Lebendiges OberbergDie Rotbuche ist die Königin des oberbergischen Waldes

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Ein Rotbuchenwald im Abendlicht.

Im Abendlicht entwickelt der Buchenwald eine besondere Atmosphäre.

Mit Unterstützung der Biologischen Station stellen wir Arten vor, die uns in Oberberg aufgefallen sind. Die Rotbuche hat die Landschaft geprägt.

Die „deutsche Eiche“ gilt gemeinhin als repräsentativer Baum unserer Heimat. Man schreibt ihr Attribute wie Bodenständigkeit, Stärke und Langlebigkeit zu. Tatsächlich werden die Eichenarten auf einem Großteil der mitteleuropäischen Landfläche – und damit auch im Bergischen Land – über kurz oder lang von der Buche überschattet und damit verdrängt werden (klammern wir die ungewissen Entwicklungen im Zuge des Klimawandels einmal aus).   Mit bis zu 40 Metern Höhe und bis zu 25 Metern Breite ist die Rot-Buche (Fagus sylvatica) einer der mächtigsten und wichtigsten Bäume Mitteleuropas. Mehr als 500 Jahre alt kann sie werden.

Auch in Oberberg ungeeignet fürs Bauen

Vor fünftausend Jahren herrschten schier endlose Buchenwälder zwischen Griechenland und Dänemark. Denn Rot-Buchen gedeihen sowohl auf kalkhaltigem als auch auf saurem Boden, vertragen in der Jugend Schatten, den sie im Alter spenden und haben dadurch große Konkurrenzkraft. Seit den Büchern und Talkshow-Auftritten des Försters Peter Wohlleben weiß eine breite Öffentlichkeit, dass Buchen liebevolle „Mütter“ sind, die ihre Abkömmlinge mit Zuckerwasser versorgen. Sie sind aber auch herrisch und lassen unter ihrem Dach kaum andere Pflanzen wachsen.

Die Früchte dieses dominanten Baumes heißen Bucheckern. Sie fallen im Herbst und sind nur in Maßen roh genießbar, jedenfalls für Menschen. Eichhörnchen, Rötelmäuse und Eichelhäher mögen das anders sehen. Das Holz der Buche ist hart und schwer. Da es jedoch quillt und schwindet, sich verzieht und reißt, ist es als Bauholz ungeeignet, als Brennholz jedoch von großer Bedeutung. Köhler verwandelten es jahrhundertelang zu Holzkohle, da diese leichter zu transportieren ist und heißer verbrennt als Holzscheite. Für die Industrialisierung war dies ein entscheidender Faktor, der zum Schrumpfen der Buchenwälder Europas beitrug.

Naturnaher Bestand bei Schloss Homburg

Der Grad der kulturbedingten Nutzungseinflüsse auf Ökosysteme wird in der Ökologie als Hemerobie bezeichnet. Unsere verbliebenen bergischen Buchenwälder werden als oligohemerob (naturnah) bezeichnet. Einen relativ großen derartigen Buchenwaldbestand gibt es zu Beispiel rund um Schloss Homburg in Nümbrecht. Doch selbst die letzten uralten Buchen(ur)waldreste Mitteleuropas, die in versteckten Bergtälern Österreichs oder Rumäniens der Kultivierung trotzen, waren vielleicht stärker kulturbedingten Nutzungseinflüssen unterlegen als wir denken (siehe unten).

Was Sie hier lesen, sind ja übrigens „Buchstaben“. Der Ursprung dieses Begriffs kommt von einem Stab aus dem Holz einer Buche, der von germanischen Priesterinnen geworfen und dann aufgelesen wurde. Dieser Buchenstab enthielt, soweit er nicht selbst als altgermanisches Schriftzeichen geformt war, eingeritzte Runen. Die Buche ist prägend: für die Landschaft, für die Sprache und letzten Endes für die Mentalität der Menschen, die in ihrem Verbreitungsgebiet leben.

Der Schriftsteller Kai Engelke widmete einer Buche im Emsland folgende Verse: „Zurück blickst du auf 500 Jahre Vergangenheit sagt man / und keinem Lebewesen dieser Erde sei so viel Zeit gegeben wie deinesgleichen – alter Baum/ Schweigende Würde fest verwurzelt / möchte ich kosten von deiner Weisheit. / Dem Chor deiner Blätter lauschend, atme ich Ruhe./ Deine vernarbte Rinde berührend ahne ich Stärke. / Könntest du sprechen alter Baum / nur einen Satz nach all der Zeit –/ Was würdest du sagen?“


Urwald oder Kulturwald?

Entsprach der schon von den Römern gefürchtete germanische Wald wirklich der Definition des echten Urwalds als „ohne menschliche Einflussnahme entstandener Primärwald“? Der Pflanzenökologe Hansjörg Küster, Verfasser der „Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa“ (2010) und der „Geschichte des Waldes“ (2013), warnt: „Wer meint, Buchenwälder seien natürlich, bedenkt nicht, dass dieser Baum wohl nur als Folge kultureller Umgestaltung der Landschaft zur ,Natur' Mitteleuropas wurde.“

Und das kam folgendermaßen: Das Gebiet, in dem sich heute das Bergisches Land erstreckt, war in der letzten Eiszeit eine Kältesteppe. Nachdem es wärmer wurde und das Eis schmolz, entstanden hier Wälder. Erst bestanden diese aus Kiefern und Birken, später setzten sich Eichen mit Linden, Ulmen, Eschen und Haselnuss durch. Als die Menschen in der Jungsteinzeit sesshaft wurden, rodeten sie die Böume und betrieben in den Lössgebieten – das sind Gegenden mit fruchtbaren, leicht zu bearbeitenden Böden – Ackerbau.

Normalerweise zogen diese ersten Bauern nach einigen Jahren weiter. Auf ihren alten Siedlungsplätzen kehrte nach Küsters Darstellung dann bald der Wald zurück: „Gehölze, die sich dank ihrer massenhaften Samenproduktion und ihres schnellen Wachstums auf Lichtungen rasch ausbreiten konnten, kamen zuerst, vor allem Birke. Unter ihnen wuchsen andere Bäume nach. Dies waren aber nun nicht Eichen, Linden, Ulmen, Eschen und Haselbüsche; Rehe, Hirsche und Hasen brachten in ihrem Fell anhaftende Bucheckern aus den Bergen in die lichten Wälder der Lößniederungen mit, wo es mehr Gräser und Kräuter zu fressen gab, als anderswo.“

Die Buchen erwiesen sich fast überall als vitaler als andere Bäume, glaubt Küster. In ihrem Schatten kommt kaum ein anderer Baum in die Höhe. Buchenwälder setzten sich allmählich in vielen Gegenden Mitteleuropas durch, sie wurden zu der „natürlichen“ Vegetationsform, die zwischen Alpen und Nordsee am weitesten verbreitet ist.

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