Aus Gladbacher Edelmanufaktur TransrotorPlattenspieler die Skulpturen gleichen

Jochen Räkes Plattenspieler der Luxus-Klasse sind weltweit begehrt.
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Bergisch Gladbach – Zu den besten Kunden eines Bergisch Gladbacher Unternehmers gehört Michele Ferrero, Eigentümer des gleichnamigen Süßwarenherstellers und Erfinder des Überraschungseies. Ferrero sammelt Plattenspieler, und zwar die der Firma Transrotor: entwickelt und gebaut von Jochen Räke und seinem Team in der Irlenfelder Straße. „Ich baue Ihnen ein Gerät, das es noch nie gegeben hat“, versprach Räke dem wahrscheinlich reichsten Mann Italiens. Wie ein Schiffskompass sollte der Plattenteller aufgehängt sein, immer in der Waagerechten spielen, selbst bei starken Erschütterungen.
Mehrere Monate tüftelte der Bergisch Gladbacher, fuhr in das deutsche Museum nach München und studierte alte Schiffskompasse. Wieder im Büro, setzte sich der Maschinenbauer ans Zeichenbrett und konstruierte den Transrotor Gravita – ein Gerät mit kardanischer Lagerung, dessen Laufwerk frei schwingen kann.
„Es musste halt englisch klingen“
Als der Gravita schließlich fertig war, packte Räke den Plattenspieler in seinen Privatwagen und chauffierte, zusammen mit seiner Frau, das Präzisionsgerät zum Firmensitz der Firma Ferrero nach Alba. Nach der Installation lud der italienische Fabrikant den Bergisch Gladbacher zum Essen ein. „Es gab ein einfaches, aber schmackhaftes Gericht“, sagt Räke. Schmunzeln mussten der Unternehmer und seine Frau, als ein livrierter Diener das Dessert reichte: „Es war wie in dem Werbefilm der Firma. Auf einem silbernen Tablett lag eine Pyramide aus Ferrero Rocher.“
An einen seiner ersten Kunden erinnert sich Räke noch im Besonderen: Schauspieler Raimund Harmsdorf, bekannt durch die Hauptrolle in dem Fernseh-Mehrteiler Der Seewolf, der Anfang der 1970er Jahre die deutschen Fernsehzuschauer wie ein Magnet vor die Bildschirme zog. „Auf der Funkausstellung in Berlin bestellte Harmsdorf eine ganze Anlage aus Plexiglas“, erinnert sich der Fabrikant. Aufstellen musste der Plattenspielerexperte die Anlage in einem Schloss in Bayern: „Als ich den Raum betrat, in dem ich das System aufbauen sollte, war ich erschlagen. Das ganze Zimmer in Form eines Kubus war rundherum verspiegelt. In der Mitte stand eine drei mal drei Meter große Spielwiese mit einem Bezug aus Leopardenfell.“
Die Geburtsstunde der Firma Transrotor liegt über 40 Jahre zurück. 1971 eroberte Stanley Kubricks Film A Clockwork Orange die Kinos. Der Protagonist Alex lauschte in diesem Streifen Beethoven-Schallplatten, die sich auf einem Plattenspieler des englischen Designers J.A. Michell drehten. Das 1964 designte Gerät entwickelte Kultstatus und steht heute noch im Museum of Modern Art in New York. Und genau diesen Plattenspielertyp, damals noch unter dem Namen Transcriptor, importierte Räke 1971, zeitgleich mit dem Erscheinen des Films, nach Deutschland.
