Kurs in Bergisch GladbachDie Angst vor dem Pferd überwinden
Bergisch Gladbach – Die drei Frauen, die sich auf dem Hof von Renate Bock in Moitzfeld eingefunden haben, haben etwas gemeinsam: Pferde sind ihnen nicht geheuer. „Ich habe Respekt“, sagt Sabine Wotzlaw. „Ich hatte mal ein schlechtes Erlebnis mit einem Pferd“, erzählt Jasmin Lazaridis. Ihre Schwägerin Greta Lazaridis war zwölf, als sie das erste und letzte Mal auf einem Pferd saß.
Doch nun reiten ihre Kinder. Das führt die Frauen immer wieder in die Nähe der großen Tiere und lässt sie eine gewisse Faszination empfinden – wenn auch am liebsten hinter dem Zaun.
So oder ähnlich geht es vielen der Teilnehmer des Seminars „Inspiration Pferd“, das Renate Bock und Judith Pollmann-Schweckhorst gemeinsam leiten. „Leute, die fasziniert sind, aber sich nicht alleine trauen“, beschreibt Renate Bock den Personenkreis, an den sich das Seminar richtet.
Es soll helfen, Ängste abzubauen. Doch das ist nicht alles. Es geht um erstaunlich viel mehr als die Überwindung des eigenen Hasenherzens bei der Begegnung Pferd. Um das herauszufinden, ist der erste Schritt der auf die andere Seite des Zaunes.
Während die Gruppe langsam Richtung der kleinen Herde schlendert, erklären Bock und Pollmann-Schweckhorst, was diese mögen und was nicht. Man sollte sie zum Beispiel nicht scharf anschauen, weil im über Generationen vererbten Instinkt der scharfe Blick mit der Bedrohung druch Raubtiere verknüpft ist. Die Ohren sollte man beobachten. Bewegt das Tier sie nach vorn oder zur Seite signalisieren sie Aufmerksamkeit. Flach am Kopf angelegte Ohren bedeuten, dass das Pferd gerade mit Vorsicht zu genießen ist. „Das Sehspektrum ist viel größer als beim Menschen“, erklärt Bock. „Es reicht fast bis zur Hinterhand.“ Verstecken ist also zwecklos.
„Kann ich den jetzt einfach anfassen?“, fragt Greta Lazaridis. Ja, kann sie, und sie tut es auch, am Hals und etwas zaghaft. Es passiert nichts Schreckliches. „Du kannst jetzt auch überall anfassen“, sagt Renate Bock und streicht selbst einmal rund ums Pferd. Lazaridis schaut skeptisch, versucht es aber. Die einzige Reaktion des Tiers ist eine leichte Bewegung der Ohren zur Seite.
Ohne Berührung
Jetzt wird es ernst, denn nun sollen die Teilnehmerinnen jeweils allein mit einem Pferd auf den kleinen Reitplatz. Sie sollen das Pferd sogar dirigieren, seine Richtung und sein Tempo bestimmen, es anhalten und umdrehen lassen – und das alles, ohne es zu berühren.
Zum Antreiben bekommen die Frauen nur einen losen Strick in die Hand, den sie locker schwingen dürfen. Renate Bock erklärt Jasmin Lazaridis, wo sie stehen muss und wohin sie schauen muss, um eine Verhaltensänderung bei Peppy hervorzurufen.
Die Übung endet für die Akteurin und die Zuschauer verblüffend. Mit gesenktem Kopf steht Jasmin Lazaridis in der Mitte des Platzes. Peppy trottet auf sie zu und bleibt hinter ihr stehen. Lazaridis geht los und 500 Kilo Pferd trotten ergeben mit der Nase an ihrem Rücken hinterher.
„Das ist immer wieder faszinierend“, sagt Judith Pollmann-Schweckhorst. Ob es da eine offizielle Methode gäbe, wollen die Frauen wissen, oder ob die Trainerinnen sich das selbst ausgedacht hätten. Oder ist Peppy dressiert? Alles falsch. „Die Pferde bekommen mit, dass ihr ihre Sprache sprecht“, erklärt Renate Bock. „Es geht fast ausschließlich um Körpersprache. Wenn man sich damit die Führungsposition verdient hat, wird das Pferd anfangen, euch zu folgen und zu kooperieren.“
Nichts anderes tun die sogenannten „Pferdeflüsterer“ wie Monty Roberts – sie beherrschen die Körpersprache der Pferde perfekt. Wer nicht klar sagt, was er will oder es schlimmstenfalls selbst nicht weiß, hat wenig Chancen. Das ist eine der Botschaften des Seminars. „Der Mensch muss sich bei dieser Übung klar und deutlich positionieren“, sagt Pollmann-Schweckhorst. „Dabei kann man sich auch selbst anders kennenlernen und lernen, sich anders zu verhalten.“
Aus Distanz wird Miteinander
Dass das leichter gesagt als getan ist, merkt Greta Lazaridis, als sie mit der kleinen Jule den Platz betritt. Jule setzt träge einen Fuß vor den anderen und ignoriert die hektischen Bemühungen des Menschen. Es braucht ein wenig Nachhilfe der Trainerinnen, das Rückwärtsrichten des Pferdes als Dominanzgeste und die Aufforderung von Pollmann-Schweckhorst an Lazaridis: „Nicht fragen, machen! Abholen und mitnehmen.“
Am Ende erklärt sich auch Jule bereit zu folgen. „Jule ist in der Rangfolge der Herde ganz oben“, erklärt Renate Bock. Eine Chefin zu überzeugen, ist halt ein bisschen schwieriger.
Bei allen drei Teilnehmerinnen wird auf dem Platz sehr bald aus vorsichtiger Distanz ein Miteinander. „Das ist schon unglaublich, wie schnell man einen Kontakt herstellen kann“, sagt Greta Lazaridis. Ihre Schwägerin ergänzt immer noch etwas fassungslos: „Dieses Riesenpferd hat auf mich gehört.“ Der Wunsch nach einem Zaun zwischen sich und dem Pferd ist nicht mehr aktuell. Nach der aktiven Phase gibt es Zeit zu reflektieren. Häufig äußern Teilnehmer, dass sie sich allein mit dem Pferd „in einer ganz anderen Welt“ empfunden hätten. In einer Welt, in der das eigene Verhalten sensibel, direkt und wertfrei zurückgemeldet wird, aber auch einer, in der es gleichzeitig ruhiger und lebendiger zugeht.
„Ich bin ziemlich stolz jetzt“, resümiert Jasmin Lazaridis. Sabine Wotzlaw äußert sogar den Wunsch, sich auch mal auf ein Pferd zu setzen. „Was will man mehr?!“, sagt Judith Pollmann-Schweckhorst, glücklich. Doch das letzte Wort hat nochmal Jasmin Lazaridis. „Vorher war das Pferd da“, sagt sie und hält die Handfläche ein ganzes Stück von sich weg. Dann zieht sie sie nah an sich in Richtung Herzgegend und sagt: „Jetzt ist es hier.“ Körpersprache geht auch bei Menschen.