125. FirmenjubiläumGroße Herausforderungen für BPW in Wiehl

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Man sieht Bestandteile einer LKW-Achse und einen Arbeiter in einer großen Fabrikhalle.

Achsenmontage bei BPW in Wiehl: Das Traditionsunternehmen muss gleich mehrere Krisen und einen grundlegenden technologischen Wandel bewältigen.

Die Kontakte zur russischen Tochter mussten abgebrochen werden. Eine Rückrufaktion schmälert den Gewinn.

Internationaler geht es nicht. Überall auf der Welt kann man das Logo des Unternehmens entdecken, wenn man auf die Hinterradnaben des Lkw blickt, der neben einem im Stau steht. Und oberbergischer geht es auch nicht. Die Bergische Patenachsen KG Wiehl, kurz: BPW, steht beispielhaft wie kein anderes Unternehmen für den Industriestandort.

BPW ist zum einen seit Generationen ein Familienunternehmen und bis heute inhabergeführt. Die Firma hat zum anderen wie so viele oberbergische Firmen ihre Wurzeln in der wasserkraftgetriebenen Metallindustrie und gilt drittens wegen ihres Nischenprodukts als „Hidden Champion“. Und das trotz eines Jahresumsatzes von 1,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr und weltweit 7000 Mitarbeitern. In diesem Jahr feiert die Firma ihr 125-jähriges Bestehen.

BPW hat in Oberberg einen hervorragenden Ruf

In Oberberg erfreut sich die Achsenfabrik eines hervorragenden Rufs. Mit rund 1500 Mitarbeitern in Wiehl und den Werken in Reichshof-Hunsheim und -Brüchermühle gehört die Firma zu den beliebtesten und größten Arbeitgebern im Kreis. Auch IG-Metall-Chef Werner Kusel ist voll des Lobes: „BPW ist ein gut geführtes Unternehmen mit vernünftigen Arbeitsplätzen. Es verdient Hochachtung, dass die Eigentümer das 125 Jahre lang durchgehalten haben und nicht wie andere dem schnellen Geld hinterhergelaufen sind.“

Die gute Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat musste sich zuletzt im vergangenen Jahr beweisen, als eine Regelung für eine große Rückrufaktion gefunden wurde: Das Unternehmen muss hunderttausende Achsen überarbeiten, die bereits ausgeliefert wurden, weil eine Trailerscheibenbremse defekt war. Das Unternehmen geht aktuell davon aus, dass die Servicemaßnahme „zeitnah“ abgeschlossen wird. Der Mehraufwand habe zwar durchaus Einfluss auf die Ertragssituation. „Wir haben als Unternehmen aber eine gute finanzielle Substanz, so dass die Servicemaßnahme als zeitlich begrenzte finanzielle Belastung zu sehen ist.“

BPW hat Kontakte nach Russland abgebrochen

Dazu kommen aber die Belastungen, mit der derzeit alle deutschen Industrieunternehmen kämpfen wie Energie- und Materialkostenexplosion und eine anhaltend schwache Konjunktur. „Neben Preiserhöhungen für unsere Produkte haben wir daher frühzeitig schon im vergangenen Jahr diverse Maßnahmen, wie die Vereinbarung eines Stabilisierungstarifvertrags mit der IG Metall, ergriffen, um langfristig die Beschäftigung und den Standort zu sichern und weiterhin wirtschaftlich und wettbewerbsfähig handeln zu können“, schreibt BPW auf Anfrage. Der Ukraine-Krieg ist für BPW besonders heikel, da der Konzern in Russland ein eigenes Werk betreibt. „Laut der aktuellen Gesetzeslage und Sanktionen dürfen wir seit März keine Produkte mehr aus Europa nach Russland liefern“, teilte das Unternehmen dazu jetzt auf Anfrage mit. „An diese und alle weiteren Sanktionen halten wir uns konsequent. Entsprechend haben wir auch sämtliche Geschäftsaktivitäten (und Kontakte) zu unserer russischen Tochtergesellschaft eingestellt.“

