Problem RandzeitenEltern in NRW wünschen sich andere Kita-Öffnungszeiten

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Symbolbild 

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Aachen/Köln – Der blanke Stress: „Manchmal stehe ich auf der A 3 zwischen Düsseldorf und Köln, und man kommt einfach nicht weiter“, sagt Attila Gümüs. Die Uhr tickt. Die Kita seiner Töchter schließt um 16.30 Uhr. Als Mitglied des Landeselternbeirates NRW weiß er, dass es vielen Eltern so geht, vor allem in den großen Städten mit dem Stressfaktor Verkehr. Die Eltern stecken aus seiner Sicht in einem viel zu starren Korsett der Kita-Öffnungszeiten. „Es muss etwas an den Randzeiten gemacht werden“, sagt Gümüs. Eltern bräuchten viel mehr Flexibilität. Eine halbe Stunde mehr am Morgen und am Nachmittag würde oft schon helfen.

Am Bedarf der Eltern vorbei

Die Realität sieht anders aus: Keine zwei Prozent der Kitas in NRW hatte nach Angaben der rot-grünen Landesregierung in den Jahren 2015 und 2016 nach 17 Uhr geöffnet, noch weniger als im Jahr davor. Knapp ein Viertel der Kitas schloss sogar schon um 16 Uhr. Nach einer repräsentativen Umfrage der Bertelsmann-Stiftung vom Dezember 2016 meinten mehr als 60 Prozent der Eltern in Deutschland, dass die Öffnungszeiten der Kitas an ihrem Bedarf vorbeigeht. In Düsseldorf zeigt sich Stadtsprecher Michael Bergmann jedoch zufrieden: Von 347 öffentlich geförderten Einrichtungen würden 56 vor der normalen Öffnungszeit von 7.30 Uhr Kinder aufnehmen, sechs um 6.30 Uhr, 50 um 7 Uhr. 36 hätten zudem länger als 17 Uhr geöffnet, in einer Kita können Eltern ihre Kinder bis 19.30 Uhr belassen. „Es gibt für die längeren Öffnungszeiten Bedarf“, bestätigt Bergmann, „und wir versuchen dem entgegenzukommen.“ Sollte eine Gruppe, die länger betreut werden soll, voll werden, werde versucht, das zu ermöglichen. „Aber man kann nicht für ein Kind eine gesamte Gruppe aufhalten“, sagt Bergmann.

In Köln öffnen hingegen fünf von insgesamt 653 Kitas vor 7 Uhr – zwei davon um 6 Uhr. Die meisten (457) nehmen Kinder ab 7.30 Uhr auf. Die Mehrheit (407) schließt jedoch um 16.30 Uhr. In 108 Einrichtungen können Eltern ihre Kinder auch noch um 17 Uhr abholen. Drei Kitas bieten Zeiten bis 20 Uhr an. „In einzelnen Einrichtungen wird eine zusätzliche Randzeitenbetreuung, in der Regel durch Tagespflegepersonen, angeboten“, ergänzt Karsten Betz vom Jugendamt. Erweiterungen seien derzeit nicht geplant: „Entsprechende Bedarfe wurden von Eltern bisher nicht angezeigt“, so Betz.

Eine Frage des Geldes

Am Ende sei immer alles eine Frage des Geldes, sagt der Vater Attila Gümüs in Köln. „Man muss sich als Gesellschaft fragen, ist es uns das wert, in die Bildung von Kindern zu investieren.“ Es gebe ja Beispiele, wo es funktioniere.

Zu wenig Geld

Das Kinderbildungsgesetz Kibiz bildet die Grundlagen der rechtlichen und finanziellen Bedingungen für die frühkindliche Bildung in NRW.

Längere Öffnungszeiten sind aus Sicht des Städte- und Gemeindebunds jedoch eine Frage der Finanzen. Die mit dem Kinderbildungsgesetz veranschlagte Pauschalen pro Kita-Kind deckten die Kosten nicht, sagt Referent Matthias Menzel: „Die Kindpauschalen sind höchst defizitär.“ Wenn man die Randzeiten ein bisschen verkürze, „so dass man auch ein bisschen Personal einsparen kann, ist das eine Stellschraube“, sagte Menzel. (dpa/jwa)

Die Kita Immenhof einer Elterninitiative in Eschweiler bei Aachen ist so ein Beispiel: Zwei Gruppen, 44 Kinder, Öffnungszeit von 5.30 Uhr bis 20.45 Uhr – die längste in NRW. Es ist ein Angebot speziell für Schichtarbeiter oder Menschen, die erst später zur Arbeit gehen – wie Imane Lazrak-Dizdarevic, die am späten Vormittag ihre kleine Naila bringt. Naila soll nicht den ganzen Abend in der Kita bleiben. Der Vater wird sie abholen, wenn er gegen 19 Uhr zu Hause ist. Die Mutter arbeitet bis 20 Uhr. Das Gros der Eltern, das von der längeren Öffnungszeit profitiert, nutzt aber die Zeit zwischen 7 und 17.30 Uhr, stellt Kita-Leiterin Sabrina Schumacher fest. Statt der bei zwei Gruppen üblichen fünf Erzieherinnen arbeiten wegen der längeren Öffnungszeit sechs im Immenhof.

„In den familiären Lebenswelten stoßen wir immer stärker darauf, dass eine doppelte Erwerbstätigkeit erforderlich ist, um überhaupt den Familienunterhalt zu sichern“, sagt der Eschweiler Jugendamtsleiter Jürgen Termath. Die Stadt denkt über den Ausbau der Randzeiten in den jetzt neu geplanten Kitas nach und fragt die Eltern bei der Anmeldung fürs neue Kindergartenjahr: An welchen Tagen brauchen sie eine Betreuung außerhalb der Kernzeit, und zu welchen Zeiten? „Auf die Stadt würden auch höhere Betriebskosten zukommen, die durch die Kindpauschale nicht abgedeckt ist“, ist sich Stadtkämmerer Stefan Käfer der damit verbundenen Mehrkosten bewusst (siehe Infokasten). (mit dpa)

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