„Es ist Wahnsinn!“Testchaos bringt Lehrer, Eltern und Kinder in Oberberg an ihr Limit

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Die ständigen Tests in den Klassen führen die Schulen an Grenzen.

Oberberg – Sabine Kremer muss stöhnen. „Eltern und Kinder sind extrem verunsichert“, klagt die Ründerother Grundschulleiterin. „Es ist ein Wahnsinn!“ 25 Kinder sind dort zur Zeit erkrankt. Gerade hat sich herausgestellt, dass in fünf von neun Klassen der Pooltest positiv ausgefallen ist. Das heißt, in fünf Klassen sitzt mindestens ein Kind, das höchstwahrscheinlich Corona hat. Aber welches Kind ist es? Die nachfolgenden Schnelltests sollen Gewissheit bringen. „In vier der fünf Klassen ließ sich das aber nicht nachweisen“, seufzt die Schulleiterin.

Damit ist die Ründerother Grundschule nicht allein. Diethelm Stauss von der FCBG-Grundschule in Gummersbach-Peisel berichtet: „Wir hatten gerade den Fall, dass in derselben Klasse dreimal hintereinander der Pooltest positiv war. Aber alle Schnelltests zeigten danach ein negatives Ergebnis “, erklärt der Schulleiter. „Das ist eine unmögliche Situation. Die meisten Kinder fahren mit dem Bus und sitzen natürlich gemeinsam im Klassenraum. Die Ungewissheit, wer infiziert ist, belastet die Eltern sehr und wirkt sich auf die Stimmung der Kinder aus.“

Überlastung der Corona-Testzentren in Oberberg

Denn es dauert, bis ein Ergebnis vorliegt. Seit die Nachtestung aller Kinder nach einem positiven Pooltest mit den zuverlässigen PCR-Tests wegen Überlastung der Testzentren entfällt, sollen Antigen-Schnelltests in den Schulen Aufschluss über das Infektionsgeschehen geben. „Ich bin darüber sehr unglücklich“, seufzt Stauss. Wie seine Ründerother Kollegin beklagt er nicht nur die Unzuverlässigkeit des Verfahrens, sonder auch den enormen Mehraufwand. „Wir sind extrem beschäftigt, jeden Tag geht durch das Testen mindestens eine halbe Stunde Unterrichtszeit verloren.“

Die pädagogische Arbeit rücke in den Hintergrund. „Wenn ich mit den Handschuhen vor der Klasse stehe, fühle ich mich nicht mehr wie eine Lehrkraft, sondern wie die Mitarbeiterin eines Testzentrums.“

Auch Sabine Kremer sagt: „Es ist ein enormer Organisationsaufwand mit einem riesigen Aufwand an Bürokratie.“ Und das nicht nur am Vormittag. Die Mitteilung über positive Pooltests vom Morgen geht erst am Abend ein. „Oft kommt sie erst um 20.30 Uhr. Dann beginnt die Telefonkette: das Kollegium informieren, die Pflegschaftsvorsitzenden, dann die Väter und Mütter. Für die Eltern ist das natürlich ganz besonders stressig.“

Oberberg: Eltern organisieren Bürgertests für ihre Kinder

Viele Eltern organisierten selbst für ihre Kinder einen Bürgertest, um Gewissheit zu haben. Zum Glück hätten sich einige Testzentren mit verlängerten Öffnungszeiten am frühen Morgen und am späteren Abend auf die Not von Schule und Eltern eingestellt. „Am Montag mussten wir 99 Kinder nachtesten. Zum Glück kamen davon 72 bereits mit einem negativen Bürgertest zur Schule“, sagt die Ründerother Schulleiterin. „Wir schaffen das nur, weil so viele Eltern so tatkräftig mithelfen. Ohne sie würde hier alles zusammenbrechen.“

Maulkorb für die Schulen?

Auch in Oberberg ist die Protestaktion #Schulenamlimit mittlerweile angekommen. So hatte am Mittwoch unter anderem die Gemeinschaftsgrundschule Niederseßmar weiße Tücher aus den Fenstern gehängt. Schüler und Eltern unterstützten die Aktion, indem sie mit weißem Stoff am Ranzen zum Unterricht kamen.

Die Bezirksregierung habe mittlerweile die Notbremse gezogen und über die Schulaufsicht an die Schulen kommuniziert, dass jegliche Aktionen in diesem Zusammenhang zu unterlassen seien, berichtet Jana Koch aus dem Leitungsteam der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Kreisverband Oberberg (GEW). „Das ist sehr schade, da sich viele Eltern jetzt mit den Lehrern in dieser belastenden Zeit solidarisch zeigen. Das war nicht immer so.“ Eine Stellungnahme der Bezirksregierung steht noch aus. (nis)

Immerhin, Tests gibt es offenbar zur Zeit genug. Noch nutzen die meisten Schulen Restbestände, in Peisel sind bereits die neuen Tests von einem anderen Anbieter eingetroffen. Ob die öffentlich geäußerte Kritik von Lehrerverbänden und Elternvertretern an ihrer Qualität berechtigt ist, kann Schulleiter Stauss noch nicht sagen und verlässt sich auf das Urteil der Bezirksregierung. An seiner Schule seien bisher nur einzelne Kinder erkrankt und noch keine Lehrkraft.

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Yvonne Gebauer hat zwar mit der neuesten Verordnung angesichts der rasant steigenden Fallzahlen der Omikron-Welle in besonderen Fällen den Schulen jetzt doch Distanzunterricht gestattet. Für ihn sei das die allerletzte Maßnahme, die er nur im Notfall ergreifen möchte, sagt Stauss: „Besonders für Kinder, die zu Hause wenig Unterstützung haben, ist Präsenzunterricht enorm wichtig.“ So sieht es auch seine Kollegin Sabine Gawlik von der GGS Engelskirchen: „Wir tun alles, um den Betrieb aufrecht zu erhalten.“

Gawlik berichtet, dass ihre Schule derzeit personell „eng auf Kante genäht“ ist. Auch in Ründeroth, wo zurzeit eine Lehrkraft erkrankt ist, sorgt sich Schulleiterin Kremer: „Wir haben nur so viele Kollegen wie Klassen. Wenn noch jemand ausfällt, haben wir wenig Handlungsspielraum.“

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