„Ich habe damals den Käfer meiner Frau und meinen Volvo verkauft, um mir einen Lagerbestand aufzubauen“, sagt Räke. In kurzer Zeit verkaufte der Bergisch Gladbacher 70 Geräte. Dann gab es Probleme: Die Engländer waren nicht auf den Export eingestellt. „Die Bestellungen wurden nur schleppend ausgeführt, meine Kunden warteten auf die Plattenspieler“, berichtet Räke. Er bestellte weiter in England, allerdings nur Teile und fertigte seine eigenen Geräte in Deutschland. In Abwandlung des Namens Transcriptor, nannte er seine Plattenspieler Transrotor. „Es musste halt englisch klingen. Das war damals modern in Hi-Fi-Kreisen“, erklärt der Bergisch Gladbacher und ergänzt: „Wir waren zu der Zeit Vorreiter für manches, was danach populär geworden ist in diesem Segment.“
Top-Bewertungen
1986 löste sich Transrotor komplett von dem englischen Zulieferer. Räke suchte Fertigungsbetriebe im Rheinisch-Bergischen Kreis die Teile für ihn herstellten und die in der Lage waren, seine Qualitätsansprüche umzusetzen. Das gelingt den Zulieferern nicht immer: So poliert ein Mitarbeiter der Firma Transrotor die vielen Metallteile, weil es schwierig ist, größere Teile in der geforderten Qualität auf dem Markt zu kaufen.
Eine langjährige Angestellte ist auch Emine Yildiz. Sie ist an ihrem Arbeitsplatz von hochglanzpolierten und vergoldeten Metallgegenständen und kleinen Kunstwerken aus Plexiglas umgeben. Yildiz steht konzentriert an der Werkbank und montiert viele kleine Teile zu einem großen Ganzen. „Es macht einfach Spaß, hier bei Transrotor zu arbeiten“, sagt die Technikerin und lächelt. Sie weiß, dass sie an den vielleicht besten Plattenspielern der Welt arbeitet. Dies würde der bescheidene Firmenchef Jochen Räke allerdings so nie behaupten. „Wer will das beurteilen“, sagt der Plattenspielerpapst bescheiden – mit dem Wissen, dass seine Laufwerke ganz weit vorne dabei sind.
Räke, sein Sohn Dirk und das Transrotor-Team erschaffen Skulpturen aus Metall, Stein und Kunststoff, die nur einem Zweck dienen: Schwarze Vinylscheiben möglichst gleichmäßig zu drehen und jegliche Vibration vom Plattenteller fern zu halten, um das, was sich an Klängen in der Rille verbirgt, möglichst getreu wiederzugeben. Und dazu ist Masse notwendig, Masse, die sofort ins Auge fällt wenn man sich die technischen Kunstwerke anschaut, die der Maschinenbauer Räke entwickelt und baut. „Rattenscharf“ nannte ein Fachmagazin vor Jahren die Geräte mit dem Typenschild Transrotor. In der Endausbaustufe dürfen es auch schon mal 220 Kilogramm sein für ein solch edles Abspielgerät. Artus FMD heißt dieses Ungetüm, bei dem der Plattenteller durch ein sich drehendes Magnetfeld angetrieben wird.
Für diesen Traum eines jeden Plattenliebhabers muss der geneigte Interessent den Gegenwert eines Porsche 911 auf den Ladentisch blättern. Tonarm und Tonabnehmer berechnet der Händler extra. Da kommen schnell noch einmal 30 000 Euro zusammen und die Schallmauer von 150 000 Euro ist durchbrochen. Es geht allerdings auch leichter: Transrotor Rossini, nur 21 Kilogramm schwer. Für rund 1900 Euro wechselt er den Besitzer. Dafür gibt es dann schon einen Plattenspieler, der bei Testberichten in seiner Preisklasse regelmäßig mit Bestnoten abschneidet.
Die Grundidee seiner Geräte beschreibt Räke so: „Es geht um einen Teller, der sich dreht und frei von Schwingungen ist. Will man dies immer besser haben, wird es halt schwieriger und teurer. Das kann man auf die Spitze treiben.“
Mittlerweile verkauft Transrotor seine Produkte in über 40 Länder weltweit. Dirk Räke stieg vor mehreren Jahre in das Unternehmen seines Vaters ein und kümmert sich seit 2007 um den Export. Räke senior: „Mittlerweile machen wir fast die Hälfte unseres Umsatzes im Ausland. Unter anderem in China, Hong Kong und Taiwan.“