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Villa Waldesruh in WaldbrölErholung vom Dienst für Polizistinnen und Polizisten

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Rainer Axer, neuer Vorsitzender der Polizei-Stiftung NRW, erklärt die Idee hinter der Villa Waldesruh.

  1. In der Villa Waldesruh in Waldbröl können sich Polizistinnen und Polizisten von aufreibenden Erlebnissen im Dienst erholen.
  2. Beamte die auf Menschen schießen mussten, in Missbrauchsfälle eingebunden waren oder Verletzungen erlitten haben gehören zu den Gästen.
  3. Der neue Vorsitzende der Polizei-Stiftung NRW Rainer Axer erzählt, dass sich die Einstellung von Polizeibeamten gerade ändert.

Waldbröl – Vielleicht reisen Polizisten, die in den Missbrauchsfällen von Lügde oder jüngst in Bergisch Gladbach ermittelt haben, bald nach Waldbröl. Oder Beamte, die im Dienst ihre Waffe abgefeuert haben – so wie neulich in Gelsenkirchen – oder bei Einsätzen selbst verletzt worden sind, beziehen Quartier in der Villa Waldesruh am Bitzenweg. Kollegen, deren Körper oder Seele Schaden genommen hat, stehen dort die Türen offen.

Familien der Polizistinnen und Polizisten dürfen mitkommen

Vor einem halben Jahr hat die Polizei-Stiftung Nordrhein-Westfalen in dem 1902 erbauten, stattlich-schmucken Haus am Rand der Innenstadt ein Erholungsheim eingerichtet. Immer noch riecht es da angenehm nach frischer Farbe, neuen Möbeln und ganz viel Holz. Im Kellergeschoss warten Fitnessgeräte darauf bewegt zu werden, nebenan liegt ein Spielteppich auf dem Boden. An der Wand parkt ein Feuerwehrauto, ausgerechnet.

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Die Villa Waldesruh am Rand der Waldbröler Innenstadt.

„Richtig, ein Polizeiwagen fehlt uns hier noch“, sagt Rainer Axer. Seit wenigen Tagen ist der 49-Jährige Vorsitzender der Polizei-Stiftung. „Bisher waren die vier Wohnungen insgesamt für etwa fünf Wochen belegt“, zieht der Polizeibedienstete aus Aachen eine erste Bilanz. Immer aber darf die Familie mit nach Oberberg, deswegen gibt es ein Spiel- und Freizeitzimmer ebenso wie einen Wellnessraum mit Sauna und Whirlpool sowie eine Grilljurte im großen Garten.

Abstand von dem, was die Polizisten im Dienst erlebt haben

Dass es so wenige Aufenthalte gegeben hat, sei durchaus gewollt, betont Axer. „Wir lassen es langsam angehen, wollen dieses Angebot behutsam bekannt machen.“ Gedacht ist eine solche Auszeit im Bergischen als Zeichen der Anerkennung – für Polizisten, die Leib und Leben für die Sicherheit riskiert haben. So gehören zu den Gästen in Waldbröl ein Polizist, der bei einem Einsatz massive, lebensgefährliche Verletzungen erlitten hat und danach zwei Jahre nicht im Dienst gewesen ist, sowie eine Polizistin, die an Missbrauchsfällen gearbeitet und danach selbst Hilfe gebraucht hat.

„Auch ein Kollege, der auf jemanden schießen musste, ist hier gewesen“, schildert Axer und verliert keine weiteren Worte über diesen Fall. Denn Waldbröl bedeutet Ruhe, Zeit mit der Familie, Abstand nehmen von dem, was vorher passiert ist. Dabei liegt die schwerste Zeit meist hinter denjenigen, die von der Stiftung in das alte Forsthaus eingeladen werden. Der Körper ist genesen, die Psyche oft wiederhergestellt. „Die Kollegen sind meistens wieder im Dienst, haben Rehabilitation oder Therapie beendet“, betont Rainer Axer und ahnt, dass solche Fälle künftig stark zunehmen.

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Die historische Treppe im Inneren der Villa.

Deswegen plant die Stiftung in Zusammenarbeit mit dem sozial-psychologischen Dienst der Polizei, in Waldbröl zudem betreute Aufenthalte zu organisieren oder Selbsthilfegruppen einen Raum anzubieten, etwa für Polizisten, die ihre Pistole zücken und abdrücken mussten. Der sozial-psychologische Dienst der Polizei betreut rund 50 traumatisierte Kräfte im Jahr. Axers Angaben zufolge nehmen überdies etwa 30 Kollegen Geld- und Sachunterstützungen seiner Stiftung in Anspruch, wenn ihnen etwas zugestoßen ist.

„Früher haben Polizisten vieles mit sich selbst ausgemacht“

Aber auch therapeutische Hilfe werde immer öfter angefragt, sagt Axer. „Früher war das nicht so, früher haben Polizisten vieles mit sich selbst ausgemacht“, blickt der Stiftungsleiter zurück. „Aber das ändert sich gerade. Polizisten erkennen heute immer öfter, dass sie selbst Hilfe brauchen. Und dass die Leistung nur stimmen kann, wenn das Wohlbefinden in Ordnung ist.“ Über die Personalräte der Behörden erreicht die Stiftung jene Kollegen, denen sie eine Auszeit spendieren möchte. Seltener fragen Betroffene selbst danach.

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Bevor es die Villa Waldesruh, übrigens von 2012 bis 2014 Übergangswache für Waldbröls Polizei, gab, schickte die Stiftung belastete Kräfte in ein Erholungsheim der Polizeigewerkschaft nach Bayern und bezahlte viel Geld dafür. „Irgendwann lag es also nahe, ein solches Heim in NRW aufzubauen“, erinnert sich Axer. Auf das Fachwerkhaus sei die Stiftung eher zufällig gestoßen. Es gehörte dem Land, stand aber zum Verkauf.

Die Stiftung, darunter Axers Vorstandskollege Kay Wegermann aus Gummersbach, verhandelte hartnäckig, griff schließlich zu und brachte das Haus mit einer Nutzfläche von rund 300 Quadratmetern für fast 800 000 Euro auf Vordermann, möblierte zuletzt mit viel Geschmack die vier Wohnräume.