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Leerstehendes Westend-GeländeWilder Westen neben S-Bahnhof in Bergisch Gladbach

Lesezeit 5 Minuten

Die Rückwand der ehemals ersten Disco: Das Westend-Gelände in Bergisch Gladbach ist trostlos.

Bergisch Gladbach – Mit ganz viel Wohlwollen könnte man der alten Köttgen-Fabrik noch so etwas wie Industrieromantik bescheinigen. Mit ganz viel Mühe würde sich die Ruine der ehemaligen Gießerei an der Paffrather Straße vielleicht noch als Filmkulisse eignen. Wobei… Nein, eigentlich auch das nicht so richtig.

Zu baufällig das Gerüst, zu verwildert das Areal drum herum. Am Rande der Ruine gibt es einen Trampelpfad ins Gestrüpp, vorbei an den Metall-Zäunen und den großen „Betreten verboten“-Schildern. Er führt ins Nichts. Kein Durchkommen zur alten Fabrikhalle.

(1) Die alte Köttgen-Fabrik

Direkt neben der Köttgen-Ruine befindet sich der Obi-Baumarkt, einer von vielen Gegensätzen auf dem Westend-Gelände. Schon seltsam: Der moderne Baumarkt, der alles für den Bau- und Renovierungsbedarf anbietet, hat als Nachbarn das wahrscheinlich baufälligste und renovierungsbedürftige Gebäude der Stadt.

(2) Baumarkt neben Ruine

Seit 15 Jahren liegen große Teile des Westends neben der S-Bahnstation brach. Verschiedene Ansätze, auf dem Areal Fachmärkte anzusiedeln, wurden nie in die Tat umgesetzt. Keine Genehmigung, kein Geld, keine Zeit. Inzwischen ist der Eigentümer des Areals, die Hahn-Immobilien-Beteiligungs-AG in Bensberg, den Leerlauf wohl leid und hat das Gelände zum Kauf angeboten – auch der Stadt Bergisch Gladbach. Die könnte dann dort Wohnungsbau ermöglichen, wie es bereits im Juni im Planungsausschuss diskutiert worden war. Eine Entscheidung ist diesbezüglich aber noch nicht gefallen.

Was Autorin und Fotograf noch auf dem Westend-Gelände entdeckt haben, lesen Sie im nächsten Abschnitt.

(3) Cocktail- und Shisha-Bar „Relax“

Von diesen Plänen hat man auf dem Westend-Areal noch nichts gehört. Die Cocktail- und Shisha-Bar „Relax“ ist gerade neu in das Ladenlokal auf der Ecke des Geländes gezogen. „Wer will denn hier wohnen?“, fragt Juniko Labinot (33), dessen Frau die Bar vor sechs Wochen eröffnet hat, und deutet auf die trostlosen Parkflächen, die sich zwischen dem Lokal und dem Bahnhof erstrecken. Auf der anderen Seite findet er die Lage toll, so schön zentral: „Der Laden läuft super! Wir machen ganz viel Werbung auf Facebook.“ Shisha-Rauchen werde ja immer beliebter und sei inzwischen geradezu zum Kulturgut avanciert – auch in Bergisch Gladbach.

In der Küche wird das selbst ernannte Kulturgut daher fleißig herausgeputzt. Von außen weist abgesehen von einem großen Fensteraufkleber nicht viel auf die Neueröffnung hin.

(4) Kosmetik-Studio „Beautycase“

Während die Shisha-Bar gerade erst neu aufs Westend-Gelände gezogen ist, zieht das benachbarte Geschäft weg. Nach zehn Jahren gibt Nadja Elfgang (28) ihr Kosmetik-Studio „Beautycase“ in der Johann-Wilhelm-Lindlar-Straße auf.

