„Populismus“ und AblehnungWie Oberbergs Kommunen mit dem Klimanotstand umgehen

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Für das Bürgerdorf am Alsberg wünscht sich die Waldbröler Politik zum Beispiel ein grüne Dach mit einer Photovoltaikanlage.

Für das Bürgerdorf am Alsberg wünscht sich die Waldbröler Politik zum Beispiel ein grüne Dach mit einer Photovoltaikanlage.

  • Die Kommunen im Oberbergischen Kreis müssen sich mit dem Klimanotstand auseinandersetzen.
  • Grund dafür ist ein Antrag des Klimabündnisses Oberberg.
  • Einige Politiker bezeichnen den Antrag als Populismus

Oberberg – Die Kommunen in Oberberg diskutieren über den Bürgerantrag des Klimabündnisses Oberberg, den Klimanotstand in Oberberg auszurufen. Die Reaktionen sind unterschiedlich.

Reichshof

Der Bürgerantrag des Klimabündnisses Oberberg auf Ausrufung des Klima-Notstands, fand im Reichshof keine Mehrheit. Wer den Notstand ausrufe, könne sich nicht gleichzeitig für Wohn- und Gewerbeflächen aussprechen und müsse auch bereit sein, Schwimmbäder zu schließen, argumentierte Fraktionsvorsitzender Axel Osterberg und erneuerte die Forderung der CDU, die Verwaltung solle auflisten, was man in Sachen Klimaschutz schon getan habe. Bürgermeister Rüdiger Gennies soll Jugendliche und Naturschutzverbände einladen, um mit ihnen und der Politik wirksame Maßnahmen für Klimaschutz und Umwelt zu erarbeiten. Das wurde bei sieben Gegenstimmen beschlossen. Mögliche Themen hatte Ralf Oettershagen (SPD) aufgelistet: Umstieg auf den ÖPNV, weniger Flächenverbrauch, Radwegenetz, E-Mobilität und Energiewende sind für die SPD Stichpunkte, für die man Konzepte und Zeitrahmen erarbeiten müsse.

Die übrigen Fraktionen und Sprecher sahen das Ganze weniger euphorisch: Auch die Reichshofer kauften in Plastik verpacktes Gemüse und seien im SUV unterwegs, erinnerte Reinhard Krumm (FWO). Jeder einzelne könne etwas für die Umwelt tun, wichtig sei, damit „endlich durchzustarten“. Das fand auch Anja Krämer (FDP). Christine Brach (Grüne) sagte, man wisse seit den 1970er Jahren, was zu tun sei. René Kauffmann warnte davor, „blindlings Versprechen abzugeben, die wir nachher nicht halten können“.

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Wiehl

Die Stadt Wiehl wird über die mögliche Ausrufung eines Klima-Notstands in der anstehenden Sitzung des Umwelt- und Planungsausschusses beraten. Eine Bürgeranregung des Klimabündnisses und ein ähnlicher Antrag der Grünen-Stadtratsfraktion wurden dorthin verwiesen. Im Fachausschuss soll die Verwaltung darstellen, was bereits im Sinne des Klimaschutzes unternommen wird und was zusätzlich getan werden kann.

Die Grünen hätten den Notstand wegen der Dringlichkeit des Themas lieber sofort ausgerufen, fanden dafür im Stadtrat aber keine Mehrheit. Grünen-Sprecher Jürgen Körber beantragte namentliche Abstimmung, was nichts daran änderte, dass nur seine dreiköpfige Fraktion und die beiden Linken sich gegen die Vertagung aussprachen. Manfred Kriegeskorte (Linke) betonte die Notwendigkeit eines Appells an Bundes- und Landesregierung: „Es geht hier nicht nur darum, wie wir in Wiehl herumwursteln.“

