Vorbild für Andere? Hückeswagen überträgt Kanalnetz an den Wupperverband

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Das Bild zeigt einen Kanaldeckel mit dem Wappen der Stadt Wipperfürth

Ein Kanaldeckel mit dem Wappen der Stadt Wipperfürth.

Als erste Kommune in Oberberg hat Hückeswagen sein Kanalnetz an den Wupperverband übertragen und erhält dafür 61,5 Millionen Euro. Wir erklären die Hintergründe.

Mit diesem Schritt ist die Stadt Hückeswagen ein Vorreiter. Sie hat das städtische Kanalnetz an den Wupperverband übertragen und erhält dafür im Gegenzug 61,5 Millionen Euro. Ein Schritt, der auch bei anderen Kommunen in Oberberg und dem Aggerverband auf Interesse stößt. Wir erklären die wichtigsten Fragen.

Was genau ist geschehen?

Zum Stichtag 1. Januar 2024 hat die Stadt ihr Kanalnetz mit einer Länge von 93 Kilometern und 74 Bauwerken, dazu zählen Pumpwerke und Regenrückhaltebecken, an den Verband übertragen. Nach langer Vorbereitung wurde am 15. Januar im Hückeswagener Schloss ein Vertrag zwischen Hückeswagen und dem Wupperverband unterzeichnet. Der Stadtrat von Hückeswagen und die Verbandsversammlung des Wupperverbandes hatten Ende 2023 diesem Schritt zugestimmt.

Laut Landeswassergesetz ist das Sammeln und Fortleiten von Abwasser eine hoheitliche Aufgabe der Kommunen. Seit 2016 dürfen Kommunen diese Aufgabe aber an den zuständigen öffentlich-rechtlichen Wasserverband übertragen. Der Wupperverband ist in Hückeswagen nun auch für die Leerung privater Abwassergruben zuständig.

Was sind die Gründe für diesen Schritt?

Beide Seiten, die Stadt und der Verband, sehen eine Reihe von Vorteilen: Kläranlagen, Pumpwerke und Kanäle sind jetzt in einer Hand und lassen sich besser vernetzen, der Wupperverband verfügt sowohl über das Know-how und das geeignete Fachpersonal. Die Anforderungen an eine umweltgerechte Abwasserentsorgung sind gestiegen. Gerade kleinere Kommunen wie Hückeswagen tun sich schwer, diese Anforderungen zu erfüllen, auch angesichts des Fachkräftemangels. Das Kanalnetz bleibt öffentlich-rechtlich.

Von der Übertragung des Kanalnetzes profitiert Hückeswagen auch finanziell: Der Wupperverband zahlt an die Stadt einen Ausgleichsbetrag von 61,5 Millionen Euro. Dieses Geld wird über ein Darlehen finanziert. Es fließt zunächst an den stadteigenen Abwasserverband, der als Eigenbetrieb organisiert ist und als eine Art „Hausbank“ der Stadt fungiert. Sie kann sich dort Darlehen gewähren, etwa für einen geplanten Hallenbad-Neubau, oder das Geld auf dem Kapitalmarkt anlegen.

Hückeswagen ist übrigens nicht die erste Kommune, die einen solchen Schritt geht. Im Ruhrverband haben dies bereits Meschede, Schmallenberg, Schalksmühle, Hattingen, Balve und Ennepetal getan.

Wem gehört das Kanalnetz jetzt?

Die Stadt Hückeswagen bleibt juristischer Eigentümer und behält die Hoheit für Planung, Satzungsfragen und die Gebühren. Der Wupperverband ist dagegen wirtschaftlicher Eigentümer des Netzes und hat damit ein uneingeschränktes Nutzungsrecht an den Anlagen und ist auch für Investitionen zuständig.

Die Kosten für den laufenden Betrieb stellt der Verband der Stadt in Rechnung. Laut Wupperverband ist sichergestellt, dass sämtliche Aufwendungen für das übertragene Kanalnetz nur von der Stadt Hückeswagen und nicht von anderen Mitgliedern des Wupperverbandes getragen werden.

Steigen die Gebühren für Abwasser?

Nicht wenige befürchten einen solchen Schritt. Isabel Bever, Kämmerin der Stadt Hückeswagen, schließt das jedoch aus. Im Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Hückeswagen erklärte sie: „Der Bürger wird durch die Kanalnetzübertragung finanziell nicht stärker belastet. Dadurch bedingte Erhöhungen der Abwassergebühren sind ausgeschlossen.“ Der Ruhrverband betont auf seiner Internetseite, dass die Gebührenzahler von einer Kanalnetzübertragung sogar profitieren würden.

Was sagen Andere dazu?

Marienheide hat bereits 2017 die Betriebsführung für Abwasser an den Wupperverband und den Aggerverband übertragen. Bürgermeister Stefan Meisenberg kann sich gut vorstellen, dass auch Marienheide sein Kanalnetz überträgt. Erste Überlegungen dazu habe man begonnen – ein solcher Schritt müsse aber gründlich vorbereitet werden.

Das Tafelsilber kann man nur einmal versilbern.
Armim Kusche, Leiter Stadtentwässerung Wipperfürth

Armin Kusche ist Leiter der Stadtentwässerung der Stadt Wipperfürth. „Der große Vorteil einer solchen Übertragung besteht darin, dass das gesamte Know-how zum Thema Abwasser gebündelt wird, und dass es Synergieeffekte beim Fachpersonal gibt.“ Das Wipperfürther Kanalnetz sei größer als das von Hückeswagen, Kusche schätzt den Wert auf 80 bis 90 Millionen Euro im Fall einer Übertragung. Geld, dass Wipperfürth sehr gut brauchen kann. „Aber das Tafelsilber kann man nur einmal versilbern“, gibt der Leiter der Stadtentwässerung zu bedenken.

Er sieht auch gute Gründe dafür, am eigenen Kanalnetz festzuhalten. „Wir sind näher vor Ort und kennen uns hier aus, die Vorgänge von Wuppertal aus zu steuern ist nicht praktisch. Außerdem profitieren wir von der engen Verzahnung mit unserer eigenen Tiefbauabteilung.“ Auch beim Aggerverband beschäftigt man sich mit dem Thema Kanalnetzübertragung, wie Vorstand Uwe Mooshage erläutert. Erste Anfragen von Kommunen gebe es bereits, „aber da ist noch nichts Spruchreifes. Die Möglichkeit besteht, wenn die Mitglieder das wollen.“

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