„Wir passen hier einfach nicht mehr ins Bild, die Umgebung ist mir zu unseriös geworden“, klagt sie. Kunden der benachbarten Betriebe nähmen meinen Kunden die Parkplätze weg, lungerten auf der Fensterbank des Ladens herum. „Das alles sorgt für zwischenmenschliche Probleme, weshalb ich mit meinem Geschäft nun im September nach Paffrath ziehen werde“, sagt Elfgang. Ein bisschen wehmütig sei ihr schon zumute, schließlich habe sie hier auch eine gute Zeit gehabt.

Wenn man vor die Tür des Kosmetik-Studios tritt, ahnt man, was Nadja Elfgang stört. Der Bahnhof ist zwar in Sichtweite, aber ob man vom Bahnhof aus auch das Studio sieht? Eher nicht. Neben der Shisha-Bar finden sich eine Spielothek mit zugeklebten Fenstern und eine weitere Bar in der Ladenzeile. Davor sitzen mehrere Männer, die Karten spielen, aber nicht reden wollen. Das war’s auch schon.

(5) Gegensätzliche Gewerbe

Vier Läden auf einem Gelände, wo die zehnfache Menge Platz finden würde. Das Autohaus mit angegliederter Werkstatt am Rande des Geländes scheint der einzige Betrieb zu sein, der einigermaßen läuft. Allerdings liegt es in der Natur eines Autohauses, das man überwiegend auf schicke Karossen und Blech blickt, eine Quelle der Lebendigkeit und des menschlichen Treibens ist es nicht gerade.

Was Autorin und Fotograf noch auf dem Westend-Gelände entdeckt haben, lesen Sie im nächsten Abschnitt.

(6) Die Disco „Les Fleurs“

Das „Les Fleurs“ auf dem Westend hingegen war früher sehr wohl ein solcher Ort. Als Bergisch Gladbachs erste Disco war sie einst ein Knotenpunkt des städtischen Nachtlebens.

Hinter dem inzwischen geschlossenen Tanz-Tempel erstreckt sich eine verwilderte Grünfläche, die von klapprigen Zäunen umringt ist. An einem hängt ein Banner, das verkündet, man könne hier „Gewerbegründstücke von 1000 bis 10?000 Quadratmetern“ erwerben. Ob sich wegen des Rechtschreibfehlers auf dem Plakat niemand für das Grundstück interessiert? Wohl kaum.

Das Areal strahlt Trostlosigkeit aus, von vorn bis hinten. Der Wächter des angrenzenden Parkplatzes berichtet von Messerstechereien und Schlägereien, die sich auf dem Gelände der verlassenen Disco abgespielt hätten. Klingt nach Wildem Westen auf dem Westend.

Dieses riesige Grundstück, in bester Lage, in unmittelbarer Nähe zum Bergisch Gladbacher S-Bahnhof, vegetiert vor sich hin – wie eine verlassene Geisterstadt, nur eben ohne die Stadt. Verschenkter Raum, verschenktes Potenzial mitten im Herzen von Bergisch Gladbach.

(7) Das „Gewerbegrundstück“

Wohnungsbebauung könnte das ändern, könnte wieder für Leben in dem Viertel sorgen. Überlegungen von Seiten der Stadt diesbezüglich sind gerade wieder aktuell.

Was dann mit Einrichtungen wie dem Theas-Theater, dem Roten Kreuz oder dem Dialyse-Zentrum, die sich am südlichen Rand des Westends befinden, geschehen würde?

So weit hat man sich laut Stadtsprecher Martin Rölen noch keine Gedanken gemacht. Wahrscheinlich würde die „Bestandsbebauung in einem solchen Fall aber unangetastet bleiben. Das wäre ja Quatsch, daran etwas zu ändern.“

Die Zukunft des Flüchtlingswohnheims, das sich in zweiter Reihe hinter den Einrichtungen an der Jakobstraße befindet, wäre hingegen infrage gestellt. Das ohnehin überalterte Gebäude würde wohl abgerissen, und die Asylanten würden woanders untergebracht.