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Interview

Bergische Achsen
Geschäftsführer Tobias Wiedeking über internationale Strategien von BPW in Wiehl

6 min
Tobias Wiedeking im Porträt.

Seit Jahresanfang BPW-Gesellschafter: Tobias Wiedeking.

In Interview spricht der 42-Jährige, der neu an der Spitze der BPW-Geschäftsführung steht, über Herausforderungen für das Traditionsunternehmen. 

Tobias Wiedeking ist das neue Gesicht an der Spitze der BPW-Geschäftsführung. Reiner Thies befragte den 42-jährigen Manager zu den Herausforderungen, denen sich das traditionsreiche Wiehler Lkw-Achsen-Unternehmen derzeit stellen muss. Die Antworten wollte er schriftlich geben.

Sind Sie eigentlich mit dem früheren Porsche-Chef Wendelin Wiedeking verwandt? Wenn ja, hatte das Einfluss auf ihre Laufbahn?

Tobias Wiedeking: Der Name verbindet, allerdings ist es nur eine entfernte Verwandtschaft. Diese Verbindung hatte und hat keinen Einfluss auf meinen persönlichen und beruflichen Werdegang.

Seit Jahresanfang gehören Sie zum engen Kreis der geschäftsführenden Gesellschafter. Ist es richtig, dass damit erstmals die Mehrzahl der Geschäftsführer nicht zur Familie Kotz gehört? Wenn ja, was bedeutet das für das Unternehmen?

BPW hat in den letzten Jahrzehnten immer mit einer Geschäftsführung gearbeitet, die mit persönlich haftenden Gesellschaftern der Eigentümerfamilie aber auch familienfremden persönlich haftenden Geschäftsführern besetzt war. Seit 2014 ist Achim Kotz, in vierter Generation der Gründerfamilie, Teil der Geschäftsführung der BPW. Darüber hinaus stellt seit jeher der enge und regelmäßige Austausch zwischen der Eigentümerfamilie und der Geschäftsführung die Kontinuität und Ausrichtung des Familienunternehmens sicher. Wir freuen uns, dass die Gesellschafter uns wiederholt das Vertrauen für die Führung und strategische Ausrichtung der BPW-Gruppe ausgesprochen haben.

Wie geht es dem Unternehmen in den Zeiten der vielfältigen Wirtschaftskrisen?

Das Geschäftsjahr 2024 war von anspruchsvollen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen geprägt, die auch die BPW-Gruppe beeinflusst haben. Mit 1562 Millionen Euro lag der konsolidierte Umsatz daher unter dem Vorjahresniveau. Im Rahmen unserer Wachstumsstrategie haben wir im vergangenen Jahr eine neue Tochtergesellschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten gegründet, um unsere Marktpräsenz in dieser für uns bedeutenden Region weiter auszubauen. Damit ist die BPW-Gruppe nun weltweit in 28 Ländern vertreten und beschäftigt 6580 Mitarbeitende. Mehr als 1350 arbeiten an unseren Standorten im Oberbergischen Kreis, darunter auch 85 Auszubildende.

Das Geschäftsjahr 2024 war von anspruchsvollen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen geprägt, die auch die BPW-Gruppe beeinflusst haben.
Tobias Wiedeking, BPW-Geschäftsführer

Vor drei Jahren wurde das Unternehmen von einer großen Rückrufaktion getroffen. BPW musste hunderttausende Achsen überarbeiten, die bereits ausgeliefert wurden, weil eine Trailerscheibenbremse defekt war. Ist diese Servicemaßnahme abgeschlossen? Hat sie Spuren hinterlassen?

Im Rahmen unserer intensiven Produktbeobachtung und innerhalb unserer ständigen Feldüberwachung haben wir im Sommer 2022 festgestellt, dass es an unseren Trailerscheibenbremsen in sehr seltenen Fällen zu Undichtigkeiten im Bereich des Nachstellers kommen konnte. Sicherheitshalber haben wir daher alle betroffenen Trailerscheibenbremsen einer umfassenden Servicemaßnahme unterzogen. Heute haben wir bei dieser Servicemaßnahme einen branchenüblichen Abarbeitungsstand erreicht.

BPW erwirtschaftet rund ein Viertel seines Umsatzes außerhalb Europas. Zählt Russland zu diesem europäischen Viertel? In welchem Umfang gibt es heute noch Aktivitäten auf dem russischen Markt? Besteht noch die russische Tochtergesellschaft?

BPW erwirtschaftete auch im vergangenen Geschäftsjahr 25 Prozent des Umsatzes außerhalb Europas. Diese historisch gewachsene Diversität ist für die BPW-Gruppe essenziell. Die Gründung unserer Tochtergesellschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist dafür ein gutes Beispiel. In Bezug auf Russland verhalten wir uns seit Kriegsbeginn vollständig sanktionskonform und haben sämtliche Investitionen gestoppt.