Als Familienunternehmen denken und handeln wir nicht in Quartalen, sondern in Generationen
Achim Kotz, Geschäftsführenden Gesellschafter

Ohnehin bewegt sich BPW im Zentrum eines Markts, der großen Umwälzungen unterworfen ist. Seit Jahren bemüht sich das Unternehmen, beim Wandel zu einer emissionsarmen und digitalisierten Mobilität mitzuhalten. 2012 ist mit dem Kauf der Mehrheitsbeteiligung an der idem GmbH, einem Marktführer für Telematik-Systeme, eine neue Strategie verbunden: Die BPW Gruppe will „Mobilitätspartner für Fahrzeugbetreiber und als Systempartner für Fahrzeughersteller“ werden. Die Produkte sollen nicht nur den Transport selbst gewährleisten, sondern auch die Erfassung von Fahrzeug- und Ladungsdaten. Das Fahrwerk denkt mit.

BPW gibt Elektro-Laster ab 

2021 stellte BPW den in Zusammenarbeit mit dem bayerischen Nutzfahrzeugbauer Paul selbst entwickelten „Bax“ vor, einen vollelektrischen 7,5-Tonnen-Kleinlaster. Die „ePower“-Achse erzeugt beim Fahren und Bremsen Energie. In einer neuen Vereinbarung wurde die Produktverantwortung komplett an den bayerischen Elektrifizierungsspezialisten Pepper Motion abgegeben. BPW wird nur noch die Achse zuliefern.

Im Kern ist die Firma insofern die Fuhrwerkschmiede geblieben, als die sie 1898 gegründet wurde. Zumal Hochtechnologie schon damals maßgeblich war. Der amtierende Firmenchef Achim Kotz berichtet: „Mit der Erfindung einer selbstschmierenden Fuhrwerkachse in den frühen Unternehmensjahren ermöglichte BPW Fahrzeugbetreibern mehr Wirtschaftlichkeit pro Kilometer, weil das zeit- und kostenintensive Schmieren entfiel.“

Achim Kotz, geboren 1975, gehört seit 2014 neben Geschäftsführer Markus Schell zur Spitze des Unternehmens und ist somit persönlich haftender geschäftsführender Gesellschafter in vierter Generation.

Verbundenheit mit Wiehl ist BPW wichtig

1905, nur wenige Jahre nach der Unternehmensgründung, wurde die erste BPW Eigenentwicklung patentiert: die „NOKO-Achse“, benannt nach den damaligen Firmeninhabern Otto Nohl und Gustav Friedrich Kotz. Mit der Rollenlagerachse für Lkw-Anhänger im Jahr 1925 revolutionierte BPW den Anhängerbau, denn sie ermöglichte eine Reduzierung der Zugkraft um 50 Prozent, eine Schmiermittelersparnis um 80 Prozent und eine Kraftstoffersparnis von zehn Prozent. Viele weitere Innovationen sollten folgen.

Zur DNS der Firma gehört die Verbundenheit der Familie Kotz mit der Region, besonders mit der Stadt Wiehl. Das zeigt sich in allerlei Mäzenatentum und im traditionellen Engagement der Geschäftsführung in der Lokalpolitik. Seniorchef Christian Peter Kotz ist Ehrenbürger der Stadt Wiehl.

„In 125 Jahren Unternehmensgeschichte gab es Höhen und Tiefen. Doch BPW steht für Beständigkeit“, versichert Neffe Achim Kotz. „Denn als Familienunternehmen denken und handeln wir nicht in Quartalen, sondern in Generationen.“


125. Jahre BPW: Von der Hammerschmiede zum Weltkonzern

Ursprung des Unternehmens war ein damals stillgelegtes, mit dem Wasser der Wiehl angetriebenes Schmiedehammerwerk. Auf dem als „Ohlerhammer“ bezeichneten Gelände der Firma der Gebrüder Reusch gründeten   vier Partner am 15. Juli 1898 die „Bergische Patentachsenfabrik GmbH in Wiehl“. Bis heute hat das Unternehmen dort seinen Stammsitz.

