„Nur noch die Hälfte gesehen“Gladbacher lässt sich trotz Nebenwirkung weiter impfen

Die erheblichen Sehbeeinträchtigungen bei einem 20-jährigen Gladbacher sahen Mediziner als eine mögliche Folge seiner ersten Corona-Schutzimpfung.
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Rhein-Berg – Es war drei Tage nach seiner ersten Corona-Schutzimpfung: „Auf meinem rechten Auge konnte ich plötzlich nur noch die Hälfte sehen“, erinnert sich Tim (Name geändert). „Wie ich nachher erfahren habe, war das Blut, was ich da gesehen habe.“ Einen Zusammenhang mit der Impfung können die Mediziner, in deren Behandlung sich der 20-Jährige damals unmittelbar begibt, nicht ausschließen. Am Ende gilt er als nicht unwahrscheinlich.
Eine Woche lang liegt Tim im Krankenhaus, grübelt auch über seine Entscheidung für die Impfung nach. Und entscheidet sich doch wieder dafür. Gerade hat er seine Booster-Impfung erhalten, mit ärztlicher Begleitung, anschließender Einnahme blutverdünnender Mittel. Warum hat er sich so entschieden? Das erzählt der Student im Gespräch mit dieser Zeitung.
Was ging Ihnen als erstes durch den Kopf, als Sie plötzlich auf einem Auge nur noch die Hälfte gesehen haben?
Es war bestes Wetter, strahlend blauer Himmel. Ich bin von draußen in ein Einkaufszentrum gegangen und auf einmal: Zack, habe ich nur noch die Hälfte gesehen. Zuerst dachte ich, das wäre, weil ich gerade vom Hellen ins Dunkle reingegangen war, habe ein paar Mal geblinzelt, aber es ging nicht weg. Mein rechtes Auge war plötzlich wie in der Mitte geteilt: Oben sah ich nur noch Dunkelgrau bis Schwarz, unten war es noch normal. Ich dachte: Das kann doch nicht wahr sein. Ich bin dann von meiner Arbeit in einem Testzentrum direkt nach Hause gefahren, habe das Mama und Papa erzählt, und die haben gesagt: Lieber mal gleich zum Arzt.
Haben Sie da gleich an eine Folge der Impfung gedacht?
Nein überhaupt nicht. Daran habe ich zuerst im Traum nicht gedacht. Der Arzt hat mich dann ins Krankenhaus geschickt. Ich habe sofort blutverdünnende Medikamente bekommen. Erst im Krankenhaus ist dann auf der Suche nach möglichen Ursachen die Rede auf die Impfung gekommen. Normalerweise bekommen so eine Blutgerinnungsstörung, was es im Endeffekt war, auch eigentlich nur Leute mit 70 oder 80 Jahren. Aber niemand mit 20. Und dann auch noch mit Biontech-Impfstoff. Mein Arzt hat nachher gesagt: Das war so wahrscheinlich wie ein Lottogewinn – nur nicht so schön.
Was ist da genau passiert?
Ein Äderchen im Auge hat sich verstopft und ist dann aufgeplatzt.
War die Nachricht, dass das mit der Impfung zusammenhängen könnte, dann ein Schock?
Ja, ich hatte natürlich von Astra Zeneca gehört, dass es da solche, ganz seltenen Fälle gegeben hatte. Aber bei Biontech... Auch hatte ich vorher noch nie große Nebenwirkungen bei anderen Impfungen gehabt. Das lässt einen natürlich dann schon nachdenken.
Die Sehstörung ist dann aber wieder verschwunden?
Ja, dadurch dass ich dann die Blutverdünner genommen habe, hat sich dieser Arterienverschluss dann wieder sozusagen „freigeblasen“, und ich konnte schnell wieder besser sehen. So ganz weg ist es allerdings immer noch nicht, auch wenn das jetzt nicht mehr im direkten Sichtfeld ist. Nur wenn ich so zur Seite sehe...
Und trotzdem haben Sie sich dann für eine zweite und jetzt für die Booster-Impfung entschieden?
Ja, ich habe mich mit mehreren Spezialisten unterhalten: Hausarzt, Augenarzt, Blutgerinnungsarzt und befreundeten Ärzten von meinen Eltern.
Und welche Erkenntnis hat das gebracht?
Dass das – medizinisch gesehen – ein Lottogewinn war, und es praktisch vollkommen unwahrscheinlich ist, dass so etwas ein zweites Mal passiert. Und für mich stand fest: Ich wollte den vollen Impfschutz haben.
Warum war Ihnen das so wichtig? Sie sind 20, zählen vermutlich nicht zu einer Risikogruppe...
Das ist richtig, ich weiß aber auch, dass ich durch eine Impfung nicht nur mich schütze, sondern auch alle Menschen um mich herum. Meine Freunde, aber vor allem auch Menschen wie meine Großeltern, für die eine Ansteckung vielleicht schwerwiegendere Folgen haben könnte.
Wie sind dann die nächsten Impfungen für Sie verlaufen?
Ich bin vorher zum Arzt, habe einen ziemlich starken Blutverdünner verschrieben bekommen, den ich dann bis 14 Tage nach der Impfung nehmen musste.
Und?
Bis auf einen schweren Arm und dass ich direkt nach der Impfung etwas schlapp war, habe ich nichts gehabt. Also: Es hat funktioniert. Und gerade jetzt wegen der Omikron-Variante, habe ich mir auch die Booster-Impfung geholt. Was da selbst jungen, fitten Menschen passieren kann, hat mir auch nochmal das Beispiel von Bayern-Spieler Joshua Kimmich gezeigt.
Inwieweit?
Dem Nationalspieler ging’s nach seiner Corona-Infektion ohne Impfung ja wirklich dreckig. Ich bin auch Fußballer. Während man ja vor einem Jahr noch gedacht hat, junge, fitte Leute kriegen das nicht so schlimm, weiß man ja jetzt, dass das gerade auch bei Omikron nicht so ist.
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Auch Joshua Kimmich hat seine kritische Haltung zur Impfung ja offenbar deutlich revidiert.
Ja, das finde ich auch gut so. Und ich kann auch für mich nur sagen: Auch wenn das mit dem Auge echt ein Schock war, ich würde mich in jedem Fall auch wieder für die folgenden Impfungen entscheiden. Und ich kann auch allen anderen nur raten: Bei Bedenken kann man sich Rat holen – und Hilfe. Und es ist unbedingt wichtig, dass wir am Thema Impfen insgesamt dranbleiben und noch mehr davon überzeugen, sonst schaffen wir es nie, Corona wirklich in den Griff zu kriegen. Für mich jedenfalls gibt es da trotz allem, was ich erlebt habe, keine Zweifel.