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Rock’n’RollDie Akrobaten unter den Tänzern

Lesezeit 5 Minuten

Hebefiguren gehören dazu: Auch beim Training geht es schon mal hoch in die Luft. Fitness ist für diesen Tanz Voraussetzung.

Bergisch Gladbach – Heike und Thomas Berzbach läuft der Schweiß von der Stirn. Doch auf ihren Lippen liegt ein zufriedenes Lächeln. Gerade hat das Ehepaar sein wöchentliches Rock’n’Roll-Training in den Räumen der Turnerschaft (TS) 79 am Langemarckweg kurz unterbrochen. Die Musik läuft dennoch weiter. Denn die übrigen Paare in der Halle haben einen anderen Trainingsablauf. Angefangen hat alles vor einem knappen Jahr. Damals erkundigte sich Thomas Berzbach beim TS 79 nach einer Vereinigung, in der seine Frau und er ihre Rock’n’Roll-Kenntnisse ausbauen könnten. Er musste nicht lange suchen. Seit 1989 verfügt die Turnerschaft mit den „Turbo Dancers“ über eine eigene Rock’n’Roll-Abteilung.

„Wir sind einfach vorbeigekommen und wurden direkt sehr nett aufgenommen“, erinnert sich Berzbach an das erste Training. Vor allem mit Trainer Detlef Lebowski sind die beiden sehr zufrieden. „Er gibt uns immer wieder Tipps, wie wir noch besser werden können“, sagt Berzbach. Aber die Mitglieder helfen sich auch untereinander. Das Besondere an der Abteilung ist, dass hier Leistungssportler und Breitensportler gemeinsam trainieren. „Manchmal gucken wir den Profis auch einfach nur beim Training zu“, sagt Heike Berzbach. Das sei nicht nur spannend, man könne sich hin und wieder auch den ein oder anderen Trick abgucken. Julia Butterweck (23) und Philipp Wolf (22) gehören zu den Profis. Die beiden Studierenden der Sporthochschule in Köln haben erst vor wenigen Wochen bei der Landesmeisterschaft im Rock’n’Roll und Boogie-Woogie in Nordrhein-Westfalen den Sieg in der B-Klasse, der zweithöchsten Tanzklasse im Rock’n’Roll, errungen. Insgesamt traten bei der Meisterschaft 70 Tanzpaare an.

Für diesen Erfolg müssen Butterweck und Wolf aber auch Opfer bringen. „Wir haben wenig Freizeit“, sagt Wolf, der seit seinem fünften Lebensjahr Rock’n’Roll tanzt und zur Jugendnationalmannschaft gehörte – inzwischen trainiert er die Sechs- bis Zwölfjährigen und der Zwölf- bis 17-jährigen. Sein eigenes Training mit seiner Partnerin nimmt – je nach Bedarf – drei bis vier Wochentage in Anspruch. Trainiert wird in der Regel zwei bis drei Stunden, manchmal auch ohne Pause.Hinzu kommen auswärtige Turniere, wie etwa die nordrhein-westfälische Landesmeisterschaft in Dortmund. „Im Jahr sind das rund zehn Termine“, sagt Wolf. Der 22-Jährige ist diese Abläufe seit seiner Kindheit gewohnt, für Julia Butterweck sind sie noch nicht ganz so vertraut. „Ich tanze erst seit rund drei Jahren Rock’n’Roll“, erzählt die 23-Jährige. Von ihrem vierten bis zum 16. Lebensjahr hat Butterweck jedoch geturnt. Viele Erfahrungen, die sie in dieser Zeit sammeln konnte, kommen ihr jetzt zugute, wenn Tanz mit Akrobatik verbunden wird. „Vor allem in der B-Klasse, in der Philipp und ich derzeit noch tanzen, wird sehr viel Wert auf die Akrobatikelemente gelegt“, berichtet Butterweck. In der kommenden Saison wollen Wolf und Butterweck ihr Glück dann in der höchsten Tanzklasse, der A-Klasse, versuchen. Außerdem hoffen sie auf eine gute Platzierung bei der Deutschen Meisterschaft, die Ende Juni stattfindet. Bis dahin feilen sie weiter an ihren Choreografien, die sie sich, genauso wie die anderen Tanzpaare, selbst überlegen und erarbeiten.

