BandporträtTür auf zum nächsten Tagtraum

Die Kölner Formation "Irgendwo neben Ibiza".
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Bergisch Gladbach – Wenn die Kölner Combo „Irgendwo neben Ibiza“ ein Konzert gibt, ist das ein ungewöhnlicher Anblick: Drei Akustikgitarristen sieht man dann, die es sich entspannt auf Barhockern bequem gemacht haben. Man könnte nun ebenso entspannte Klänge erwarten. Doch sobald die Musiker ihre Gitarren gleichzeitig erklingen lassen, ihren zuweilen mehrstimmigen Gesang, unterstützt von E-Bass und Cajon, merkt man: mit introvertiertem Akustikfolk haben „Irgendwo neben Ibiza“ nichts am Hut. Mit energetischem Punk und Indie Rock hingegen schon. „Durch unsere Instrumentierung entsteht ein Sound, den ich so bei anderen Bands noch nicht gehört habe“, findet der in Bergisch Gladbach aufgewachsene Cajon-Spieler Raphael Litzinger (28). Den bandtypischen Sound bezeichnet Sänger und Gitarrist Daniel Hoffstadt (33) als Singer / Songwriter Akustik-Punk: „Wir haben zudem Songs mit Beatbox im Programm und auch schöne Melodien in Balladenform. Wir verbinden eben viele Einflüsse.“ Keine Frage: musikalisch abwechslungsreich ist die Mitte 2007 gegründete Band, die sich neben Hoffstadt und Litzinger aus den beiden weiteren singenden Akustikgitarristen Jens Tschacher (31) und Phillip Dorfeld (29) sowie Bassist Mike Blobel (28) zusammensetzt.
Das zeigen „Irgendwo neben Ibiza“ bei ihren Live-Auftritten ebenso, wie auf ihrem ersten, selbstproduzierten Album, das Ende dieses Jahres erscheinen soll. Bereits 2011 hat die Band das Werk im Bensberger Jugendkulturhaus Ufo eingespielt, wo Litzinger als Haustechniker tätig ist. Er saß auch bei den Aufnahmen an den Reglern: „Ich wollte keine glatt gebügelte Studioaufnahme, die Platte sollte bewusst dreckig klingen“, sagt er. Über den Titel der Scheibe haben sich „Irgendwo neben Ibiza“ den Kopf zerbrochen, letztendlich einigte man sich, die Platte schlicht mit dem Bandnamen zu betiteln. Litzinger: „Ursprünglich war geplant, das Album „Und alle so: Yeah“ zu nennen. Aber das war uns dann doch zu platt.“ Plattitüden würden auch nicht zu den dreizehn darauf enthaltenen Songs passen, denn musikalisch haben „Irgendwo neben Ibiza“ einiges zu bieten. Etwa mit „1 Plus 1 gleich 3 Minus Kai gleich 2„. Dessen hymnischer Refrain animiert schon nach den ersten Hördurchgängen zum Mitsingen, seine glitzernden Gitarrenharmonien stoßen die Tür auf zum nächsten Tagtraum. Furios punkrockig kommen „Apless“ und „Dein Bier ist nicht meine Tasse Tee“ daher, stolz und balladesk „Möge die Nacht mit uns sein“. Hier singt Hoffstadt: „Uns’re Lieder dringen durch die Gassen, schallen durch die Straßen unserer Stadt. Eine Sehnsucht, die immer wieder auftaucht, die man niemals aufbraucht, wird entflammt.“ Im Song gehe es um eine Nacht während seiner Studienzeit, in der er zusammen mit seinen besten Freunden durch Köln zog. Hoffstadt: „Es war ein Abend, der sich abgehoben hat von vielen anderen, die wir miteinander verbracht haben. Wir haben noch lange davon geschwärmt, uns erzählt von den Dingen, die wir erlebt hatten.“ Jeder der drei Singer / Songwriter schreibt für seine Kompositionen auch die Texte, und die sind, so Dorfeld, sehr unterschiedlich. „Ich habe den Punkrock Background, neige also dazu, mehr Gesellschaftskritisches zu schreiben. Daniel hat viel Emotionales und Persönliches in seinen Texten, Jens viel Abstraktes.“ Medienkritische Inhalte gibt es etwa in Dorfelds „Nur noch ein Spot“. Hier setzt sich der Musiker mit Shows auseinander, in denen Bands und „Superstars“ gecastet werden oder mehrere Bewerber um eine Ausbildungsstelle kämpfen müssen. „So etwas ist der Gipfel der Perversion“, findet Dorfeld.
Ihre Kritik transportieren die Musiker – beruflich aktiv vom Biologen bis zum Sozialarbeiter – allerdings nicht bierernst, sondern mal ironisch, mal sarkastisch, und immer mit Augenzwinkern. „Wir haben Botschaften, sind aber keine Band, die mit erhobenem Zeigefinger durch die Lande zieht“, so Hoffstadt. Tschacher ergänzt: „Ich denke, die Zeigefingermoral kommt Gutmensch-mäßig rüber, ganz so, als hätte man selber alles geblickt und alle anderen, die nicht dieser Meinung sind, sind doof.“ Vermeiden ließe sich die Zeigefingermoral, indem man kritische Themen locker verpacke. Das klingt ein bisschen nach politischem Kabarett. Dorfeld: „Ich denke, ein kleiner Volker Pispers steckt in jedem von uns.“ Irgendwo neben Ibiza belassen es allerdings nicht bei ihren gesellschaftskritischen Texten, auch mit ihren Konzerten zeigt die Formation Flagge. 2009 etwa trat sie beim Benefizkonzert gegen den so genannten „Anti-Islamisierungskongress“ von Pro Köln auf und schrieb zu diesem Anlas den Song „Kein Kölsch für Nazis“. Der Humor kommt aber auch auf der Bühne nicht zu kurz: „Unsere Liedansagen sind absolut sinnlos und dämlich“, findet Hoffstadt. „Wenn man hört, was der neben einem wieder für ein Blödsinn erzählt, dann macht uns das viel Spaß.“
Apropos sinnlos: der Bandname entstand, als Dorfeld seiner ehemaligen Partnerin erklären wollte, wo genau in Spanien seine Verwandtschaft lebt. „Nach acht gescheiterten Versuchen, ihr das geografisch zu beschreiben, hat sie abgewinkt und gesagt: Naja, irgendwo neben Ibiza halt.“ Das blieb hängen. Auch wenn, so Dorfeld, der Name nach einer Party Kapelle klinge, die auf Après-Ski Veranstaltungen spielt. Doch bei derlei Festivitäten – das ist sicher – wird man „Irgendwo neben Ibiza“ nie zu sehen bekommen.