sind aktuell zwischen 750 000 und 900 000 Menschen vom Volk der Rohingya untergebracht. „Diese Zahl muss man sich einmal klar machen“, sagt Bepler. Richtige Großstädte seien aus den behelfsmäßigen Unterkünften entstanden, inklusive gewaltigem Schwarzmarkt, Geldwäsche, Drogenhandel und Prostitution.

Im Flüchtlingslager der Rohingya im Distrikt Cox’s Bazar im Südosten von Bangladesch spielen Kinder am Abwasserkanal.

Im Flüchtlingslager der Rohingya im Distrikt Cox’s Bazar im Südosten von Bangladesch spielen Kinder am Abwasserkanal.

Immer wieder wurden die Rohingya diskriminiert

Zum Hintergrund: Heimat der Rohingya, einer muslimischen Volksgruppe, ist seit mehr als 1000 Jahren ein Küstenstreifen am Golf von Bengalen. Das Gebiet gehört zum Staat Myanmar, dem einstigen Birma, und grenzt direkt an Bangladesch. Immer wieder wurden die Rohingya von ihrer eigenen Regierung diskriminiert, von ihr zu Staatenlosen erklärt. Doch 2017 begann das Militär mit Massenmorden und Verfolgung im ganz großen Stil – die Vereinten Nationen verurteilten die Taten als systematischen Völkermord an den Rohingya.

In ihrer Panik flohen die Überlebenden über die Grenze nach Bangladesch – in ein Land, in dem auf der doppelten Größe Bayerns 160 Millionen Menschen leben. „Trotzdem war die Willkommenskultur anfangs durchweg positiv“, so Bepler. Doch mit immer mehr ankommenden Flüchtlingen begannen die Probleme. Die Regierung Bangladeschs will die Rohingya nicht dauerhaft im Land. Myanmar lehnt ihre Rückkehr bis heute ab, aufnahmewillige Drittstaaten sind nicht in Sicht.

Behelfsmäßige Unterkünfte auf Bauernfeldern 

Zur Unterbringung schuf die Regierung vor allem in Cox’s Bazar gewaltige Lager ohne Infrastruktur. Dazu enteignete sie kurzerhand viele bangladeschische Bauern. Dort, wo die Einheimischen früher Reis anbauten oder Brennholz sammelten, rückten Planierraupen an.

Bepler zeigt auf Fotos. Im Umfeld der Lager wächst kein Grün mehr, es sieht aus wie im Steinbruch. In der nächsten Monsunsaison drohten Erdrutsche. Das Wasser werde knapp. Dazu kommen Unmengen an Müll, die anfallen. Trotz Verbotes drängen die Rohingya auf den lokalen Arbeitsmarkt, bieten sich zu Dumpingpreisen an und senken so das ohnehin kärgliche Lohnniveau.

Nur aus der Luft lässt sich die Größe des Flüchtlingslager in Cox’s Basar erkennen.

Nur aus der Luft lässt sich die Größe des Flüchtlingslager in Cox’s Basar erkennen.

Das Schicksal der Rohingya sei der Weltöffentlichkeit einigermaßen bekannt, erklärt Stefan Bepler. Und damit auch Geldgeber für die Flüchtlingslager vorhanden, vor allem unter dem Dach der Vereinten Nationen. Die Einheimischen in den Aufnahmegemeinden, die nicht selten jede Lebensgrundlage verloren hätten, seien jedoch völlig aus dem Fokus verschwunden.

Facettenreiches Projekt der Lichtbrücke

Genau hier setzt das Projekt der Lichtbrücke an, das viele Facetten haben soll. Eine Komponente ist die Umstellung auf Gemüse, das selbst auf dem inzwischen eng begrenzten Raum Erträge abwirft. Der Hausgarten als notwendige Alternative zum Feld. „Es wachsen bereits Kürbispflanzen, die auf den Dächern ranken und den dortigen Platz ausnutzen“, verraten Stefan Bepler und Stefan Herr von der Lichtbrücke. Auch die Wiederaufforstung sei ein Thema.

Weihnachtsbasar

Wichtige Euro für das neue Projekt will der 46. Weihnachtsbasar der Lichtbrücke sammeln, der am ersten Adventswochenende, 30. November und 1. Dezember, in die Räume des Aggertal-Gymnasiums Engelskirchen, Olpener Straße, lockt. Handarbeiten aus Afrika und Asien, fair gehandelte Produkte, ein Büchermarkt, Adventskränze, Schmuck und vieles mehr erwarten die Besucher am Samstag zwischen 14 und 18 Uhr und am Sonntag von 10.30 bis 17.30 Uhr. Am Sonntag um 16.30 Uhr kommt der Nikolaus. Das detaillierte Programm findet sich auf der Homepage der Lichtbrücke unter der Rubrik „Termine“. (sfl)

www.lichtbruecke.com

Vor allem soll die Initiative, die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert wird, den Bewohnern von Cox’s Bazar in Sachen Wirtschaft Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Junge Männer erhalten Schulungen und finanzielle Starthilfen zum Aufbau einer Motoren- oder Elektro-Werkstatt und werden beim Schritt in die Selbstständigkeit begleitet. Unter den Frauen sind die Ausbildung zur Näherin und die Gründung einer Hühnerfarm beliebt. „Im Schnitt beträgt die Starthilfe 150 Euro pro Familie – aber die Mitglieder müssen vorab einen schlüssigen Plan haben, wie sie das Geld einsetzen“, betont Herr.

Werben für ihren Basar: Stefan Bepler, Holger Trechow, Friedel Knipp; Mathilde von Lüninck Knipp und Stefan Herr (v.l.)

Werben für ihren Basar: Stefan Bepler, Holger Trechow, Friedel Knipp; Mathilde von Lüninck Knipp und Stefan Herr (v.l.)

Die Lichtbrücke hat die Laufzeit des Projektes nicht begrenzt. Denn eine politische Lösung der Situation der Rohingya ist nicht absehbar. Eines steht für Stefan Herr und Stefan Bepler dagegen fest: „Um den Ausbruch großflächiger Konflikte zu verhindern, müssen wir uns auch um die Einheimischen kümmern.“

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