Unterstützung bekommen sie dabei von Trainer Detlef Lebowski. Er ist seit den Anfängen der „Turbo Dancers“ fester Bestandteil der Abteilung. Für seine 25-jährige Arbeit als Wertungsrichter und Turnierleiter erhielt Lebowski erst vor kurzem die goldene Ehrennadel des Deutschen Rock’n’Roll- und Boogie-Woogie-Verbands (DRBV). Trotz dieses Erfolges und den zahlreichen Auszeichnungen seiner Schülerinnen und Schüler ist Lebowski bescheiden geblieben. „Als Trainer ist es meine Aufgabe, die Tänzer auf Schwachstellen in ihren Choreografien hinzuweisen“, sagt er. Das macht Lebowski zum Teil in Einzel-, zum Teil in Paargesprächen. Seine Erfahrungen sind vielfältig. Vor seiner Tätigkeit als Trainer war er von 1983 bis 1991 selbst als Tänzer aktiv. In den ersten Jahren nach der Gründung der Abteilung teilte sich Lebowski die Betreuung der Nachwuchs-Tänzer mit Guy Burke. Dieser verließ die „Turbo Dancers“ allerdings 1996. Seitdem kümmert sich Lebowski allein um die rund 40 aktiven Mitglieder. Einige von ihnen nehmen sogar Anfahrten von über einer Stunde in Kauf, um gemeinsam mit ihm zu trainieren. So kommt eine Tänzerin zum Beispiel jede Woche mehrmals aus Recklinghausen, einer ihrer Kollegen aus Koblenz. Die Mitglieder loben immer wieder den Zusammenhalt innerhalb der Gruppe. Denn auch wenn die Paare meistens zu zweit trainieren, so sind die „Turbo Dancers“ doch ein Team, das auch außerhalb der Turnhalle häufig etwas zusammen unternimmt. Diese positive Atmosphäre gefällt auch Andrea Klein (38) und Bernd Winkelmann (49). Der Projekt-Ingenieur hat die Rock’n’Roll-Abteilung Ende der 80er Jahre mit aufgebaut. Mittlerweile betreibt der ehemalige Leistungssportler das Tanzen nur noch als Hobby. Andrea Klein hat elf Jahre lang jede Woche mehrmals trainiert, um möglichst gute Platzierungen bei großen Turnieren zu erreichen. Heute genießen es die beiden Bergisch Gladbacher, die seit 2008 gemeinsam tanzen, ihrer Leidenschaft ohne Druck nachgehen zu können.

Ganz konnten sie sich aber noch nicht von den Wettbewerben verabschieden. „Wir tanzen jetzt in der sogenannten »Oldie-Klasse«“, sagt Winkelmann. In der „Oldie-Klasse“, die einmalig in Nordrhein-Westfalen ist, tanzen nur Rock’n’Roller über 30 Jahre. „Wenn wir uns dann alle bei einem Wettbewerb treffen, gleicht das mehr einem Familientreffen als einem Turnier“, sagt Klein. Aber auch bei diesen familiären Treffen gibt es am Ende eine Wertung. Winkelmann und Klein konnten sich bisher schon 13-mal den ersten Platz sichern. „Der richtige Tanzpartner ist ein entscheidender Faktor“, sagt Winkelmann. „Bei uns passt es wahrscheinlich deshalb so gut, weil wir beide noch nach der alten Schule tanzen.“ Aber bis man den richtigen Tanzpartner gefunden hat, kann es manchmal eine Weile dauern: Männliche Tanzpartner sind dünn gesät. „Deshalb sind Männer bei uns herzlich willkommen“, sagt Trainer Detlef Lebowski. Auch einzelne Frauen und Paare sowie Kinder und Jugendliche können jederzeit ein Probetraining absolvieren. www.turbo-dancers.de