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HistorieWaldbröler Handwerkerverein hütet wahre Schätze und bangt um sein Fortbestehen

Lesezeit 5 Minuten
Ein Mann und eine Frau schauen sich alte Urkunden an.

Im Waldbröler Bürgerhaus bewahrt der Handwerkerverein historische Schriftstücke auf, dafür begeistern sich Ulrike und Jürgen Köppe, Vorsitzen der des Vereins. Zu den kunstvollen Urkunden gehört auch die Danksagung an Ernst Thienes, den ersten Vorsitzenden (in den Händen von Ulrike Köppe).

Meisterbriefe, Ehrenurkunden, Belobigungen: Solche Dokumente hat der Waldbröler Handwerkerverein zusammengetragen und im Bürgerhaus ausgestellt.

Wahre Schätze sind es. Und echte Kunstwerke noch dazu. Wenn Ulrike und Jürgen Köppe durch den Keller des Waldbröler Bürgerhauses streifen, leuchten ihre Augen. Denn an den weißen, ansonsten kargen Wänden der früheren Landratsvilla hängt Stadtgeschichte hinter Glas – Handwerksgeschichte, um ganz genau zu sein.

Meisterbriefe, Ehrenurkunden, Belobigungen: Solche Dokumente hat der Waldbröler Handwerkerverein zusammengetragen und im Bürgerhaus ausgestellt. Weil der Verein das mächtige Gemäuer an der Kaiserstraße immer wieder schön und zuletzt von 1994 bis 1996 saniert hat, darf er den Keller für seine Versammlungen etwa nutzen. Von 1903 ist der älteste Meisterbrief.

Lebendige Historie des Waldbröler Handwerkervereins

Die kunstvoll, oft mit aufwendiger Kalligraphie gestalteten Urkunden zeugen von einer lebendigen Historie des Vereins, der 1878 gegründet worden ist. Der Schuhmachermeister Klaus Gerhards, der Malermeister Karl Wilhelm Propach und der Elektromeister Hermann Jacobs seien gewesen, die erstmals auf die stolze Geschichte dieser Gemeinschaft blickten, sagt Jürgen Köppe (65), selbst Braumeister von Beruf und seit bald drei Jahrzehnten Vorsitzender des Vereins – heute kämpft der jedoch um sein Überleben. Auch Köppes Meisterbrief von 1983 ist im Bürgerhaus zu sehen.

Einem seiner Mitbegründer, dem Bäckermeister Ernst Thienes, ist im Juni 1903 eine farbenfrohe, opulente Dankesurkunde gewidmet für seine 25-jährige Mitgliedschaft im Verein – „dass die Familie die herausgegeben hat – einfach toll“, freut sich der Waldbröler. Von 1878 bis in den April ist Thienes Vorsitzender der Gemeinschaft. Gegründet hat sich diese indes als Handwerker-Unterstützungs-Verein – eben für damals im Handwerk tätige Menschen: Die Mitglieder sollten sich fortan gegenseitig tatkräftige Hilfe bieten und sich unterstützen im Berufsalltag, zum Beispiel bei leidigen Aufgaben wie der Buchführung. Auf Thienes folgte bis 1909 dann der Schreinermeister Heinrich Pampus.

Als Kalligraph viele dieser Schriftstücke gestaltet

Ebenso als besonders kunstvoll gelten darf indes der Meisterbrief für den Elektro-Installateur Robert Suing, 1902 in Waldbröl geboren. Das Schriftstück ist datiert auf den 18. Januar 1927. Und es weckt Erinnerungen: „Herr Suing hat mal um meine Mutter gefreit“, verrät Ulrike Köppe (67), die Arzthelferin gelernt hat, aber lieber Schneiderin geworden wäre. „Ich wollte mich bei Schneidermeister Ludwig Blatz am Wiedenhof bewerben, doch er ging in Rente und konnte mir keine Übernahme mehr anbieten.“

Peter, einer der beiden Söhne von Blatz ist es auch, der als Kalligraph viele dieser Schriftstücke gestaltet hat. Ein „Gast von auswärts“ ist derweil Hein Oetjen, ein Schneidermeister aus dem ostfriesischen Aurich. Sein kunstvoller Meisterbrief – ausgestellt am 20. April 1915 – gehört ebenfalls zur Waldbröler Sammlung. Oetjen ist irgendwie in der Marktstadt gelandet – und offenbar geblieben. Sehr schlicht gehalten ist dagegen die Urkunde des Ochsen- und Schweinemetzgers Ewald Gerhards aus Holpe zur bestandenen Meisterprüfung am 7. Mai 1929.

