Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

PortraitZwischen Schulheften und Süßigkeiten

Lesezeit 4 Minuten

Peter Reintges in seinem Schreibwarenladen

Bergisch Gladbach – "Das Wichtige ist, dass die Kinder selbst entscheiden können, wofür sie ihr Geld ausgeben." Peter Reintges schaut über die Theke seines winzig kleinen Schreibwarenladens in der Straße im Grafeld im Gladbacher Stadtteil Hand. Sein Blick gleitet über Stifte, Tintenkiller, Sammelkarten und bleibt an der Box mit den Süßigkeiten hängen. Gummibärchen für fünf Cent, Lutscher für 30 Cent, knallblaue Schlümpfe und saure Schnüren - für einen Euro gibt es eine Wundertüte mit allem, was das Leckermäulchen begehrt. Noch - denn Ende des Jahres wird Reintges nach über 60 Jahren das Geschäft, das sein Vater Peter 1948 gegenüber der Hander Schule gründete, schließen. "Ich hätte vieles renovieren müssen und da ich keine Nachfolger habe, wird das ganze Haus abgerissen", erzählt er.

Dabei klingt in seiner Stimme kein Bedauern mit, sondern eher die Freude, "mehr Zeit für meine Hobbys zu haben." Denn der kleine Raum beherbergt nicht nur Schreibwaren, Zeitschriften und Tabakwaren - auch unzählige Postkarten, zum Teil aus längst vergangener Zeit und Silbermünzen, die in Peter Reintges´ Sammlungen doppelt vorhanden sind, warten auf Käufer. "Und das ist nur ein kleiner Teil, ich sammele nämlich auch noch Uhren, klerikale Bronzeplastiken und alte Bücher", zählt der 66-Jährige mit leuchtenden Augen auf, was ihn nach Geschäftsschluss bewegt.

Gelernt hat Peter Reintges 1960 das Friseurhandwerk. Seine Mutter Annemie führte einen Salon neben dem Schreibwarengeschäft in Hand. So war die Aufgabenaufteilung: Die Mutter leitete den Salon, der Vater das Schreibwarengeschäft. Reintges ging zwar beim Frisör Toni Büchel in die Lehre - aber arbeitete seit 1963 zunächst als Angestellter im Schreibwarengeschäft. "Mein Vater starb recht jung und so bin ich dann eingestiegen. Erst nach dem Tod meiner Mutter 1999 habe ich alles übernommen." Auch der Salon wird zum Jahresende geschlossen, erzählt Reintges.

Zwischen Schulheften und Linealen, Sammelkarten und Spielzeug fühlt sich Reintges sichtlich wohl. Er nimmt sich Zeit, wenn Kinder in den Laden kommen und außer Schulsachen natürlich noch ein paar Süßigkeiten kaufen wollen. Geduldig berät er seine kleinen Kunden, die erst genau nachfragen, was sich hinter den bunten Papierchen und Weingummis verbirgt, bevor sie ihre Kaufentscheidung treffen. Auch was gerade bei den Kinder angesagt ist, weiß der Junggeselle: "Ich hätte nie gedacht, dass die Magic-Bilder über so lange Zeit so gefragt sein werden." Aber längst nicht alles, was Vertreter als neuen Trend anpreisen, findet auch wirklich Käufer: seltsame Krabbeltiere in Knallfarben, die man über die USB-Schnittstelle anschließen kann, liegen unbeachtet in einem Karton. Dafür sind derzeit Schulsachen ziemlich gefragt. "Die Eltern geben mir meist die Listen, die sie von der Schule bekommen und ich stelle es zusammen. Nur Schulranzen verkaufe ich nicht mehr, da gibt es jedes Jahr neue Modelle, das lohnt sich für mich nicht", erklärt er.

Dass dieses Schuljahr das letzte sein wird, in dem sie ihre Bestellungen bei Peter Reintges aufgeben können, macht seine Kunden schon traurig. "Ich hatte zwar Anfragen von Leuten, die das Geschäft übernehmen wollten, aber die wollten alle Millionär werden und das kann man hier nicht", schmunzelt Reintges über derartige Fehleinschätzungen. Ihm ist es nie ums Reichwerden gegangen. "Ich habe meine Hobbys. Zum Beispiel bin ich 30 Jahre Kassierer bei den Hander Schützen gewesen, bin heute deren Ehrenkassierer", berichtet er stolz. Er freut sich darauf, mehr Zeit für Flohmarktbesuche zu haben, "in Belgien findet man immer noch viele schöne Sachen."

Ordentlich sortiert und in Ordnern aufbewahrt, werden seine Sammlungen mit umziehen. Erst geht es für eine Übergangszeit in eine Wohnung. Nicht nur die Geschäfte (Frisör-Salon und Schreibwarengeschäft) schließen, sondern der gesamte Wohnkomplex wird abgerissen. Neue Häuser sind auf dem Gelände geplant. In eines davon möchte der Pensionär einziehen. Wie viele Kartons er für den Umzug braucht wird, hat er aber noch nicht überschlagen. "Es werden wohl etliche."