Der Ründerother Buchhalter Otto Nohl und der Unternehmersohn Friedrich Zapp aus Engelskirchen-Bickenbach machten sich mit der Gründung selbstständig. Carl Ferdinand und Ernst Gustav Reusch waren als stille Teilhaber dabei. Der Kaufmann Gustav Friedrich Kotz senior (1829-1913), der einer seit dem 16. Jahrhundert in Ründeroth nachweisbaren Familie entstammte, finanzierte den Anteil seines Schwiegersohns Otto Nohl (1863-1919).   Zwölf Mitarbeiter wurden vom insolventen Vorgängerbetrieb der Gebrüder Reusch übernommen und fertigten für die neue Firma Eisenachsen für Kutschen, Ackerwagen und Speditionsfuhrwerke.

Die beiden Unternehmensgründer und ihre Arbeiter haben sich zum Gruppenbild vor einem Fachwerkgebäude formiert.

Die Unternehmensgründer Otto Nohl (M.,r.) und Friedrich Zapp mit den ersten Mitarbeitenden am Ohlerhammer in Wiehl, der noch heute der Hauptsitz des Unternehmens ist.

Nohls Schwager Gustav Friedrich Kotz jun. (1876-1948) trat 1901 in das Unternehmen ein und führte es mit seinem kaufmännischen Gespür und mittels Vertriebsreisen durch halb Europa zum Erfolg. 1907 hatte die Fabrik bereits 50 Mitarbeiter, 1914 waren es 122.   Im Jahr 1917 wurde Kotz alleiniger Besitzer und begründete eine Dynastie, die bis heute für die Geschicke der Firma verantwortlich ist.

Während des Zweiten Weltkriegs produzierte BPW nahezu ausschließlich Achsen für Militärfahrzeuge und beschäftigte mehrere hundert Zwangsarbeiter, die in einem eigenen Lager lebten. Nach Kriegende bekam die Fabrik schon sehr bald die Genehmigung der Alliierten zur Wiederaufnahme der Produktion und entwickelte sich rasant. Unter der Leitung von Fritz Kotz   (1908-1980) waren 1949 bereits 832 Arbeiter und Angestellte „beim Kotz“ beschäftigt. Bis 1960 kletterte der Personalbestand auf 2000 Arbeitnehmer.

BPW unterhält heute ein weltweites Vertriebsnetz

Schon in den 1930ern eröffnete BPW erste eigene Verkaufsstellen. Daraus ist heute ein weltweites Vertriebsnetz mit Tochtergesellschaften in 27 Ländern geworden. Um die Produktionskapazitäten zu erhöhen, wurde 1954 das Zweigwerk in Brüchermühle in Betrieb genommen.   In den 1960er Jahren erfolgte der weitere Ausbau der Produktionskapazitäten, auch international, wie in der Firmenchronik nachzulesen ist. 1962 nahm das Werk in Südafrika die Fertigung auf. Drei Jahre später folgte die Inbetriebnahme des Zweigwerks Sinsheim, das heute auf die Fertigung der eigens entwickelten Trailerscheibenbremse Eco Disc spezialisiert ist. 1968 erwirbt BPW die in Dänemark ansässige Firma Transport-Teknik, viele weitere Übernahmen sollten folgen. Dazu kamen Joint-Ventures in Ungarn und China, sodass BPW sich zum internationalen Konzern entwickelte.

Das Selbstverständnis des Unternehmens kann man auch daran ablesen, dass es die eigene Historie im Werksmuseum verknüpft mit der 5500-jährigen Geschichte von „Achse, Rad und Wagen“, so der Name der mit kostbaren Stücken ausgestatteten Sammlung.

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