Legokünstler Alexander JonesDie ganze Welt in bunten Steinen

Alexander Jones ist stolz auf seinen Lego-Nachbau des U-Boots Nautilus.
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Bergisch Gladbach – Gäbe es einen Preis für das aufgeräumteste Spielzimmer der Welt, er ginge nach Bergisch Gladbach. Nicht ein einziger Legostein liegt auf dem grauen Teppichboden von Alexander Jones’ Hinterhof-Atelier an der Hauptstraße, unweit der Jet-Tankstelle. Respektabel für einen, der mehr als 100 000 Legoteile hortet, in allen Formen und Farben. Vielleicht sind es auch doppelt so viele, wer kann das schon zählen?
Alexander Jones ist übrigens keine acht, er ist 34 Jahre alt. Aber er hat einen Beruf, um den ihn viele Achtjährige – und nicht nur die – glühend beneiden: Jones baut Lego zusammen, acht bis 16 Stunden täglich, Tag und Nacht, „manchmal wie im Rausch“. Er bezahlt damit seine Miete, sein Essen, sein Leben. Jones entwickelt Konstruktionsspielzeug, wie das in der Fachsprache heißt. Und er ist Künstler, in der Szene bekannt unter seinem Alias Orion Pax.
Angefangen hat Jones’ Besessenheit mit den Klötzchen denkbar klassisch: Als Kind spielte er halt mit Lego. Aufgewachsen in einer „Hardcore-Öko-Familie“, durfte er keine martialischen Figuren wie He-Man besitzen. Also setzte Jones Klotz auf Klotz andere Welten zusammen, baute das Ghostbusters-Auto nach, das er aus dem Fernsehen kannte. So vernarrt war Jones in die aus den Spielfilmen entwickelte amerikanische Serie, dass seine Mutter ihn im Hochsommer in einen hellblauen Schneeanzug stecken musste. Teile eines Staubsaugers dienten als Rohr, mit dem der Junge auf Geisterjagd ging. „Die Nachbarn müssen gedacht haben, wir sind bekloppt.“
Amerikanische Serien und Filme sind bis heute seine wichtigste Inspiration. Jones zeigt auf die ordentlich aufgereihten Figuren, Autos und Szenerien in den Vitrinen an den Wänden seines Ateliers: die Simpsons, Starwars, Futurama, Transformers, Batman, Breaking Bad, auch ein Nachbau der US Airforce 1 ist dabei. Wer seinem Schwall an Erklärungen zuhört, jedes Wort atmet Begeisterung, dem kommt Jones vor wie ein großes Kind. Sein Aussehen unterstreicht das: Er trägt ein Karohemd, kurze Hosen, klobige Sportschuhe und unter den gewellten Haaren eine Brille, deren dicke Gläsern die Augen größer erscheinen lassen. „Klar, ich stehe immer noch auf Spielzeug. Ich habe auch keine anderen Hobbys außer Spielzeug“, gibt er lachend zu. Als Teenager kündigte Jones dem Lego einige Jahre lang die Freundschaft. „Da ging es ums Erwachsenwerden und um Mädchen. Lego war uncool.“
Er infizierte sich mit dem Klötzchen-Fieber erst wieder als 19-Jähriger, als Lego die erste Star-Wars-Serie herausbrachte. „Das hatte ich alles schon als Kind nachgebaut“, sagte er. Jones baute und baute fortan, baute auch während seines Ausbildung zum gestaltungstechnischen Assistenten an der Glasfachschule in Rheinbach nahe Bonn. Er stellte seine Kunstwerke ins Internet, scharte virtuell immer mehr Fans um sich. 2003 schickte er eine Initiativbewerbung an das dänische Lego-Unternehmen. Keine Antwort. Doch Jones gab nicht auf: 2008 stellte er seine Werke auf der Lego-Fanwelt in Köln aus.
Dort endlich wurde ein Vertreter der Firma auf ihn aufmerksam. Nach drei Monaten Praktikum arbeitete Jones drei Jahre lang von Deutschland aus für Lego, entwickelte unter anderem die Mixels-Figuren mit: „Das sind diese Viecher mit Augen.“
Dann wechselte er mit seinem Chef zu einer amerikanischen Konkurrenzfirma. Er zog von Bonn in das Bergisch Gladbacher Atelier, das ihm als Wohnung, Werkstatt und Garage für seinen goldenen Camaro, Baujahr 1984, dient. Seine Frau und der Zwergschnauzer Qisha leben auch hier. Seit November arbeitet Jones für verschiedene Kunden in Deutschland, ist offen für alle Anfragen. Unter anderem baut er Autos von Oldtimer-Fans nach, die eine Mini-Variante für ihren Schreibtisch haben wollen. Er dekoriert Schaufenster mit Legokunst. Er stellt seine Werke aus.
„Hallo“, ruft der Postbote in das offene Garagentor hinein. „Da kommt meine Bestellung“, erklärt Jones und nimmt ein kleines Päckchen mit Lego-Steinen entgegen. Mehrere tausend unterschiedliche Teile gibt es: „Die habe ich alle im Kopf.“ Er habe so eine Art 3-D-Modell vor Augen, bevor er mit dem Bauen beginne. Wenn ihm Steine fehlen, bestellt er sie im Internet. Ein einzelnes, seltenes Teil kann bis zu 20 Euro oder mehr kosten. Jones’ Atelier ist eine Schatzkiste. Der 34-Jährige holt ein U-Boot von seinem Regal herunter, das er komplett aus Legos nachgebaut hat. Es ist die Nautilus aus dem Science-Fiction-Film „20 000 Meilen unter dem Meer“, die Jules-Verne-Verfilmung von Walt Disney.
„Legobauen ist für mich auch ein bisschen Stressbewältigung“, erklärt er. Das U-Boot ist eine Hommage an seine Mutter, die im vergangenen Jahr an Krebs gestorben ist. „Sie war Baujahr 1954, wie der Film.“ Obwohl Jones noch nicht lange in Bergisch Gladbach lebt und die meiste Zeit in seinem Atelier verbringt, hat er in der Stadt schon viel gesehen, das ihn zum Nachbauen reizt. Die alten Maschinen im Papiermuseum faszinieren ihn besonders. Die Villa Zanders sei sein Lieblingsgebäude, dort oder im Kindergartenmuseum könne er sich auch eine Ausstellung vorstellen. Aber auch das Bensberger Schlosshotel fasziniert ihn.
Keine Herausforderung? „Nein, das wäre nicht schwer“, antwortet Jones. „Lego hat sogar gerade Steine in der Farbe des Schlosses herausgebracht“. Sagt’s und zeigt auf eine Kiste mit Klötzen neben seinem Schreibtisch. Vielleicht wird Jones Bergisch Gladbach in Angriff nehmen, irgendwann, eines Tages, eines Nachts, im Lego-Rausch.