„Gasthaus an der Seelhardt“MGV Eintracht Morsbach sagt Probenlokal Adieu

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Viele Morsbacher Musiker müssen ihre geliebte Probestätte nun verlassen.

Viele Morsbacher Musiker müssen ihre geliebte Probestätte nun verlassen.

Der Männergesangverein „Eintracht“ Morsbach hat am Samstag Abschied von seinem Probenlokal genommen. Im „Gasthaus an der Seelhardt“ hat der Chor seit der Gründung 1913 geprobt. Eingeladen waren der Frauenchor „Cantabile“ und der Morsbacher Singkreis, die ebenfalls in den historischen Räumen proben, sowie alle, die sich von „Morsbachs guter Stube“ verabschieden wollten. Extra aus Wissen etwa war Stefan Quast (83) gekommen, der – nach 42 Jahren als aktiver Sänger bis 2017 – die Gaststätte noch einmal sehen wollte. „Lasset die Spiele beginnen“, sagte Vizevorsitzender Frank Rinscheid zum Auftakt der Veranstaltung, die am Nachmittag mit Kaffee und Kuchen begann und am Abend mit Kevin „Erwin“ Schneider am Keyboard und der Sängerin Verena Fuhr fortgeführt wurde.

Jede Menge Anekdoten

Rinscheid erinnerte daran, dass das Gebäude 1861 errichtet worden sei und rund 40 Jahre später durch einen Saalanbau erweitert wurde: „Das war ein Ort, wo sich die Morsbacher getroffen haben.“ Unzählige Veranstaltungen haben dort stattgefunden. „Früher war es hier so voll, dass wir unsere Frauen auf den Schoß nehmen mussten“, erinnerte sich der Ehrenvorsitzende Manfred Hammer, der seit 72 Jahren im MGV singt. Nur ein Jahr weniger kann Helmut Zimmermann (86) vorweisen. Er spielt seit rund 60 Jahren auf dem Schifferklavier und unterhält seine Sangesbrüder. So auch am Samstag, als er „In Schukos Säälchen“ anstimmte. Er erinnert sich, dass das Lied vor rund 50 Jahren auf einem der „bunten Abende“ vor Karneval entstanden sei. Der Text sei von Stefan Quast und Aloysius Solbach gedichtet worden und auf den damaligen Wirt gemünzt.

In lockerer Runde gaben die Sänger Anekdoten zum Besten: Ende des letzten Jahrhunderts habe die damalige Wirtin Hertha Weitershagen Fische für das Essen der KG an Aschermittwoch vorbereitet. Die seien so lecker gewesen, dass sie die Sänger beim Frühschoppen am Karnevalsdienstag weggemopst hätten. Ein andermal sei ein Maskenball mit Klamotten aus Herthas Schlafzimmer veranstaltet worden. Nach einem Umzug durchs Dorf hätten sogar zwei Ponys im Lokal gestanden.

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In „Schukos Säälchen“, das als Probenraum genutzt wird, hängen unzählige Bilder und Urkunden des vierfachen Meisterchores, etwa auch ein Dankesschreiben des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton für den Auftritt des MGV beim Empfang von Helmut Kohl 1996 in Milwaukee. Daneben ein Foto von der Osterreise 2000 nach Rom mit einem Auftritt im Petersdom vor mehr als 20 000 Zuhörern.

Rinscheid berichtete, dass der MGV, der das Gebäude seit sechs Jahren gepachtet hat, alles kontinuierlich gut in Schuss gehalten habe. Dennoch soll der Pachtvertrag nicht verlängert und die Seelhardt möglicherweise abgerissen werden. Trotz dieser düsteren Aussichten betonte er das gute Verhältnis zum Verpächter: „Besonders in der Corona-Zeit hat er sich sehr fair gezeigt.“ Bürgermeister Jörg Bukowski hoffte, dass der MGV nach Abschluss der Bauarbeiten im Gertrudisheim dort eine neue Heimat finden wird. Wehmütig äußerte sich Helmut Zimmermann: „Hier habe ich mein gesamtes Sängerleben verbracht – ich werde nicht hingehen und zusehen, wenn die Seelhardt abgerissen wird.“

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