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Bescherung in ButschaWichtelpakete aus Bergisch Gladbach bringen Licht ins Dunkel des Krieges

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Mitglieder des Städtepartnerschaftsvereins Bergisch Gladbach – Butscha und  der Stadtverwaltung von Butscha verteilen Weihnachtsgeschenke in einem Waisenkinderhaus in Butscha.

Bescherung in Butscha: Eine Waisenhausfamilie ist die erste Station des 15. Hilfskonvois des Städtepartnerschaftsvereins Bergisch Gladbach – Butscha, der 800 Wichtelpäckchen aus Bergisch Gladbach in die ukrainische Partnerstadt brachte.

Wie Geschenke aus Bergisch Gladbach Kinder in Butscha zum Strahlen bringen – Unterwegs mit 800 Päckchen Hoffnung in die Ukraine.

Nur ein Feldweg führt zu dem Haus. Der Wagen klappert, und gleichzeitig steigt die Aufregung im Inneren. Und die Vorfreude. Nach 2000 Kilometern mit 800 Wichtelpäckchen, die Menschen in Bergisch Gladbach für Kinder in der ukrainischen Partnerstadt Butscha gepackt haben, sind wir am ersten Ziel angekommen. Einem Waisenkinderhaus am Stadtrand von Butscha. Drei Jungs und fünf Mädchen leben hier mit Jana und Wolodymyr Dremluha zusammen, wie in einer großen Familie. Im neuen Jahr kommt noch ein weiteres Mädchen hinzu. Die Kinderhausfamilie ist aus dem Osten des Landes vor der näherrückenden Front nach Butscha geflohen. Die Stadtverwaltung hat ihr ein Haus besorgt. Mehrere der Kinder haben ihre Eltern im Krieg verloren.

Frank Dudley vom Städtepartnerschaftsverein Bergisch Gladbach – Butscha begrüßt Kinder in einem Waisenkinderhaus-

Drei Jungs und fünf Mädchen leben im ersten Kinderhaus, das der Hilfstransport aus Bergisch Gladbach in Butscha ansteuert, mit Jana und Wolodymyr Dremluha zusammen, wie in einer großen Familie.

Ein wenig schüchtern sitzen die Kinder auf den Betten in ihren Zimmern, der 18-jährige Andriy hat noch ein College-Seminar via Internet zu absolvieren, dann kommt auch er in die große Wohnküche. In der Ecke steht ein Weihnachtsbaum, alles ist aufgeräumt, in wenigen Tagen ist Weihnachten – dann werden die Kinder wie in Deutschland an St. Martin durch die Nachbarschaft ziehen, an den Haustüren singen und Süßigkeiten bekommen.

Eine Taschenlampe! Ich glaube, ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt
Uliana (13), Schülerin Bergisch Gladbachs Partnerstadt in Butscha

Diesmal jedoch ist Weihnachten ein bisschen anders, sind schon kurz vor dem Fest Besucher aus Deutschland gekommen – mit liebevoll verpackten Päckchen. Gemeinsam   mit Katerina Denysenko und Lidiia Komarnytska von der Stadtverwaltung Butscha haben wir anhand der Beschriftung auf den Präsenten passende Päckchen für die Kinder ausgesucht.

Die Wichtelpakete aus Bergisch Gladbach sorgen für große Freude bei Waisenkindern in Butscha

Mit großen Augen nehmen sie die Geschenke entgegen, die Arne Meinhardt und Frank Dudley vom Partnerschaftsverein verteilen, mit denen ich die rund 800 Wichtelpakete nach Butscha bringen durfte. Eifrig bedanken sich die Kinder und wollen die Pakete eigentlich beiseite legen, um mit den Gästen Kuchen zu essen. „Bei uns öffnet man ein Geschenk nicht gleich, sondern nimmt es mit auf sein Zimmer und packt es später aus“, erklärt Lidiia Komarnytska. „Die Geschenke sollen nicht so im Mittelpunkt stehen.“

Kinder in einem Kinderhaus in Butscha packen die Geschenke unterm Weihnachtsbaum aus.

