EnergiekriseIn Gummersbach gewinnt ein Holzheizkraftwerk immer mehr Anhänger

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Hackschnitzel fallen aus einem Häcksler in einen Container.

Abfallholz wird zu Hackschnitzeln für das Heizkraftwerk in Gummersbach-Lieberhausen verarbeitet.

Vor 25 Jahren entstand die Idee, für die Dorfgemeinschaft von Gummersbach-Lieberhausen Fernwärme aus einem Holzheizkraftwerk zu liefern. Beheizt wird es mit Abfallholz. 

„Es gibt gute Zeiten, es gibt schlechte Zeiten. Mit dem Heizwerk ist es wie in einer Ehe“, resümiert Bernd Rosenbauer, Vorsitzender der Energiegenossenschaft Lieberhausen, wenn er die Geschichte des Holzheizwerks betrachtet. So gesehen feiert das Projekt, das den meisten Häusern im Dorf behagliche Wärme aus nachwachsenden Rohstoffen beschert, gerade Silberhochzeit.

Im Jahr 1997, vor 25 Jahren, entstand die Idee, die Gräben der notwendigen Kanalbauarbeiten zu nutzen für ein Fernwärmenetz. Dabei auf Holz als Brennstoff zu setzen, fanden allerdings erst einmal viele im Dorf ziemlich exotisch. „Das war damals noch kein Thema“, erinnert sich Rosenbauer. Heute dreht sich dagegen alles um erneuerbare Energie, interessierte Gruppen aus ganz Deutschland fragen nach Beratungs- und Besichtigungsterminen, wollen wissen, wie eine Dorfgemeinschaft es geschafft hat, so etwas auf die Beine zu stellen.

Nach jahrelangen Recherchen Eröffnung 2001

„Anfangs dachten viele beim Thema Holz an den Kamin im Wohnzimmer, andere sorgten sich ums Verheizen unserer schönen Wälder“, erinnert sich Rosenbauer, der durch seinen Beruf als Förster derartige Modelle aus Österreich und der Schweiz kannte und mit Weitblick unermüdlich Überzeugungsarbeit leistete. Warum nicht den Abfall nutzen, der bei der Waldpflege der regionalen Forstämter anfällt – Äste, Kronen, vom Sturm zersplitterte Stämme, Rinden, auch Reste aus Sägewerken und aus der Landschaftspflege und damit Wasser erhitzen, das durch ein Leitungssystem die Wärme in die Hausübergabestellen bringt?

Zwei Jahre, zahllose Stunden Recherchearbeit, viele Anträge und Herumschlagen mit Bürokratie und Machbarkeitsstudien später wurde von Bürgern die Energiegenossenschaft Lieberhausen als Trägerin des Heizwerks und des Nahwärmenetzwerks gegründet, 2001 das Holzhackschnitzelheizwerk offiziell eröffnet. Nicht ohne Stolz zeigt Rosenbauer im nahen Wald, wie Holzreste von den vom Borkenkäfer zerstörten Flächen zu Hackschnitzeln geschreddert werden, dem Material, aus dem im Heizwerk in einem Ofen mit besonderer Technik die Wohlfühlwärme für die Wohnzimmer und Bäder, aber auch für Gasthof und Feuerwehrhaus erzeugt wird.

Nebenan werden in einer großen Halle riesige Berge von Hackschnitzeln vorgetrocknet. „Das Material ist für die nächsten drei Jahre gesichert“, erklärt Rosenbauer. Im Wald lagert noch jede Menge. In der nachhaltigen Forstwirtschaft wächst mehr Holz nach als verarbeitet wird, weil Bäume ebenso viel CO2 speichern wie sie bei der Verbrennung abgeben, gilt Holz als ein CO2-neutraler Energieträger.

Andere Dörfer haben  das Lieberhauser Konzept übernommen

Also beste Aussichten, es in der Gummersbacher Ortschaft mit der Wärme aus Holzschnitzeln bis zur Goldhochzeit zu schaffen? Da ist Rosenbauer zuversichtlich, ist doch angesichts von Klimakrise und der Begrenztheit fossiler Energieressourcen der Einsatz erneuerbarer Energie heute eins der ganz großen Themen. Inzwischen haben andere Dörfer sich das Lieberhausener Modell abgeguckt und verwirklicht.

