Prävention in OberbergNicht nur für Waldbröl eine „Hiobsbotschaft“

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Die Graffiti auf dem Hof der Waldbröler Roseggerschule sind in einer früheren Kooperation mit den Respect Coaches und dem Kölner Graffiti-Künstler Semor entstanden. Auf Solidarität hoffen nun (von links) Heike Braun (Internationaler Bund), Christa Sostmann (Realschule), Tim Schmidt (Respect Coach), Kerstin Claus-Ising (Roseggerschule) und Kathrin Rzany (Internationaler Bund).

Die Graffiti auf dem Hof der Waldbröler Roseggerschule sind in einer früheren Kooperation mit den Respect Coaches und dem Kölner Graffiti-Künstler Semor entstanden. Auf Solidarität hoffen nun (von links) Heike Braun (Internationaler Bund), Christa Sostmann (Realschule), Tim Schmidt (Respect Coach), Kerstin Claus-Ising (Roseggerschule) und Kathrin Rzany (Internationaler Bund).

Das beschlossene Aus des kostenfreien Präventionsprogramms „Respect Coaches“ des Bundes trifft in Oberberg besonders die Stadt Waldbröl.

Es ist das erste und gleichzeitig wohl auch das letzte Mal: Wenn die Respect Coaches im Oktober zur „Europa“-Woche kommen, wird dies wohl ihr einziger Besuch in der Waldbröler Gesamtschule bleiben. Denn für den Haushalt der Bundesregierung für 2024 sollen solche Programme gestrichen werden. In Oberberg trifft das die Marktstadt: Dort haben bisher die Roseggerschule und die städtische Realschule an dem kostenfreien Präventionsprogramm teilgenommen – mit langfristigem Erfolg, wie Kerstin Claus-Ising, Konrektorin der Roseggerschule, und Christa Sostmann, Leiterin der Realschule, betonen.

Verständnis für die Vielfalt zu wecken, Kindern Handwerkszeug für ein konfliktfreies Miteinander an die Hand zu geben, sie über Mobbing und die Folgen aufzuklären und sie dagegen zu wappnen, das sind nur einige Ziele des Programms. „Unterm Strich geht es um nichts weniger als darum, die Demokratie zu bewahren und eine Form des gemeinsamen Umgangs zu entwickeln“, bringt es Tim Schmidt auf den Punkt. „Die sozialen Medien haben viel kaputtgemacht.“

„Respect Coaches“ müssen nun um den Arbeitsplatz bangen

Der 43-Jährige ist mit Kollegin Lissy Koslowski (27) als Respect Coach im Kreissüden unterwegs. Ihr Arbeitgeber ist der Internationale Bund in Waldbröl, der das Programm über den Jugendmigrationsdienst anbietet. „Für mich ist das eine erfüllende, bereichernde Arbeit“, schildert der Wiehler, der um seinen Job bangen muss.

Im Juli noch haben sich alle deutschen Respect Coaches in Göttingen zu einer Tagung getroffen und das kommende Jahr geplant – hochmotiviert, wie Schmidt sagt. „Und nur eine Woche später kam eine E-Mail mit der Nachricht, dass die Respect Coaches vor dem Aus stehen – eine Hiobsbotschaft“, schildert Heike Braun, Leiterin des Jugendmigrationsdienstes und verantwortlich für die Respect Coaches.

Jugendmigrationsdienst muss Schulen in Wiehl und Morsbach absagen

Die setzen mit ihrer Arbeit da an, wo Schule aufhört und nicht weiterkommt, weil die Zeit für solche Projekte ebenso fehlt wie das Fachpersonal. „Schulen können nicht alles im Unterricht regeln, sie brauchen unsere Unterstützung“, erklärt Braun. Ihr liegen neue Anfragen aus Morsbach und Wiehl vor – und für die gibt es jetzt Absagen.

Stattgefunden hat das 2018 etablierte Bundesprogramm bisher nur in Waldbröl, da aber mit weit mehr als 300 Schülerinnen und Schülern aus den Unterstufen. Nun sei dessen Arbeit getan, heißt es auf Anfrage vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. „Als Modellprogramm hat es gute Erfolge gezeigt und seine gesetzliche Funktion erfüllt“, sagt eine Sprecherin und ergänzt: „Die Regierung plant mit dem neuen ,Startchancen-Programm einen massiven Ausbau der Sozialarbeit an Schulen.“ Wann dieses kommt, sagt sie nicht.

Mit dem Aus der Respect Coaches werde in einer Stadt wie Waldbröl, in der 76 Nationen leben, die Chance auf Gleichheit gestrichen, urteilen die Betroffenen. „Und die politische Bildung fällt erneut hinten runter“, bedauert Konrektorin Kerstin Claus-Ising. „Gemeinsam gegen Mobbing“ und „Akzeptanz der Vielfalt“, das sind große Themen, mit denen sich die Kinder an der Roseggerschule, einer Förderschule mit den Schwerpunkten emotionale und soziale Entwicklung und Lernen, auseinandergesetzt haben. „Szenische Workshops etwa haben ihnen auf dem Weg des Erwachsenwerdens neue Perspektiven und Handlungsräume eröffnet.“ Denn für 20.000 Euro jährlich war es dem Jugendmigrationsdienst möglich, dafür externe Kräfte, Theaterensembles etwa, zu engagieren, so wie neulich erst an der Roseggerschule geschehen.

An der Realschule hat es unterdessen Poetry-Slam und Hip-Hop-Workshops zum Thema Antirassismus gegeben. „Auch hatten wir den Zweitzeugen-Workshop bei uns“, blickt Schulleiterin Christa Sostmann zurück. „Dabei werden den Jugendlichen die Biografien von Holocaust-Überlebenden sehr anschaulich präsentiert.“


Bundesweiter Aktionstag am Mittwoch

Am kommenden Mittwoch, 13. September, soll es einen bundesweiten Aktionstag zum Protest gegen die Sparpläne der Bundesregierung geben, auch in Waldbröl. Dort machen bereits Unterschriftenlisten die Runde.

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