Bescherung in Butscha: Die Kinder im Kinderhaus packen die Geschenke unterm Weihnachtsbaum aus.

Auf Bitten der Gäste, dürfen die Kinder dann aber doch schon mal einen Blick in die Pakete werfen – und kommen aus dem Staunen kaum noch heraus. Die zwölfjährige Oleksandra findet ein Schultertuch in ihrem Paket, legt es sich gleich um und strahlt. Dazu hat die Päckchenpackerin auch noch eine Karte in das mit allerlei weiteren Nützlichen und leckeren Präsenten gefüllte Päckchen gelegt. Oleksandra ist ganz selig. Der sechsjährige David zeigt allen die Taschenlampe, die er in seinem Paket gefunden hat.

Von draußen sind Schüsse zu hören, als im Kinderhaus die Bescherung begonnen hat

Von draußen sind Schüsse zu hören. Die Begleiter beruhigen uns. „Das ist nur vom nahen Übungsplatz, auf dem unsere Truppen ausgebildet werden.“ Die Kinder hören den Lärm gar nicht, zu groß ist die Freude über die unverhofften Geschenke aus der deutschen Partnerstadt.

Eine Waisenhausfamilie steht mit Weihnachtsgeschenken in den Händen vor einem Weihnachtsbaum in ihrem Haus.

Lidiia und Andriy haben in Butscha Waisenkinder aufgenommen, deren Eltern durch die russischen Gräueltaten ums Leben kamen.

In der zweiten Waisenfamilie, die wir als nächstes besuchen, ist das kaum anders. Lidiia und Andriy sind mit ihrem leiblichen Sohn vor einigen Jahren aus dem zeitweise von den russischen Angreifern besetzten Cherson im Südosten des Landes nach Butscha gekommen. Andriy hat früher als Lastwagenfahrer gearbeitet, als die russischen Angreifer Butscha besetzten, hat er mit seinem Lastwagen geholfen, die Menschen, die noch fliehen konnten, in Sicherheit zu bringen.

Als die russischen Besatzer nach den mittlerweile weltweit bekannten Gräueltaten abzogen, hat er mit seiner Frau entschieden, Waisenkinder aufzunehmen. Vier der Kinder, die heute in ihrer Kinderhausfamilie leben, haben ihre Eltern damals durch die russischen Besatzer verloren. Jetzt wollen Lidiia und Andriy ihnen eine Zukunft ermöglichen – und freuen sich über die Geschenke aus Bergisch Gladbach zum Weihnachtsfest.

Schülerinnen und Schüler in Butscha freuen sich über Präsente ihrer Gastgeber vom Schüleraustausch in Gladbach

Auch in der Schule, die wir anschließend ansteuern, ist die Freude groß. Eine Reihe von Schülerinnen und Schülern waren bereits bei den Schüleraustauschfahrten in Bergisch Gladbach gewesen. Ihre Gastgeber haben uns personalisierte Geschenke für sie mitgegeben. Die Kinder strahlen. „Eine Taschenlampe“, ruft die 13-jährige Uliana, als sie behutsam die Klebestreifen des für sie bestimmten Päckchens gelöst hat: „Ich bin der glücklichste Mensch der Welt.“

Schülerinnen in Butscha packen Geschenke au Bergisch Gladbach aus.

Große Freude bei den ukrainischen Schülerinnen und Schülern, die im Herbst Bergisch Gladbach besuchten und nun Pakete ihrer Gastgeber erhielten.

Die Stadtbibliothek, in der wir weitere Pakete abladen dürfen, ist nur ein paar hundert Meter entfernt. Überall ist es dunkel. Mal wieder Stromausfall. Immer wieder ist die Energieversorgung Ziel der russischen Luftangriffe. Mit Taschenlampen und einiger tatkräftiger Hilfe von Schülerinnen, Schülern und Lehrerin Tanja Rybakova bringen wir die Päckchen durch einen Hintereingang ins Gebäude. Im Lesesaal hocken Mütter mit ihren Kindern, lesen mit Handyleuchten, bevor sie in einen Nebenraum gebeten werden.

