Mehr Tierwohl, weniger EmissionenIn NRW entsteht der Schweinestall der Zukunft

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Wie sich Haus Düsse den Schweinestall der Zukunft vorstellt, zeigt diese Animation. Der Stall soll sich deutlich von den gesetzlichen Tierwohl-Mindeststandards abheben.

Soest – Mit einem fünfstufigen Label will Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir für mehr Tierwohl in der Schweinezucht sorgen. Auf Haus Düsse, dem Versuchs- und Bildungszentrum der Landwirtschaftskammer NRW in Bad Sassendorf, finden schon jetzt Versuche statt, wie das Leben der Tiere und ihre Haltungsbedingungen verbessert werden können. Dort entsteht zurzeit der Schweinestall der Zukunft.

Eigentlich sei es falsch, vom Stall der Zukunft zu sprechen, sagt Tobias Scholz, Leiter des Bereichs Schweinehaltung auf Haus Düsse. „Tatsächlich sind es zwei Ställe, deren Konzepte sich deutlich voneinander unterscheiden.“ Stall 1 sei im Grunde wie bisherige Schweineställe aufgebaut. „Seine Elemente haben wir aber anders kombiniert“, erläutert Scholz. Der Stall entspricht der zweiten Stufe des Tierwohl-Labels. Er bietet 400 Schweinen Platz – jeweils 0,6 Quadratmeter zum Liegen und weitere 0,76 Quadratmeter für den Auslauf. Das klingt nicht nach viel, liegt aber bereits deutlich über den gesetzlichen Mindestanforderungen. Laut Gesetz stehen den Tieren 0,75 Quadratmeter zu. Selbst um Bio-Ansprüchen zu genügen, müssen Landwirte die Tiere lediglich 2,3 Quadratmetern Platz vorhalten.

Tierwohl lässt sich schwer messen

Stall 2 entspricht der dritten Stufe des Tierwohl-Labels. Den 290 Schweinen im Stall stehen 0,9 Quadratmeter zum Liegen und 0,77 für den Auslauf zur Verfügung. Zusätzlich gibt es einen Garten mit Hackschnitzeln, in dem die Schweine ihren Wühltrieb ausleben können. Bei gutem Wetter können die Schweine sogar in den Himmel blicken. Ein einfahrbares Stalldach soll das ermöglichen. Dass das Konzept schnell von Landwirten umgesetzt wird – das hält Scholz für unwahrscheinlich. „Es gibt zwar jetzt schon großes Interesse. Aber finanziell und genehmigungsrechtlich gibt es viel zu klären.“ Ziel sei zunächst, Erfahrungen zu sammeln.

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Ein ausfahrbares Dach ermöglicht den Schweinen in Stall 2 (links auf der Grafik) einen Blick auf den Himmel.

Scholz sagt aber auch: „Der Platz ist ein schlechtes Kriterium, um Tierwohl zu messen.“ Physikalische Kriterien seien generell schlechter als tierbezogene. Wirklich messbar sei Tierwohl ohnehin nicht, erläutert der Experte für Schweinehaltung. „Höchstens das Verhalten der Tiere untereinander lässt begrenzte Aussagen zu. Wir zeichnen zum Beispiel das Verhalten der Schweine auf und überprüfen, ob es zu Aggressivität untereinander kommt.“ Schweine gelten als stressanfällige Tiere. Moderne Hybridschweine haben laut Scholz mit Stress aber weniger Probleme.

Ställe sparen Energie

Nicht nur für mehr Tierwohl sollen die Ställe der Zukunft sorgen. Auch verschiedene Emissionen sollen sie einsparen. Das fängt damit an, dass die Ställe weniger Energie verbrauchen. Statt des gesamten Gebäudes werden nur Teile beheizt, etwa die Liegeplätze. Bessere Haltebedingungen führen aber nicht gleichzeitig zu weniger Emissionen – im Gegenteil. Weil die Ställe teilweise offen sind, entweichen Staub, Geruch und Ammoniak in die Umgebung.

Schweinemastbetriebe in Deutschland

Im Jahr 2021 lebten in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 23,8 Millionen Schweine verteilt auf 18 800 Betriebe. Seit Jahren sinken beide Zahlen – und das teils deutlich. Allein von 2020 bis 2021 verringerte sich die Zahl der Schweine um mehr als zwei Millionen, die der Betriebe um 1600.

Die ökonomischen Bedingungen sind aus Sicht von Tobias Scholz für das Sterben der Betriebe verantwortlich. „Junge Schweine und Ferkel können nur mit Verlust verkauft werden“, erläutert Scholz. Für ihn ist das größte Problem im Hinblick auf mehr Tierwohl daher, die Produktionskosten der Mastbetriebe zu senken.

Der Großteil der Schweinemastbetriebe ist auf die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen verteilt. Innerhalb Europas ist Deutschland die Nummer zwei der Länder mit den meisten Mastschweinen. Nur in Spanien leben mehr Tiere. Während die Zahl der Mastschweine in Deutschland in den vergangenen Jahren sank, wächst sie in Spanien. (maf)

Ammoniak entsteht unter anderem, wenn Kot und Harn der Tiere miteinander in Kontakt kommen. Der Luftschadstoff stammt zu 95 Prozent aus der Landwirtschaft, zu 19 Prozent aus der Schweinehaltung. Ammoniak belastet Ökosysteme, etwa indem es Böden versauern lässt. In geschlossenen Ställen filtern zentrale Abluftsysteme die Schadstoffe aus der Luft.

Die Stallluft wird vorgereinigt

Auf Haus Düsse arbeiten die Landwirte an Lösungen, um die Schadstoffemissionen zu verringern. „Wir versuchen schon an der Quelle, die Entstehung von Ammoniak zu verhindern. Zum Beispiel mit technischer Kot-Harn-Trennung“, erläutert Scholz. Mit den Hackschnitzeln im Wühlgarten werde die Luft vorgereinigt.

Das Projekt Stall der Zukunft gehört zur Strategie für nachhaltige Nutztierhaltung des Landes NRW. Fast drei Millionen Euro fließen während der Haushaltsjahre 2021 bis 2023 in das Projekt. Fertiggestellt werden sollen die zwei Ställe im August 2023.

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