Und die Bürger im Ort? Da zögert Rosenbauer. Zurzeit werden sie im Rahmen einer Studie der Fachhochschule Köln befragt. „Ursprünglich haben 42 Haushalte mitgemacht, heute sind es 74. Aber elf Haushalte, die ursprünglich dabei waren, sind abgesprungen, weil Gas und Öl zwischenzeitlich einige Jahre lang billiger waren“, berichtet er.

Verstehen kann er das nicht. Einmal, weil man doch eine Gemeinschaft sei, die zusammenhalten sollte, und dann natürlich im Interesse von Umwelt und Klima. „Darum geht es doch mehr denn je!“ Zwei andere Hausbesitzer, die auch aussteigen wollten, hätten es sich angesichts der enormen Preissteigerungen bei Gas und Öl und des leer gefegten Wärmepumpen-Marktes schon wieder anders überlegt.

Auf dem Dach produziert Photovoltaik Strom

Nach Jahren der Kritik sei gerade wieder ein deutlicher Stimmungsumschwung zugunsten des Heizwerks zu bemerken. Lieber als über Probleme spricht der Vorsitzende der Energiegenossenschaft über Erfolge: Das bezahlte Darlehen, die Photovoltaikanlage auf dem Dach, die unermüdliche Arbeit der Ehrenamtler, das starke Serviceteam, das sich ständig um die Anlage kümmert.

Kein Zweifel, Rosenbauers ganzes Herzblut steckt im Holzschnitzelheizwerk. Ein prüfender Blick in den riesigen Ofen, auf die Pumpen, ins Arbeitsbuch, alles bestens. Und er malt Pläne für eine mögliche Weiterentwicklung aus. Etwa zusätzliche Photovoltaik-Module, um die Stromkosten der Pumpen drastisch zu senken, Solarthermie, Elektrotankstellen, vor allem Holzvergasung durch Pyrolyse, „dann wäre unser Dorf Lieberhausen energieautark“.

Ob das gelingen kann? Bernd Rosenbauer setzt dabei auch auf das wachsende Engagement von jungen Leuten im Dorf. Die sollen, wenn er 65 Jahre alt wird und sich allmählich zurückziehen will, das Ruder übernehmen. „Und rechtzeitig damit anfangen“, sagt er. „Ich habe das dann 26 Jahre lang gemacht. Die Verantwortung lastet auf den Schultern, das Handy ist immer an.“


Arbeitspreis von 8,5 bis 10 Cent pro Kilowattstunde

1,7 Millionen Euro mussten für das Heizwerk aufgebracht werden. 740.000 Euro Fördersumme wurden gezahlt, davon 75 Prozent vom Land NRW und 25 Prozent von der EU. 970 kW Nennleistung bringt die Vorschubrostfeuerung, die auch für flexible Brennstoffe mit höheren Feuchten geeignet ist.

Für eventuelle Störfälle steht ein 1400-kW-Ölkessel bereit. 42 Milligramm pro Kubikmeter Feinstaub statt der zurzeit erlaubten 150 Milligramm lässt große Filter durch, bis 2028 wird er durch einen noch effektiveren Elektrofilter ersetzt, um die dann vorgeschriebene Norm zu erfüllen.

3600 Schüttraummeter Hackschnitzel werden in der Lagerhalle vorgetrocknet. 2800 Euro pro Jahr muss ein durchschnittlicher Haushalt bezahlen. Die Kosten sind abhängig vom Verbrauch und setzen sich zusammen aus einem Grundpreis für Heizwerk, Fernwärme und feste Kosten von 2,8 bis 3,6 Cent und einem Arbeitspreis von 8,5 bis 10 Cent pro Kilowattstunde. 1000 Besuchergruppen ungefähr haben sich seit der Inbetriebnahme die Anlage in Lieberhausen angesehen. (ms)

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