Wipperfürth/LindlarImmer mehr Kinder werden in Kitas und Grundschulen geschickt

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Eine Mutter und die Kinder stehen vor der Kita und klingeln.

Eine Mutter und die Kinder stehen vor der Kita und klingeln.

Wipperfürth/Lindlar – Immer mehr Familien gehen in Sachen Kinderbetreuung auf dem Zahnfleisch – und schicken ihre Kinder in die Notbetreuung in Kita oder Grundschule. Mehrere bundesweit tätige Kindergarten-Träger hatten das für ihre Einrichtungen kritisiert. Auch in Oberberg schicken seit dem Ende der Weihnachtsferien am 11. Januar stetig mehr Eltern ihren Nachwuchs in die Kita.

Gespräche, die unsere Zeitung mit Lehrerinnen und Lehrern und Erzieherinnen und Erziehern geführt hat, bestätigen das. Nicht alle wollten ihre Namen in der Zeitung lesen, denn inzwischen seien die Nerven bei Eltern sehr angespannt. Und Eltern entscheiden in NRW, ob ihr Kind in die Notbetreuung geht oder nicht (siehe Hintergrund).

Erzieherinnen sehen Arbeitgeber in der Pflicht

Erzieher seien häufiger als jede andere Berufsgruppe von Krankschreibung im Zusammenhang mit Corona betroffen, berichtet etwa die Fröbel-Gruppe, nach eigenen Angaben Deutschlands größter Träger von Krippen, Kindergärten und Horten. Zum Beispiel, weil Abstand halten bei der Arbeit schlicht unmöglich sei. „Kita-Fachkräfte zahlen einen hohen Preis dafür, dass Kinder auch in der Pandemie betreut werden“, so die Fröbel-Gruppe in einer Mitteilung.

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) ist einer der großen Kita-Träger in Oberberg. 270 Kinder kommen derzeit morgens in die kreisweit 15 DRK-Einrichtungen, darunter auch Kitas in Wipperfürth und Lindlar. „Die Zahlen steigen kontinuierlich. Wir hätten uns gewünscht, dass der Appell der Politik, die Kleinen wirklich nur im Notfall abzugeben, besser gefruchtet hätte“, fasst Eckhard Kreimendahl die Situation zusammen. Er ist bei Oberbergs DRK für die Kindergärten zuständig. „Bei uns bewegt sich die Auslastung damit zwischen 25 und 30 Prozent – in den Großstädten ist sie allerdings oft wesentlich höher“, so Kreimendahl. Trotzdem: Das DRK habe mit deutlich weniger Kindern gerechnet.

Hintergrund

Die Eltern entscheiden selbst, ob sie ihr Kind in die Notbetreuung in die Kita oder die Grundschule schicken. Die Regelung in NRW besagt, dass „kein Kind durch diesen Lockdown Schaden nehmen“ solle, so das Land NRW in einer Handreichung für Eltern. Die ursprüngliche Regelung, dass nur Eltern in den systemrelevanten Berufen ihre Kinder in Kitas und Grundschulen geben können, wurde ausgeweitet. Grundsätzlich soll es immer dann eine Betreuung geben, wenn sie unabdingbar notwendig ist.

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Prozent aller rund 2,5 Millionen Schüler der Klassen 1 bis 6 in NRW hatten Mitte Januar das Angebot der Notbetreuung angenommen, sagte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) der Deutschen Presse Agentur.

Vor allem in den Grundschulen mit ihren Klassen eins bis vier wird das Angebot angenommen. Gut zehn Prozent der Schüler an Rhein und Ruhr werden dort betreut, in den Förderschulen rund sieben Prozent der Schüler. In allen anderen Schulen, in denen die Kinder dann die Klassen fünf und sechs besuchen, liege der Anteil unter einem Prozent. (lb)

Sogar von der Hälfte der regulären Gruppengrößen spricht Inge Lütkehaus, Geschäftsführerin der Pari-Sozial Bergisches Land, dem Träger der Kindergärten in Hartegasse und am Lindlarer Paffenberg. Den Vorwurf, manche Eltern machten es sich zu einfach und benötigten die Kita-Betreuung tatsächlich gar nicht, will sie nicht gelten lassen. „Wer zu uns kommt, hat Not. Unsere Eltern gehen sehr verantwortungsvoll mit der Situation um.“ Bei allem Verständnis für Sorgen der Erzieher vor einer Ansteckung sei die Entscheidung zur Öffnung der Kitas richtig, so Lütkehaus. „Im Interesse der Kinder macht das Sinn, auch wenn die Nerven inzwischen auf allen Seiten blank liegen.“ Das sieht auch eine Erzieherin so, die in einer Einrichtung in der Region arbeitet . Den pauschalen Vorwurf, Kinder aus Bequemlichkeit abzuschieben, könne man niemandem machen. Tatsächlich stelle sich bei manchen auf den ersten Blick die Frage, warum der Nachwuchs nicht zu Hause bleiben könne. „Aber jede Familie hat ihr eigenes Schicksal. Dann ist da vielleicht noch eine schwerkranke Oma oder eine andere Situation, die viel Energie fordert“, so die Erzieherin.

Quoten bei Grundschülern geringer

„Die Lunte der Eltern ist inzwischen extrem kurz, wir brauchen viel Fingerspitzengefühl“, berichtet die Frau. Nicht zuletzt von den Arbeitgebern würden die Familien allein gelassen. „Wenn Papa und Mama im Homeoffice sind, muss das so organisiert werden können, dass auch Zeit für die Kinder ist. Es kann sich nicht immer alles den gewohnten Abläufen der Wirtschaft unterordnen müssen.“

An Grundschulen findet derzeit ebenfalls kein Unterricht statt, auch hier besteht aber die Möglichkeit, Kinder betreuen zu lassen. Verglichen mit den Kitas sind die Quoten aber geringer. „Bei uns ist nur etwa jeder sechste Schüler für die Betreuung angemeldet“, berichtet eine Lehrerin. Unverständliche Konstellationen gebe es trotzdem. „In einigen Fällen ist es sicher so, dass die Zahl der Kinder gesenkt werden könnte, wenn sich die Eltern anders organisieren würden.

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Die Pädagogin hat die Erfahrung gemacht, dass Kinder aus zwei Gruppen selten bis gar nicht in die Betreuung geschickt werden. Einmal aus sogenannten sozial benachteiligten Familien und aus Familien mit Migrationshintergrund. Sie warnt eindringlich vor Folgen: „Wer soll den Schülern zu Hause beim Deutschunterricht helfen, wenn niemand Deutsch spricht?“, fragt sie. Im Kollegium habe man beschlossen, diese Kinder unbedingt in die Schulbetreuung zu holen, um zu verhindern, dass sie zu Verlierern der Pandemie werden. Auch um den Preis, dass die Betreuungszahlen in den Schulen weiter steigen.

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