Bereits 1995 hat BPW ein Joint Venture zur Fertigung im chinesischen Meizhou gegründet. Die internationalen Spannungen werden zunehmend auch das China-Geschäft erschweren. Wie bereitet sich BPW darauf vor?

Wir haben eine langjährige, erfolgreiche Zusammenarbeit und haben uns über die letzten 30 Jahre eine starke Marktposition in China erarbeitet. Das Joint Venture im chinesischen Meizhou produziert ausschließlich für den lokalen Bedarf, daher tangiert uns das geopolitische Geschehen eher marginal.

Die BPW-Gruppe ist in den vergangenen Jahrzehnten durch Zukäufe stetig gewachsen. Wird diese Strategie fortgesetzt?

Unser Ziel ist es, unsere Mobilitätspartnerschaft mit Fahrzeugbetreibern und unsere Systempartnerschaft mit Fahrzeugherstellern kontinuierlich weiter auszubauen, daher streben wir natürlich weiteres nachhaltiges Wachstum in der gesamten BPW-Gruppe an. Ob dies organisch oder durch Zukäufe geschieht, bleibt offen.

BPW bemüht sich, mit elektrischen Antriebslösungen und der digitalen Vernetzung von Truck, Trailer und Fracht die Modernisierung der Lkw-Technologie zu prägen. Wo steht BPW heute in diesem Prozess?

Digitalisierung, Konnektivität, Künstliche Intelligenz, Automatisierung, Elektrifizierung und Nachhaltigkeit prägen die Nutzfahrzeugbranche. Wir haben diese Trends früh erkannt und analysiert. Unser Fokus liegt darauf, unsere Stärken zu nutzen und Chancen wahrzunehmen – mit dem Ziel, Fahrzeugbetreiber und -hersteller bei einem effizienten und sicheren Transport zu unterstützen.

Wohin geht der Trend? Welche Rolle werden autonomes Fahren und sonstige KI-Technik spielen?

Beispielsweise haben wir als erster Hersteller eine neue Generation von Trailer-Fahrwerken entwickelt, die ein vorausschauendes Wartungsmanagement ermöglicht. Dabei kommen unter anderem intelligente Algorithmen zum Einsatz, um Vorhersagen zu treffen. Ein anderes Beispiel ist unsere Generatorachse ePower, die während der Fahrt und beim Bremsen Strom erzeugt. Damit lassen sich Kühlaggregate von temperaturgeführten Transporten emissionsfrei betreiben. Kühlspediteure sparen dadurch bis zu 4000 Liter Diesel und zehn Tonnen CO₂ pro Trailer und Jahr.

Worin sehen Sie die größten Herausforderungen für die deutsche Fahrzeugindustrie?

Die deutsche Fahrzeugindustrie steht derzeit vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die sowohl Risiken als auch Chancen bieten. Eine der zentralen Aufgaben ist die Bewältigung des technologischen Wandels, insbesondere in den Bereichen Elektromobilität, Digitalisierung und Automatisierung. Der Übergang von fossilen Antrieben hin zu nachhaltigen Energiequellen erfordert enorme Investitionen in Forschung, Entwicklung und Infrastruktur. Gleichzeitig wächst der Druck, die Lieferketten resilienter und umweltfreundlicher zu gestalten, gerade vor dem Hintergrund globaler Krisen und geopolitischer Spannungen.

Was bedeutet das für BPW?

Für BPW als mittelständisches Unternehmen mit langer Tradition bedeutet dies, dass wir uns kontinuierlich anpassen und neu erfinden müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir sehen es als unsere Aufgabe, nicht nur robuste und zuverlässige Lösungen für den Transportsektor zu entwickeln, sondern auch aktiv zur Reduktion von CO₂-Emissionen in der Logistik beizutragen. Ein weiterer entscheidender Punkt ist der demografische Wandel – branchenweit, aber auch speziell bei BPW. Wir investieren daher stark in die Nachwuchsförderung und eine moderne Ausbildung und schaffen attraktive Arbeitsbedingungen, um qualifizierte Mitarbeitende im Unternehmen zu halten. Zudem legen wir großen Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie auf die Förderung der Vielfalt innerhalb unseres Unternehmens.


Zur Person

Tobias Wiedeking ist seit dem 1. Januar 2025 persönlich haftender Gesellschafter der BPW Bergische Achsen KG. Seit 2019 verantwortet er bereits in der Geschäftsleitung den Bereich Finanzen. Er ist in Paderborn geboren und hat dort bis heute seinen Hauptwohnsitz. Der 42-Jährige ist verheiratet und Vater zweier Kinder.

Nach dem Studium in Köln legte Wiedeking das Steuerberaterexamen ab und arbeitete bei den international agierenden Unternehmen PwC und KPMG in der Wirtschaftsprüfung. Anschließend sammelte er neun Jahre lang Erfahrungen in unterschiedlichen Positionen innerhalb der Benteler Gruppe, bevor er 2019 als Mitglied der Geschäftsleitung bei BPW eingestiegen ist.