Orientalischer Tanz in Bergisch GladbachFrech und fließend zugleich

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Jutta Haas-Veit (Mitte) gemeinsam mit den „Saadies“ (links) und den „Benats“ (rechts). Vorne: Miriam Katzemich als Wunderlampe und Alessia Heider als Aladin.

Jutta Haas-Veit (Mitte) gemeinsam mit den „Saadies“ (links) und den „Benats“ (rechts). Vorne: Miriam Katzemich als Wunderlampe und Alessia Heider als Aladin.

Bergisch Gladbach – „Beste Tanzmama“ steht in großen weißen Buchstaben auf dem violetten Kapuzenpullover, den sich Jutta Haas-Veit um die Hüfte geknotet hat. Vor der Spiegelwand, die den schmucklosen Raum in einem Hinterhof an der Rommerscheider Straße in ein Tanzstudio verwandelt, erklärt die Tanztrainerin ihren neun Schülerinnen an diesem kalten Mittwochabend die Schrittfolge.

„Wir müssen das frech tanzen“, sagt sie und kreuzt die Hände vor dem Gesicht. Aus den Boxen schallt der Song „Monsta“ von Culcha Candela. Die Mädchen kichern. Zum schnellen Rhythmus der Musik lassen sie Hüfte, Bauch und Schultern wackeln, schwingen die Arme in fließenden Bewegungen durch die Luft.

Sogar die Väter machen mit

Hier, über der Werkstatt der Firma Katzemich, wo seit Generationen Bilderrahmen gefertigt werden, trifft moderner Pop auf orientalischen Tanz. Die „Benats“ wärmen sich auf. Seit 1997 gibt Jutta Haas-Veit, die in ihrer Kindheit aus dem Siegerland nach Bergisch Gladbach zog, Unterricht in orientalischem Showtanz. Angefangen hatte sie bei der Turnerschaft, im Jahr 2012 zog die heute 54-Jährige dann in die Räumlichkeiten an der Rommerscheider Straße. In ihrem Ensemble „Jana & El Saada“ tanzen Frauen zwischen 22 und 62 Jahren. Dazu kommen die „Benats“ (Jugendliche ab 16 Jahren) und die „Orientsternchen“ (Kinder bis 14 Jahre). „Zwei Drittel sind von Anfang an bis heute dabei“, sagt die Trainerin stolz. „Bei mir tanzen die Mütter neben ihren Töchtern, und sogar die Väter machen mit.“

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Der Zusammenhalt der Gruppen und der Spaß am Tanz verhalf der „El Saada“-Tanzfamilie bereits zu einigen Auszeichnungen und Titeln. Mit ihrem ersten Platz bei den neunten Deutschen Meisterschaften im Orientalischen Tanz, die im September 2013 in Hameln stattfanden, ertanzten die „Benats“ in der Kategorie „Show Fantasy“ den 50. Meistertitel für die Gladbacher.

Zu „Euphoria“, dem Siegertitel des Eurovision Song Contests 2012 der schwedischen Sängerin Loreen, präsentierten acht Mädchen, geschmückt mit weiten silbernen Isis-Schleiern, eine Kombination aus modernem und orientalischem Tanz, mit der sie die Jury begeistern konnten.

Weniger erfolgreich, dafür umso spannender sei jedoch die Teilnahme am Worldcup der Productions in Riesa gewesen, der innerhalb der Weltmeisterschaft des Showtanz stattgefunden hat, erzählt Jutta Haas-Veit. In der Kategorie „Production“, in der mindestens 25 Tänzer eine Geschichte präsentieren müssen, zeigten sie mit 30 Tänzern im Alter von zehn bis 62 Jahren das Märchen „Aladin“. Dass sie im Finale nur den sechsten und damit letzten Platz erreichten, schmälerte die Freude keineswegs. „Das war für uns ein absolutes Highlight“, erzählt Haas-Veit.

Geplant sei die Teilnahme nämlich nicht gewesen. Weil sich nur drei deutsche „Productions“ zum nationalen Vergleich gemeldet hatten, wurde ihnen die Teilnahme angetragen. „Neben den Hip-Hop- und Ballett-Stücken waren wir ein absoluter Exot“, berichtet die Leiterin der Truppe. „Wir machen keine spektakulären Sprünge, keine große Akrobatik und haben auch keine Hebefiguren im Programm. Für die Jury, die unsere spezielle Technik also im Grunde gar nicht beurteilen konnte, war das natürlich ein Manko.“

Das Publikum habe das anders gesehen, erzählt die 21-jährige Alessia Heider, die die Hauptrolle als Aladin tanzte. „Backstage haben wir in unseren orientalischen Kostümen einige skeptische Blicke auf uns gezogen“, sagt sie. „Als wir dann aber auf der Bühne waren, haben alle geklatscht.“

Mit den „Benats“ übt Haas-Veit bereits seit Januar für den nächsten Auftritt. Ein orientalischer Feen-Tanz mit Fächerschleiern soll es werden, mit dem sich die Gruppe beim Festival „Bergisch Gladbach tanzt“ einbringen möchte. Das Projekt wurde vom Verein „Wir für Bergisch Gladbach“ initiiert und findet vom 9. bis 25. Mai statt.

Von Aufregung ist bisher keine Spur. Für die 15-jährige Miriam Katzemich, die schon mit sieben Jahren ihre erste Meisterschaft tanzte, sind Auftritte wie diese längst Routine. Das sei jedoch nicht immer so gewesen, erzählt sie. Schließlich spiele die Weiblichkeit eine große Rolle beim orientalischen Tanz. „Mit elf und zwölf Jahren müssen die Mädchen eine Durststrecke überstehen“, erklärt Haas-Veit. „In dem Alter können sie mit ihrem Körper einfach noch nicht so viel darstellen wie die 15-Jährigen.“ Wenn die Mädchen aber dabeiblieben, könnten sie sich später „superschön“ bewegen. Sie trauten sich dann andere Bewegungen zu und lernten, zu ihrer Weiblichkeit zu stehen. Haas-Veit: „Orientalischer Tanz ist eben fraulich und weich, und das kann man natürlich besser umsetzen, wenn auch entsprechende Formen da sind.“

Jutta-Haas Veit hat der orientalische Tanz auch persönlich geholfen: 2013 wurde bei ihr Krebs diagnostiziert. „Ich habe mir den Krebs weggetanzt, auch gedanklich“, erzählt sie. „Das Tanzen hat mir die ganze Therapie erleichtert und mir Normalität geschenkt.“ Der Zusammenhalt der Gruppen sei so groß, dass er sie aufgefangen habe.

Um diesen weiter zu stärken, wünschen sich Alessia, Miriam, Vanessa, Jessica, Maria, Yvonne, Kira, Julia und Neuzugang Sophie auch in diesem Jahr wieder eine „Production“, in der sie an der Seite der Erwachsenen, den „Saadies“, tanzen können. „Das Schönste sind die gemeinsamen Busfahrten“, sagt Miriam Katzemich und lacht. „Wir spielen dann seltsame Spiele und haben einfach Spaß. Wir sind eben wie eine große Ersatzfamilie füreinander.“

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