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„Ich bin eingesperrt“Nachbar blockiert 91-jähriger Bergisch Gladbacherin den Weg zum Haus

4 min
Irmintraut Fuchs vor der Eisenkette und dem Trecker, die ihr den Weg zu ihrem Grundstück versperren.

Irmintraut Fuchs vor der Eisenkette und dem Trecker, die ihr den Weg versperren. 

Mit Trecker und Ketten versperrt der Nachbar den Weg zum Haus der 91-jährigen Irmintraut Fuchs - und hat das Recht auf seiner Seite. 

Es war nach dem Urteil aus der Berufung abzusehen: Der Nachbar der 91-jährigen Irmintraut Fuchs hat die Zufahrt zu ihrem Haus wieder abgesperrt. Zwei Absperrseile und ein Trecker blockieren den Weg. „Jetzt ist eingetreten, wovor ich solche Angst hatte: Ich bin faktisch eingesperrt auf meinem Grundstück, in meinem Haus“, sagt die alte, gehbehinderte Frau, die in dem Haus groß geworden ist und seit 28 Jahren dort lebt.

Die Szenerie in einem abgelegenen Teil von Bergisch Gladbach beschäftigt seit Monaten die Öffentlichkeit und die Gerichte. Dort eine 91-Jährige, die zu ihrem Haus will – auf der anderen Seite ein Nachbar, der seit Jahren alles daran setzt, dass die 91-Jährige ihr Haus nicht mehr erreichen kann. Zumindest nicht mehr über den Weg, den sie, den ihre Familie seit Jahrzehnten nutzt. Denn ein Stück dieses Weges gehört zum Grundstück des Nachbarn. Und der darf, so sehen es die Gerichte, mit seinem Eigentum machen, was er will – ausdrücklich eben auch einen alten Weg sperren.

Mit großen Erdbewegungen wurde der untere Teil des Weges unbefahrbar gemacht.

Mit großen Erdbewegungen wurde der untere Teil des Weges unbefahrbar gemacht.

Juristischer Hintergrund ist, dass das Haus von Irmintraut Fuchs – egal wie lange es auch schon bewohnt ist – ein Schwarzbau ist. Und bei einem Schwarzbau gibt es keinerlei rechtlichen Spielraum, den Nachbarn zu zwingen, sein Grundstück für eine Erschließung zur Verfügung zu stellen. Das sogenannte „Notwegerecht“ greift nicht. Da hilft es auch nicht weiter, dass die Stadt die Nutzung des Hauses ausdrücklich duldet. Die Duldung ändert eben nichts an der juristischen Bewertung als Schwarzbau.

So scheint die Sperrung – so verrückt und unangemessen sie auf den ersten Blick auch erscheinen mag – juristisch ein klarer Fall zu sein. Würde in dem Haus eine 45-jährige Frau mit krimineller Vergangenheit wohnen, die bei einer Pokerrunde den Schwarzbau gewonnen hätte, wäre die öffentliche Wahrnehmung eine ganz andere. „Raus aus dem Haus“, wäre wohl die Grundstimmung. Irmintraut Fuchs aber fliegen die Herzen zu und es wird nach Rettungsmöglichkeiten jenseits der Gerichtsurteile gesucht.

Kein Weg führt mehr zum Haus von Irmintraut Fuchs.

Kein Weg führt mehr zum Haus von Irmintraut Fuchs.

Ein Nachbar von Irmintraut Fuchs hat ihre Garage angemietet. Um sie nutzen zu können, muss er über den gesperrten Weg fahren oder gehen. Kann er jetzt aber nicht. Allerdings, so sagt er, besitze er ein eingetragenes Wegerecht. Die Sperrung des Weges erfolgte während seines Urlaubs. Auf Nachfrage hieß es aus dem Ausland: „Wir werden gegen diese Sperrung vorgehen. Wir haben ein Recht, die von uns angemietete Garage zu erreichen.“

Das wäre dann eine neue Situation. Wenn der Nachbar ein Wegerecht hätte, müsste die bauliche Absperrung – egal ob durch Trecker oder Kette – wohl verschwinden. Und dann würde es tatsächlich komplett absurd: Der Nachbar dürfte zu seiner Garage fahren, aber Irmintraut Fuchs dürfte den Weg nicht nutzen, um in ihr Haus zu kommen. Darf sie im Auto des Nachbarn dann zur Garage gefahren werden – und so ihr Grundstück erreichen? Ihr selbst ist ja das Betreten unter Strafe verboten.

Die vermietete Garage von Irmintraut Fuchs.

Die vermietete Garage von Irmintraut Fuchs.

Noch ist völlig unklar, was aus diesem vermeintlichen Wegerecht des Nachbarn wird. Aber es gibt noch mehr Bewegung. Der Immobilienmakler Heinz P. Hinterecker hat sich eingeschaltet und spricht von einer „Reihe von Möglichkeiten“. Er werde sich zum Beispiel dafür einsetzen, dass der gesamte Weg zu einer öffentlichen Straße umgewidmet wird. „Ich weiß, dass das nicht einfach wird – aber wenn es den politischen Willen dazu gibt, ist vieles möglich.“ Denkbar wäre zum Beispiel eine „Widmung kraft unvordenklicher Verjährung“. Nachdem alle Fristen – etwa für eine Zulassungsbeschwerde – ausgelaufen sind, bleibt realistisch wohl nur noch der Versuch über das öffentliche Recht. Dann müsste tatsächlich die Stadt aktiv werden.

Letzte Möglichkeit wäre, einen neuen Weg über das Grundstück zu ihrem Haus zu bauen. Auf diese Möglichkeit hatte auch der klagende Nachbar hingewiesen: Denn um ihr Haus zu erreichen, müsse er nicht sein Grundstück zur Verfügung stellen – sie könne das Problem auf ihrem Eigentum lösen. Was – zumindest theoretisch – auch stimmt. Allerdings müsste diese neue Straße in den Hang hinein gebaut werden. Schwierig und deshalb teuer. Die Rede ist von rund 100.000 Euro. Das ist finanziell für die 91-Jährige nicht zu machen. Ihr Sohn, er wohnt mit im Haus, hat angefangen, mit Hacke und Spaten den Trampelpfad auszubauen. Dieser Fußweg wird aber niemals eine echte Möglichkeit für Irmintraut Fuchs sein.