„Wir sind sehr stolz darauf, dass wir diese Schätze hüten dürfen“, betont Jürgen Köppe. „Und sollte es unseren Verein tatsächlich einmal nicht mehr geben, so würden sie gerne dem Museum auf Schloss Homburg überlassen.“ Bis dahin gelte es, diese Zeitzeugnisse mit Namen voller Geschichte zu bewahren, „denn diese Kultur schwindet“.

Von eher skurriler Schönheit ist dagegen die Gabe des Handwerkervereins zur silbernen Hochzeit von Robert Dick und seiner Ehefrau Lina (geb. Barth) am 2. November 1914: Hinter Glas windet sich ein silberner Kranz auf weißem Stoff, in der Mitte thront ein Herz mit den Namen der Eheleute. In den Ecken ringsherum steht geschrieben: „Aus der Myrte jungem Grün/ Möge Silber euch erblühn/ Aus des Silbers zartem Weiss/ Werd Euch einst ein golden Reis“. „Golden Reis“ meint dabei die goldene Hochzeit, die das Paar hoffentlich noch erleben wird. „Was Robert Dick beruflich gemacht hat, das wissen wir heute leider nicht mehr“, bedauert Jürgen Köppe.

Besonders an seinem Verein sei, dass dieser immer auch Berufen offengestanden habe, die nicht im klassischen Handwerk angesiedelt, aber diesem verbunden sind, führt der Vorsitzende aus, „zum Beispiel Anwälten, Architekten und Bankern“. Und nicht jedes Mitglied komme aus der Marktstadt. „Morsbach, Windeck und Wiehl sind ebenfalls vertreten.“ Köppe blickt zurück: „Die Corona-Pandemie hat auch uns völlig aus der Bahn geworfen, bis dahin haben wir auch Schulungen angeboten, etwa im Erb- und im Steuerrecht.“ Dabei denkt er auch an die Leistungsschau, die der Verein seit 1998 alle zwei Jahre ausgerichtet hat – zum bisher letzten Mal allerdings 2019.


Im kommenden Frühjahr droht dem Verein die Auflösung

Sollten sich bei der Jahreshauptversammlung im Frühjahr 2026 keine Kandidatinnen und Kandidaten für einen neuen Vorstand finden, wird der Waldbröler Handwerkerverein wohl seine Auflösung beschließen – nach etwa 148 Jahren. Zurzeit zählt der Verein nach Angaben des Vorsitzenden Jürgen Köppe 120 Mitglieder, von denen zurzeit etwa 50 mitten im Berufsleben stünden. „Der aktuelle Vorstand möchte aber nicht mehr antreten – überwiegend aus Altersgründen“, sagt Braumeister Köppe, selbst 65 Jahre alt.

Die Lage seines Vereins bezeichnet der Waldbröler als „sehr dramatisch“, „vor allem, weil uns junge Leute fehlen“. Dabei seien gerade die in einer solchen Gemeinschaft gut aufgehoben: „Ein solcher Ort, an dem man Netzwerke knüpfen kann, jederzeit Hilfe bekommt und Unterstützung erfährt, der ist heute doch wertvoll wie nie zuvor“, findet Köppe und denkt auch an Seminare, die der Verein früher organisiert hat. „Drei bis vier Leute im digitalen Raum – das ist selbst heute kein Netzwerk.“ Auch treffe man in einem solchen Verein auf Menschen, „die wirklich noch was erzählen können, die auch ohne Handy und Computer Wissen weitergeben“. Um den Verein zu retten, ergänzt Köppe, könne er sich auch eine Fusion mit einem anderen vorstellen: Da denke er etwa an den Nümbrechter Handwerkerverein, der gerade 50 Jahre alt geworden ist.

Eine Urkunde.

Per Urkunde wurde Robert Suing zum Ehrenvorsitzenden gekürt.

Zum aktuellen Vorstand gehören: Jürgen Köppe (Vorsitzender, Braumeister), Jochen Jacobs (stellvertretender Vorsitzender, Maurermeister und Restaurator), Joachim Irrgang (Schriftführer, Elektrikermeister), Christina Bockemühl (Kassiererin, Verwaltungsangestellte), Sandra Becker (Beisitzerin, Versicherungskauffrau), Ingo Rahn (Beisitzer, Kfz-Meister), und Tim Wehling (Beisitzer, Gartenbaumeister).

Im Jahr 2019 hat der Handwerkerverein seine bisher letzte Leistungsschau ausgerichtet, im kommenden Jahr soll es endlich eine Fortsetzung geben, dann aber Bürgerdorf am Alsberg und wohl ausgerichtet von der „Wir für Waldbröl“-GmbH.

Für Sonntag, 18. Mai, lädt der Handwerkerverein zu seiner jährlichen Wanderung ein. Diese führt diesmal auf den Nutscheid-Höhenzug und rund um den Waldbröler Naturerlebnispark Panarbora.