Bescherung in der Stadtbibliothelk von Butscha: Geschenke verteilt hier der heilige Nikolaus.

Bei Notbeleuchtung verteilt der Heilige Nikolaus in seiner in der Stadtbibliothek eingerichteten Residenz die Päckchen aus Bergisch Gladbach an Kinder.

Vom heiligen Nikolaus, der in der Ukraine die Weihnachtsgeschenke bringt und natürlich das Gewand eines ukrainisch-orthodoxen Bischofs trägt. Ein bisschen Notstrom erhält die mit Blockhaustapete eingerichtete „Residenz des heiligen Nikolaus“. Die Kinder sagen Gedichte auf, singen Lieder – und bekommen jedes ein Geschenk aus Bergisch Gladbach.

„Da werde ich ja noch einige Kinder beschenken können“, freut sich der Heilige Mann mit Blick auf die zahlreichen Pakete aus der Partnerstadt und lernt mit den Kindern am Ende ihrer kleinen Feier stets noch ein Wort auf Deutsch: „Dankeschön.“ Das Strahlen in den Augen der Kleinen in der Dunkelheit ihres im vierten Kriegswinter leidenden Landes, werden wir so schnell nicht vergessen.


Am Fest der Liebe zum Mann an die Front

Mit einem Lächeln packt Deutschlehrerin Tanja Rybakova mit an, als die Weihnachtspäckchen für bedürftige Kinder in Butscha ausgeladen werden. Sie summt ihr Lieblingslied mit „Driving home for Christmas“, dabei ist ihr alles andere als Wohl ums Herz. Ihr Sohn ist, als er bei einem der zahlreichen Stromausfälle wegen der russischen Luftangriffe durch ein Gebäude im nahen Kiew irrte, in einen Aufzugsschacht gestürzt, hat sich das Bein mehrfach gebrochen. Und ihr Mann, der seit Beginn des russischen Komplettangriffs auf die Ukraine im Februar 2022 stets an vorderster Front kämpft, kann selbst über die Weihnachtsfeiertage nicht nach Hause kommen.

Tanja Rybakova hilft beim Ausladen der Wichtelpakete in Butscha.

Hilft beim Ausladen der Wichtelpakete in Butscha: Tanja Rybakova.

Tanja Rybakova, die bereits mehrfach Schülergruppen zu Partnerschaftsbesuchen nach Bergisch Gladbach begleitet hat, ist niemand, der leicht den Kopf hängen lässt. Sie flüchtete mit ihren beiden Kindern alleine nach Potsdam, kehrte dann nach Butscha zurück, um ihren Mann wenigstens ab und an bei Fronturlauben sehen zu können, und baute das von den russischen Besatzern verwüstete Haus wieder auf. Aber dieses Weihnachtsfest ist auch für Tanja Rybakova eine Herausforderung.

„Wenn meine Mutter kommt und bei Tolik und Maria bleibt, werde ich sehen, dass ich wenigstens kurz zu meinem Mann nach Kramatorsk fahre“, sagt sie kurz vor Heiligabend. „Sie haben jetzt die Zufahrtstraßen mit Netzen überspannt – gegen die Drohnen. Die können zwar auch darunter fliegen, aber ohne Netze hätte man gar keine Chance“, sagt sie.

Nach Heiligabend reißt der Kontakt zu Tanja Rybakova ab, ob sie die Stellung ihres Mannes im Osten der Ukraine sicher erreicht hat, lässt sich nicht sagen. Viele Bergisch Gladbacher sind übers Weihnachtsfest mit ihren Gedanken bei ihr und den anderen Freunden in Butscha. (wg)