Haftpflicht-Versicherung„Unser Beruf ist gefährdet“

Andrea Kamphusmann ist enttäuscht, dass die Politik ihren Berufsstand nicht stärker unterstützt.
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Frau Kamphusmann, derzeit scheint die Existenz vor allem der freiberuflichen Hebammen gefährdet, weil kaum eine Versicherung mehr das Risiko eingehen will, sie zu versichern. Haben Sie Angst um Ihren Job?
ANDREA KAMPHUSMANN: Ich bin ein positiv denkender Mensch und hoffe darauf, dass politisch noch eine Lösung gefunden wird. Horrend hohe Versicherungsprämien stellen für uns schon jetzt eine große Herausforderung dar. Ich muss viel arbeiten, um überhaupt das Geld dafür zusammenzukriegen. Viele meiner Kolleginnen können sich die Arbeit schon jetzt kaum noch leisten.
Die Versicherungen argumentieren mit immer höheren Kosten für Schadensfälle. Was sagen Sie dazu?
KAMPHUSMANN: Ich möchte betonen, dass es nicht mehr Schadensfälle geworden sind. Wir haben unsere Arbeit also nicht weniger gründlich gemacht. Durch den medizinischen Fortschritt steigen aber tatsächlich die Kosten für die Behandlung. Frühchen zum Beispiel kosten viel Geld.
Geld, das zum Teil die Versicherungen der Hebammen zahlen müssen?
KAMPHUSMANN: Ja. Einer muss dann eben den Kopf hinhalten, wenn etwas nicht optimal gelaufen ist, selbst wenn alle Beteiligten ihr Bestes gegeben haben. Ich finde es nicht richtig, dass dieses Risiko allein den Geburtshelfern aufgebürdet wird. In anderen Fällen zahlt die Gesellschaft auch für andere mit. Ich zahle mit meinen Steuern für Menschen mit, die nicht arbeiten wollen. Die Option, dass eine gewisse Summe von der Versicherung gezahlt werden muss, dann aber der Staat in die Verantwortung gezogen wird, finde ich absolut vertretbar.
Wenn sich keine Lösung findet und die Hebammen ihren Beruf dadurch nicht mehr ausüben können, welches Szenario erwartet die Gesellschaft dann?
KAMPHUSMANN: Es käme auf jeden Fall zu längeren Klinikaufenthalten, weil die frischgebackenen Mütter nicht so früh nach Hause gehen könnten. Das würde sehr viel Geld kosten. Der Start in den neuen Lebensabschnitt mit dem Kind würde für die Frauen schwieriger. Viele haben kein Netzwerk aus Freundinnen oder Müttern, die ihnen Rat geben. Diesbezüglich hat sich meine Arbeit in den letzten Jahren deutlich geändert. Einige Mütter würden ihre Kinder ohne unsere Hilfestellungen auch unfreiwillig vernachlässigen. Wir geben den Frauen ja Hilfen an die Hand, zeigen ihnen einen normalen Umfang mit den Kindern.
Würden Sie einer jungen Frau noch empfehlen, Hebamme zu werden?
KAMPHUSMANN: Die Zahlen an den Hebammenschulen sind auf jeden Fall schon zurückgegangen, es ist ein gefährdetes Berufsbild. Trotz einer Petition vor einigen Jahren, bei der sehr viele Eltern hinter uns standen, hat sich in der Politik in unserer Sache bislang nichts bewegt. Dabei ist ein guter Start ins Leben so wichtig. Wenn Frauen vor einer Geburt schon wissen, dass sie danach alles alleine machen müssen, dann ist das doch keine Gesellschaft mehr.
DAS GESPRÄCH FÜHRTE SARAH BRASACK