WiderstandFilm über Predigt von Heinrich Roling gegen Nazis in Wipperfürth aufgetaucht

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Anja Kausemann, Sarah Zeppenfeld und Klaus Fink (v.l.) sehen sich den Film an.

Gemeinsam schauen (v.l.) Iris Kausemann, Sarah Zeppenfeld und Klaus Fink den Film.

Pfarrer Heinrich Roling predigte 1936 gegen den NS-Unrechtsstaat. Dafür kam er ins Gefängnis. 2006 hielt er diese Predigt noch einmal.

Nur wenige Menschen waren so mutig, dem NS-Unrechtsstaat offen entgegenzutreten. Einen von ihnen war der katholische Priester Heinrich Roling (1907 bis 2012). Nun ist ein Dokumentarfilm aufgetaucht, in dem Roling die zentrale Rolle spielt. Der Film schlummerte, fast vergessen, im Archiv des Wipperfürther Filmclubs 86.

Klaus Fink, der Vorsitzende des Clubs, übergab nun eine Kopie des 57-minütigen Films als DVD an das Wipperfürther Stadtarchiv. „Das ist ein zeithistorisches Dokument“, freuen sich Sarah Zeppenfeld, Archivarin der Hansestadt Wipperfürth, und Iris Kausemann, ihre Kollegin aus Radevormwald.

Nazis steckten den Priester aus Wipperfürth ins Gefängnis

Zuvor aber schauen sich beide, gemeinsam mit Fink, den Film aus dem Jahr 2006 an. Pfarrer Heinrich Roling, damals 99 Jahre alt und bei bester Gesundheit, war am 1. April auf Einladung des Kirchenchors nach Hämmern gekommen, in seine alte Gemeinde. Der Film zeigt die Predigt, die Roling schon einmal, 70 Jahre zuvor, 1936 in Hämmern gehalten hatte.

Der damals 29-jährige Kaplan hatte die Missstände im spanischen Bürgerkrieg kritisiert, hatte aber mit dem Bibel-Zitat „Weinet über Euch selbst und Eure Kinder“ (Matthäus 22, 1–14) auch die Situation im eigenen Land hingewiesen. „Es wird auch in Deutschland zu Ausschreitungen gegen die Verkünder des heiligen Evangeliums kommen, wenn der Kampf gegen das Gottesreich weiterhin betrieben wird“, prophezeite Roling weiter.

Monsignore Heinrich Roling im Porträt.

Monsignore Heinrich Roling, der gegen das NS-Regime predigte, wurde 105 Jahre alt.

Drei Kirchenbesucher meldeten dies dem NSDAP-Ortsgruppenleiter, weil sie sich „in ihrem nationalen Gefühl verletzt fühlten“. Die Folge: Der Wipperfürther Kaplan wurde wegen „Kanzelmissbrauchs“ und einem Verstoß gegen das sogenannte „Heimtückegesetz“ von einem Sondergericht zu vier Monaten Haft verurteilt, die er von September 1937 bis Anfang 1938 im Kölner Klingelpütz verbüßte.

Roling dokumentierte die Erlebnisse in einem Tagebuch

Der junge Geistliche führt im Gefängnis ein Tagebuch, hielt dort seine Erfahrungen und seine Angst fest. So notiert er am 27. Dezember 1937: „Die Wanzen sind meine treusten Begleiter. Zwar wurde das Bett wie üblich mit der Lötlampe abgebrannt ... aber diese Blutsauger sind offenbar unvertilgbar. Hätte ich eine helle Zelle, wäre ich längst wieder auf die Suche gegangen, als geistlicher Kammerjäger.“

Am 20. Januar 1938 wurde Roling aus dem Gefängnis entlassen, nach einem Erholungsaufenthalt trat er am 1. April eine Stelle in Efferen im heutigen Rhein-Erft-Kreis an. Auch dort eckte der Kaplan bei den Nazis an.

2006 wurde Roling mit dem Titel Monsignore gewürdigt

1956 wurde Roling von Kardinal Frings zum Pfarrer in Odenthal berufen, ab 1976 war er Seelsorger der Refrather Gemeinde St. Johann Baptist. 1977 ging er in den Ruhestand, setzte als Subsidiar aber den priesterlichen Dienst fort. Im Juni 2006 erhielt er den päpstlichen Titel „Monsignore“. Roling starb Ende 2012 im „biblischen Alter“ von 105 Jahren. „Eine Zigarre oder einen Schnaps habe ich mir hin und wieder gegönnt“, verriet er anlässlich der Feier zu seinem 105. Geburtstag.

Iris Kausemann war 2006 Stadtarchivarin in Hückeswagen und außerdem Sängerin und Schriftführerin des Kirchenchors Hämmern. Sie erinnert sich: „Beim Aufbau des Hückeswagener Stadtarchivs stieß ich auf einen Aufsatz, der 1995 im Rheinisch-Bergischen Kalender erschienen war.“ Der beschäftigte sich mit Roling und dem Kirchenkampf in Wipperfürth von 1933 bis 1945. Kurzentschlossen schrieb Kausemann den Pfarrer in Odenthal an, um zu erfahren, was aus Roling geworden war. „Das fragen sie ihn am besten selbst“, so die Antwort. Heinrich Roling war damals 99 Jahre alt und erfreute sich bester Gesundheit.

70 Jahre später in Hämmern die gleiche Predigt noch einmal gehalten

Nach Rücksprache mit dem Kirchenchor wurde der frühere Kaplan nach Hämmern eingeladen und hielt dort eine Messe, die vom Filmclub festgehalten wurde. „Für mich war es ein unheimlich bewegendes Erlebnis“ schildert Iris Kausemann. Sie wusste, dass es den Film gab, hatte ihn aber nie sehen können.

Kausemann wandte sich an unsere Zeitungsredaktion in Wipperfürth, die fragte daraufhin beim Filmclub 86 an. Klaus Fink wusste nichts von diesem Film, machte sich aber sogleich auf die Suche. Bei rund 1000 Filmen, die der Club in jahrzehntelanger Arbeit gedreht hat, keine Kleinigkeit.

Kurz darauf kam die gute Nachricht: „Nachdem ich mich durch unser Archiv gekämpft habe, kann ich Ihnen mitteilen, dass der Film gefunden ist“, meldete Klaus Fink an unsere Zeitung. Wenig später trafen sich alle Beteiligten, um gemeinsam den Film anzusehen. Die Kopie hat nun im Wipperfürther Stadtarchiv eine neue Heimat gefunden.

Iris Kausemann, die sich seit Jahrzehnten mit großen persönlichen Einsatz für die Aufarbeitung der NS-Geschichte engagiert, will dem Archiv noch weiteres Material zu Roling übergeben. Zur großen Freude von Stadtarchivarin Sarah Zappenfeld. Gerade angesichts der heutigen politischen Situation, mit dem Erstarken der AfD, sei es ganz wichtig, an mutige Menschen wie Heinrich Roling zu erinnern und denen entgegenzutreten, die die Demokratie zerstören wollen, da sind sich Zeppenfeld und Kausemann einig.

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