Zwei Megathemen kommen zu kurzStellvertretender FDP-Bundesvorsitzender in Gummersbach

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Johannes Vogel (MdB, 39), stellvertretender Bundesvorsitzender und Generalsekretär der FDP NRW

Johannes Vogel (MdB, 39), stellvertretender Bundesvorsitzender und Generalsekretär der FDP NRW

Niederseßmar – Anfang des Jahres, sagt Johannes Vogel, hatte er sich auf den Bundestagswahlkampf 2021 und die Gelegenheit zu großen Debatten gefreut. Jetzt fällt sein Urteil nüchtern aus. Neben der Klimapolitik kämen die beiden anderen „Megathemen“ viel zu kurz: die Digitalisierung und vor allem die dramatischen Finanzierungsprobleme des deutschen Rentensystems, die der demografische Wandel mit sich bringen werde.

Vogel, Generalsekretär der FDP NRW und seit Mai auch stellvertretender Bundesvorsitzender, war am Freitagabend in der Theodor-Heuss-Akademie in Niederseßmar zu Gast. Vor gut 50 Zuhörerinnen und Zuhörern stellte der 39-Jährige das maßgeblich von ihm entwickelte Rentenkonzept der FDP in den Mittelpunkt seiner Rede. Die nächste Legislaturperiode, warnte er, sei die letzte vor dem Renteneintritt der Babyboomer.

Vogel kommt aus Wermelskirchen

Der gebürtige Wermelskirchener erinnerte, dass die FDP vor der Corona-Krise für das Wahlkampfthema Digitalisierung – etwa mit dem Slogan „Digital first, Bedenken second“ – 2017 belächelt worden sei. Er ersparte auch dem WDR nicht den Seitenhieb, dass die „Quarks“-Redaktion auf der Suche nach der besten Klimapolitik die FDP mit ihrer Idee vom Klimaschutz durch Emissionshandel auf Platz eins der Parteien setzte, dann aber noch während der Sendung auf den vorletzten Platz drückte – weil die Redaktion bezweifelte, dass die FDP ihr Programm auch wirklich umsetzen würde.

Alles zum Thema Klimawandel

Vogel äußerte sein Unverständnis dafür, dass die tickende Zeitbombe Rentensystem in diesem Wahlkampf keinerlei Rolle spiele, von den anderen Parteien offenbar nicht einmal erkannt werde. Der Rentenexperte der FDP rechnete vor, dass das System absehbar kippt, wenn nicht gegengesteuert wird. Würde die Rentenpolitik der Großen Koalition fortgesetzt, wenn die Babyboomer in Rente gehen, sagte Vogel, dann müsste die Rentenkasse im Jahr 2030 mit 69 Milliarden Euro aufgefüllt werden, 2035 schon mit 80 Milliarden – und zwar pro Jahr.

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Bei der CDU könne er in dieser Frage keinen Gestaltungswillen erkennen, was immer noch besser sei als das Konzept von SPD und Grünen, die stoisch ein „Weiter so“ propagierten. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zweifle die drohenden, aber wissenschaftlich belegten Finanzierungsdefizite sogar an.

Was also tun? Weder explodierende Rentenbeitragssätze noch ein generelles Renteneintrittsalter von 70 Jahren seien die Lösung. Vogel warb stattdessen für die Einführung einer gesetzlichen Aktienrente nach schwedischem Vorbild. Zwei Prozent des Bruttoeinkommens wandern dabei in einen globalen Aktienfond – Verlustrisiko in jedem 15-jährigen Betrachtungszeitraum der Vergangenheit gleich null, so Johannes Vogel.

Vor dem Gast hatte Oberbergs FDP-Direktkandidat Jörg von Polheim kurz gesprochen und dafür geworben, mehr Vertrauen in die Menschen und die Freiheit zu setzen. Er bekannte sich zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens, stellte aber die These von Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock in Frage, gemäß der Verbote Innovationstreiber seien. „Dann müsste Nordkorea an der Spitze der Technologie stehen.“

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