Verwaltung wehrt sichExperten kritisieren indische Steine für Wipperfürther Markt

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Experten kritisieren die indische Grauwacke, mit der der Wipperfürther Marktplatz gepflastert werden soll. 

Wipperfürth/Lindlar – Dass Grauwacke aus Indien statt aus der Region in Wipperfürths „Wohnzimmer“ verlegt werden wird, sorgt nicht nur in Wipperfürth nach wie vor für ungläubiges Kopfschütteln. Auch bei Experten aus der Natursteinbranche.

So widerspricht etwa Dipl.-Ing. Reiner Krug, Geschäftsführer des Deutschen Naturwerkstein-Verbandes, der Aussage, die Grauwacke-Steine hätten nicht regional ausgeschrieben werden können. Das sei sehr wohl indirekt möglich, denn das EU-Vergaberecht biete ausdrücklich die Möglichkeit, Umweltkriterien, wie etwa die CO2 -Bilanz, in die Ausschreibung mitaufzunehmen, und zwar als Qualitätskriterium. Dadurch reduziere sich die Gewichtung des Preises und umweltfreundlichere Angebote könnten zum Zug kommen.

Experte hat ökologische, soziale und technische Bedenken

Aus ökologischer Sicht sei es unverständlich, Steine tausende Kilometer weit per Schiff zu transportieren, wenn nur wenige Kilometer von Wipperfürth entfernt die gleiche Qualität vorhanden sei. Er hält die Ausschreibung der Stadt für sehr schwammig und zu wenig präzise. Aber auch aus anderen Gründen sei es – aller Zertifikate zum Trotz – in diesem Fall durchaus fragwürdig, indische Steine zu verwenden. So seien die Umwelt- und Arbeitssicherheitsstandards dort deutlich niedriger, zum anderen erfolge die Wertschöpfung nicht in der Region, sondern im Ausland und die deutlichen niedrigeren Preise basierten letztlich auf einer Ausbeutung der indischen Arbeitskräfte, die nur wenige Dollar am Tag verdienen würden.

Neben den ökologischen und sozialen Aspekten hat der Fachmann allerdings auch technische Bedenken. Normalerweise seien die indischen Steine gespalten, nicht gesägt und geflammt, wie es die Ausschreibung verlange. Bei gesägter und geflammter Oberfläche gehe er auch davon aus, dass auch die Seiten so bearbeitet sein sollten, so Krug.

Betriebe aus Lindlar haben ähnliche Preise

Bei gesägten Kanten gebe es mit etwa fünf Millimetern deutlich kleinere Fugen als bei gebrochenen, die bis zu zwölf Millimeter breit sein könnten, sagt auch Frank Peffekoven, Geschäftsführer des Lindlarer Grauwackebetriebes Quirrenbach. Die Belastungen, die durch Brems- und Beschleunigungsvorgänge sowie durch Scherkräfte entstehen würden, könnten bei größeren Fugen dazu führen, dass sich die Steine lockern könnten. Das werde Folgekosten verursachen, die deutlich höher liegen würden, als die jetzt beim Auftrag eingesparten Summe.

Die gesägten Kanten, die nach Meinung von Peffekoven und Krug laut Ausschreibung angeboten werden sollten, seien deutlich teurer als die gebrochen Version. Die jetzt zum Einsatz kommenden Steine habe man bei seinem Unternehmen nicht angefragt, sagt er, und betont, dass man bei dieser Variante preislich nicht weit weg von den indischen Steinen gewesen wäre. Da könne er auch für die anderen Grauwacke-Betriebe in Lindlar sprechen, so Peffekoven. Mit den breiteren Fugen spare man zudem rund 245 Quadratmeter Steine, hat er ausgerechnet. Dass die Steine aus Indien kämen, sei ökologischer Wahnsinn.

Verwaltung weist Vorwürfe zurück

Stephan Hammer, Abteilungsleiter Bauen, Planen, Umwelt, wehrt sich gegen den Vorwurf, die Ausschreibung, die für die Stadt von der Firma HPC in Reichshof erstellt wurde, sei unpräzise. Gesägte und geflammte Oberflächen stünden ebenso im Ausschreibungstext wie die Anforderungen für die Seitenflächen. Auf Seite 81/82 des Leistungsverzeichnisses der Ausschreibung heißt es: „Pflastersteine dürfen an der Unterseite und den Seitenflächen nicht fein bearbeitet oder geschliffen sein“. Das sei klar formuliert und schließe ein Bearbeitung wie gesägte Flächen aus.

Grauwacke aus Indien hätte bei der Ausschreibung auch nicht ausgeschlossen werden können, wenn Umweltgesichtspunkte mit aufgenommen worden wären, so Hammer. Der Transport per Schiff gelte als umweltfreundlich, sagt er.

Steine für den Marktplatz werden in Indien abgebaut

Die Ausschreibung hat die Firma Boymann gewonnen. Die Grauwacke-Steine für den Wipperfürther Marktplatz würden aktuell in Indien abgebaut, sagt ein Mitarbeiter der Stonepark GmbH aus Diepholz, die die Steine liefert. Er verweist darauf, dass die Steine nach den Rahmenbedingungen des Fairstone-Zertifikats abgebaut würden.

Durch Barcodes ließe sich auch die Herkunft leicht nachvollziehen und die geforderte Qualität werde sichergestellt. Der größte Teil der in Deutschland verbauten Natursteine kommt aus dem nichteuropäischen Ausland, da die Steinbrüche hier die geforderten Mengen nicht liefern könnten. In acht bis zehn Wochen werden die Steine aus Indien in Wipperfürth erwartet.

Umweltaspekte bei der Auftragsvergabe

Umweltfreundliche Beschaffung ist ein Prozess, in dem öffentliche Beschaffungsstellen Bau -, Liefer - und Dienstleistungsaufträge ausschreiben, die eine geringere Umweltbelastung aufweisen als ver- gleichbare Leistungen mit der selben Funktion. Durch eine umweltfreundliche Beschaffung kann die öffentliche Hand den Markt hin zu umweltfreundlichen Produkten beeinflussen, Energie effizient nut- zen, CO2 und andere Emissionen sowie die Verwendung gefährlicher Substanzen reduzieren und Ressourcen schonen.

Von Seiten der EU -Kommission wird die umweltfreundliche öffentliche Auftragsvergabe („grüne Beschaffung“) als wirksames Instrument zur Förderung des Umweltschutzes betrachtet.

Das Thema genießt auf europäischer Ebene hohe Priorität, und ist in die europäischen Vergaberichtlinien 34 eingeflossen und nunmehr in § 97 Absatz 3 GWB 2016 übernommen worden.

Durch die Verankerung von Regelungen, die sich auf Umweltaspekte in den Leistungsanfor- derungen oder in Auftragsausführungsbedingungen beziehen sowie den Ausschluss von Teilnehmern, die Angebotswertung oder auch die Zulässigkeit von Umweltmanagementssystemen betreffen, sind viele bis dahin strittig diskutierte Fragen abschließend rechtlich geklärt worden.

Quelle: Rechtsgutachten umweltfreundliche öffentliche Beschaffung des Umweltbundesamtes

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