PolizeipferdeBeim Training wird auch schon mal geschossen

Mit einem Regenschirm trainiert die Polizei-Reiterstaffel in Dortmund die Pferde darin, auch in gefährlichen Situationen ruhig zu bleiben .
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Dortmund – „Schieß zwei mal“, ruft Tanja Meinelt. In einer großen Reithalle gibt sie Anweisungen beim Training der Polizeipferde - und ihrer Reiter. Eine Kollegin schert samt Pferd aus der Formation aus, hält die Pistole in die Luft feuert zwei Schreckschusspatronen ab. Die sechs Pferde bleiben fast unbeeindruckt stehen - nur „Easy Rider“ macht einen kleinen Sprung zur Seite, aber dafür ist sein Reiter völlig entspannt und beruhigt damit auch sein Pferd.
Meinelt (43), stellvertretende Leiterin der Polizeireiterstaffel Dortmund, ist und auch selbst ständig im Einsatz - vor Fußballstadien, um verfeindete Fans auseinanderzuhalten, oder auch in Fußgängerzonen, um mit Hilfe ihres Pferdes leichter mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Denn die großen Reittiere sind beides - Sympathieträger und kraftstrotzendes „Einsatzmittel“.
Beim Training werden die Pferde mit einem großen Ball beworfen und müssen auf einen funkensprühenden Feuerwerkskörper zugehen. Vor ihren Köpfen flattern Fahnen, und die Staffel übt, auf eine Menschengruppe zuzureiten und sie zurückzudrängen. Zum Beispiel bei Schlägereien: „Um die einmal auseinanderzutreiben, würden wir dann im Keil hindurch reiten“, sagt Meinelt, „dann gehen die schon weg.“ Die Störenfriede wüssten mit einem so großen Tier nicht umzugehen. „Viele Menschen haben Angst vor den Pferden“, sagt Meinelt, „das ist gut für uns.“
In Nordrhein-Westfalen gibt es zwei Reiterstaffeln, in Dortmund und in Düsseldorf. Die Dortmunder Staffel hat derzeit 17 Pferde und steht nicht nur regelmäßig vor Fußballstadien, sondern rückt auch zu „Projekteinsätzen“ aus, bei denen die Reiter wie ihre normalen Kollegen auf Streife gehen. Sie verteilen dann Knöllchen, beraten, wie man Einbrüchen vorbeugt, oder machen Verkehrskontrollen.
Hier nutzen die Polizisten dann nicht die beeindruckende Körperkraft der Tiere: „Die Pferde sind Sympathieträger“, sagt Meinelt. Das schaffe Bürgernähe und Vertrauen. Manche hätten sogar mal eine Möhre dabei, um die Pferde zu füttern. Hin und wieder komme man durch die Pferde mit Bürgern ins Gespräch und erhalte wichtige Hinweise.
Der Grund für die ambivalente Wirkung der Pferde auf den Menschen ist nach Meinung der Psychotherapeutin Dagmar Nuding, dass die Tiere ihr Gegenüber „spiegeln“. Nuding weiß aus ihrer Arbeit mit Pferden, dass sie sehr sensibel auf die Stimmung der Menschen reagieren.
Wenn also bei einem Großeinsatz die Menschen aggressiv auf die Pferde zugingen, antworteten die mit einer entsprechenden Körpersprache wie aufgeblähten Nüstern. Dadurch und vor allem durch ihre Größe könnten sie die Leute dazu bringen, vor ihnen zurückzuweichen. „Der Mensch hat Ehrfurcht vor den Tieren“, sagt Nuding.
Ebenso könnten sie aber eine beruhigende Wirkung entfalten. „Wenn jemand Angst hat, halten sie sich zurück“, sagt die Therapeutin. Dass die Polizeipferde bei Projekteinsätzen Passanten mit den Reitern ins Gespräch bringen, überrascht Nuding nicht. „Pferde haben einen hohen Aufforderungscharakter, dass Menschen auf sie zugehen.“
Bei den meisten Einsätzen geht es aber darum, Gewalt zu verhindern. Die Polizisten müssen sich dabei auf ihre Pferde verlassen können. Die Tiere dürfen vor nichts zurückscheuen, aber auch nie außer Kontrolle geraten. Genau dazu dient das ständige Training. Denn Pferde sind Fluchttiere - und Böllern, knatternden Fahnen oder Trommeln würden sie natürlicherweise sofort den Rücken kehren. Sind Training und Einsätze also überhaupt mit dem Tierschutz vereinbar? „Jedes Pferd, das genutzt wird, muss darauf vorbereitet und trainiert werden“, sagt die Fachreferentin für Pferde bei der Akademie für Tierschutz des deutschen Tierschutzbundes, Esther Müller. Das gelte eben auch bei der Reiterstaffel der Polizei.
Doch hier sei der Anspruch an die Tiere um einiges höher als bei einem Freizeitpferd. „Nach unserer Erfahrung sind es sehr erfahrene Trainer, die mit den Pferden arbeiten“, sagt Müller. Das Training, das auf positiver Konditionierung beruhe, also auf Belohnung für das erwünschte Verhalten, sei geeignet, die Pferde auf die Extremsituationen im Einsatz vorzubereiten. Auch die Haltung der Polizeipferde in Paddocks mit Weidenauslauf sei tiergerecht.
Das Training in der Reithalle, direkt neben dem Dortmunder Fußballstadion, ist mittlerweile beim „Klappersack“ angekommen. Die Blechdosen darin machen einen Riesenlärm, aber Floriano geht sogar darauf zu und stupst ihn mit der Nase an. „Man sieht jetzt auch, wie neugierig die Pferde sind. Das ist wirklich der Charakterzug, den wir ausnutzen“, sagt Meinelt. Floriano sei ein Spielkind, meint sie. Aber am Wochenende wird er wieder Fußballfans beeindrucken. (dpa)