Neue PublikationHistorische Ansichtskarten zeigen das alte Bergisch Gladbach

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Refrath Haus Steinbreche, lithografische Ansichtskarte vor 1905

Haus Steinbreche war um 1900 ein beliebtes Zentrum für Freizeitaktivitäten.

Die Drucke handgefertigter Bilder waren beliebte Werbemittel. Heute sind viele der gezeigten Örtlichkeiten nicht wiederzuerkennen.

Die „Postkartenidyllen“ existieren nicht mehr, viele Gebäude sind längst abgerissen, Blickachsen verbaut, über ehemalige Wiesen führen Schnellstraßen. „Es ist ein Blick, in eine Welt, die es nicht mehr gibt“, kommentiert dann auch Frank Stein, Gladbachs Bürgermeister, beim Durchblättern des neuen Buches: „Gruß aus… Bergisch Gladbach in Lithografie-Ansichtskarten um 1900“.

Wobei die Autoren Peter Lückerath, Thomas Schwabach und Michael Werling ohnehin niemals von „Postkartenidylle“ sprechen würden: „Es wird viele überraschen, aber in diesem Buch ist keine einzige Postkarte zu sehen“, sagt Schwabach, Leiter des Bergisch Gladbacher Stadtarchivs.

Denn die klassische Postkarte ist ein schlichtes Papier, ohne jede bildliche Darstellung, und lediglich zur Beschriftung gedacht. Damit unterscheidet sie sich grundlegend von der Ansichtskarte, die gerade vom Bild lebt und früher so wenig Platz für die Beschriftung ließ, dass die mit ihr transportierten Grüße häufig kaum zu entziffern sind.

Die Ansichtskarten waren Beweis für Reiselust und einen Hauch von Luxus

100 besonders schöne Exemplare mit historische Ansichten der Stadt aus der Zeit um 1900 haben die drei Autoren zusammengetragen - kleine lithografische Kunstwerke, farbige Drucke handgefertigter Zeichnungen mit hohem Wert als historische Quelle.

Was heute gepostete Urlaubsfotos in sozialen Medien sind, das war Ende des 19. Jahrhunderts der kolorierte postalische „Gruß aus ....“ – Augenfälliger Beweis für Reiselust und einen Hauch von Luxus. „Es sollte den Daheimgebliebenen zeigen, wo man gerade ist und vielleicht auch ein bisschen eine lange Nase machen“, so Michael Werling.

Ausflugslokale schossen wie Pilze aus dem Boden

Die Karten waren aber auch gezielt eingesetztes Werbemittel von Gastwirtschaften und Ausflugsorten im Grünen, um die Menschen aus den verrußten Ballungszentren mit ihren dunklen Mietskasernen in die Sommerfrische zu locken. Eine Welt wurde mobil, mit der Bahn, dem Automobil oder dem Fahrrad - Fortbewegungsmittel, die gerne gemeinsam auf einer Postkarte dargestellt wurden.

Vorstellung des Buches Historische Ansichtskarten von Bergisch Gladbach

Die Autoren Michael Werling, Thomas Schwabach, Peter Lückerath bei der Präsentation des neuen Buches mit Bürgermeister Frank Stein und Förderer Herbert Selbach (v.r.)

Die Fremdenverkehrsbetriebe stellten sich auf die neue Kundschaft ein. Gladbach, Bensberg und Refrath mit ihrer verkehrsgünstigen Lage nahe Köln profitierte stark von diesem Freizeittrend, Ausflugslokale schossen aus dem Boden und versuchten sich mit Freizeitangeboten zu übertreffen, erläutert Lückerath. Nicht nur die Steinbreche war damals eine beeindruckende Amüsiermeile. Auch der „Luftkurort Bockenberg“ warb für sich. Gondelteiche, Biergärten, Tanzsäle, Kegelbahnen oder Tiergehege sollten die Touristen in die verschiedenen Lokalitäten locken.

Viele Örtlichkeiten sind heute nicht wiederzuerkennen 

Ein Mittel, um die Botschaft an die Kundschaft zu bringen, waren Ansichtskarten. Voller Stolz zeigte man damals aber auch seine Industrieanlagen – Beweis für wirtschaftlichen Erfolg und technische Höchstleistungen. Die Attraktionen sprachen sich herum und auf der „Cöln-Olper Chaussee“, einer wichtigen Verbindung durch das Bergische, „herrschte zeitweilig so großer Betrieb, dass zwei Firmen einen wohl von Pferden gezogenen Omnibus anbieten wollten“, berichtet Lückerath über den frühen Tourismus.

Ansichtskarte von Haus Kradepohl in Gronau (vor 1914). Das Haus wurde 2009 abgebrochen.

Ansichtskarte von Haus Kradepohl mit Gondelteich (vor 1914). Das Haus stand in Gronau und wurde 2009 abgebrochen.

Heute braucht es nicht selten den versierten Blick der Historiker, um die damals dargestellte Örtlichkeit überhaupt im Stadtbild zu lokalisieren. Selbst alteingesessene Gladbacher wie Herbert Selbach, der – neben der Kreissparkasse - den Druck des in einer Auflage von 500 Exemplaren herausgegebenen Buches finanziell unterstützte, findet sich da manchmal kaum noch zurecht. „Was sagen die Karten – und wie sieht es da heute aus. Das hat uns fasziniert“, erklärt Werling.

Doch die aufwendig herzustellenden Lithografie-Ansichtskarten hatten nur eine kurze Blütezeit zwischen 1895 und 1905. Dann verdrängte sie der Fotoapparat.

Peter Lückerath/Thomas Schwabach/Michael Werling: Gruß aus … Bergisch Gladbach in Lithografie-Ansichtskarten um 1900. Heider-Verlag, Bergisch Gladbach 2023, 136 S., 100 Abb., ISBN 978-3-947779-47-5, 26,80 Euro.

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