Larissa Gebser (CDU) nannte den Grünen-Antrag dagegen „Effekthascherei“. Und Dominik Seitz (FDP) stellte fest: „Mit dem Antrag retten wir das Klima nicht.“ Bürgermeister Ulrich Stücker stimmte ebenfalls für eine weitere Beratung: „Wir nehmen das Thema ernst. Dass wir schon viel machen, heißt nicht, dass wir nicht besser werden können.“ (tie)

Marienheide

Der Marienheider Gemeinderat hat sich am Dienstag mehrheitlich dagegen entschieden, den Klima-Notstand auszurufen. Anstatt den Bürgerantrag zu unterstützen, votierten die Ratsmitglieder für einen alternativen Antrag von CDU und FDP. Wesentlicher Punkt darin: Ein Beirat soll eingerichtet werden, dessen Mitglieder Vorschläge für eine klimagerechte Gemeindeentwicklung machen sollen. In den Beirat berufen werden sollen unter anderem Schüler, Lehrer, Vertreter von Unternehmen, Gewerkschaften und Kirche sowie Techniker und Menschen aus Hilfsorganisationen. CDU und FDP hatten ihren Antrag zur Abstimmung gestellt, weil ihnen der Einwohnerantrag zu weit ging. CDU-Fraktionschef Carsten Jaeger kritisierte etwa, dass die Politik laut Einwohneranregung keine Beschlüsse mehr fassen sollte, „die dem Klimaschutz entgegenstehen“: „Dann dürften wir für den Gesamtschulanbau auch keine Grünfläche mehr versiegeln.“

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FDP-Abgeordneter Jürgen Rittel nannte den Klima-Notstand „Hysterie und Panikmache“. Eine heiße Diskussion entbrannte. SPD-Fraktionschef Harald Kramer vermutete hinter dem CDU/FDP-Antrag Verhinderungstaktik: „Bis dahin ist der letzte Gletscher geschmolzen.“ Auch die Marienheider müssten ihre Lebensweise überdenken, sich auf Abstriche einstellen müssen, so Kramer, der das Feuerwerk beim Feuerwehrfest ansprach. Das missfiel dem CDU-Ratsherrn Günther Korthaus: „Die Feuerwehr anzugreifen, ist ja wohl das allerletzte.“ (ag)

Morsbach

Der Gemeinderat diskutierte am Dienstag lange. Der Notstand wurde aber nicht ausgerufen. Kleinster gemeinsamer Nenner (alle dafür, eine Enthaltung) war die Formulierung: „Sämtliche kommunalen Entscheidungen werden weiterhin mit dem Wissen, Natur und Umwelt schützen zu wollen, getroffen“. Diesen Schutz nur „zu wollen“ – das war den Grünen, aber auch anderen Ratsmitgliedern, zu wenig. Ein entsprechender Antrag der Grünen bekam nur acht Ja-Stimmen.

Bürgermeister Jörg Bukowski warnte vor unvorhersehbaren Folgen des Grünen-Antrags. Eine konsequente Umsetzung könne auch bedeuten, dass alle Dienstwagen abgeschafft werden müssten. Das, so fand Angelika Vogel (Grüne), sei ein „Totschlagargument“. Ihre Fraktionskollegin Bernadette Reinery-Hausmann sprach gar von Angstmacherei. „Wenn wir reinschreiben, dass wir wollen, wird es am Ende immer heißen, dass wir nicht können.“

Klaus Solbach (BfM) forderte ebenso klare Richtlinien, schlug vor, das existierende Klimaschutzkonzept „noch mal anzupacken“. Heike Lehmann (CDU) warb für ein „vernünftiges Abwägen“ bei Maßnahmen des Klimaschutzes. Das forderte auch Karl-Heinz Schramm (SPD), der warnte, an den Folgen eines „radikalen Beschlusses“ hätte man in manchem politischen Sachfeld schwer zu kauen. Auch Rolf Petri (SPD) warnte davor, sich selber Fesseln anzulegen. Heiko Förtsch (FDP) gab zu Bedenken, dass alle Maßnahmen seriös finanzierbar bleiben müssen.

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