Stadtrat Bergisch GladbachDie Ampelkoalition organisiert den Machtwechsel

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Die erste Sitzung des neuen Bergisch Gladbacher Rates unter Corona-Bedingungen

Bergisch Gladbach – Wenn es so etwas wie eine passende Begleitmusik für die konstituierende Gladbacher Ratssitzung gegeben hätte, wäre die Wahl klar: „The winner takes it all“, der Gewinner bekommt alles. Der Pophit aus den 80er Jahren hätte perfekt zu dem Abstimmungsmarathon gepasst.

Ausschuss für Ausschuss, Beteiligung für Beteiligung wurde vom neuen Rat neu besetzt. Und die Dreier-Koalition aus Grüne, SPD und FDP zeigte, dass sie hervorragend vorbereitet war und absolut entschlossen, die Machtverhältnisse in Bergisch Gladbach entsprechend dem Wahlergebnis gründlich zu ändern.

CDU als stärkste Fraktion machtlos

Die CDU, zwar immer noch stärkste Fraktion, musste miterleben, wie sie konstant von der Listenverbindung überstimmt wurde. Die kleineren Parteien - AfD, Freie Wähler und Bürgerpartei GL – spielten ebenfalls keine Rolle.

Die wichtigste Weichstellung war die Neuorganisation der Verwaltung mit drei Beigeordneten. Bislang sind es zwei. Die Koalition hatte schon im Oktober 2019 entschieden, dass im Falle eines Wahlerfolges jede der Parteien einen Wahlbeamten vorschlagen solle.

Auch der sozialdemokratische Bürgermeister ist ein Wahlbeamter – und damit ist die SPD mit Frank Stein bedient. Grüne und FDP dagegen sind nicht vertreten. Das soll sich ändern. Das Ausschreibungsverfahren wurde eingeleitet: Mit den Stimmen der Koalition und der Bürgerpartei, gegen die Stimmen der CDU und AfD und bei der Enthaltung der Freien Wähler.

Hilfen für Gastronomen in der Corona-Krise

Gastronomen, die mit ihren Tischen in den öffentlichen Raum gehen, werden dafür bis Ende 2021 keinen Gebühren zahlen müssen. Der neue Rat verlängerte diese Regelung der Sondernutzungsgebühren über das Jahresende hinaus. Es war eine einstimmige Entscheidung.

Der neue Rat bekannte sich an vielen Stellen dazu, die Auswirkungen der Corona-Pandemie für die Betroffenen zu mildern, wo es möglich ist. Bürgermeister Stein kündigte an, die Grundsteuer B in 2021 zu senken. Der Haushalt – er wird derzeit erarbeitet – gebe das her. Allerdings nur als einmalige Aktion.

2022, mit dem hoffentlichen Ende der Pandemie, müsse man wieder in die alte Spur zurückfinden. „Jetzt geht es aber darum, den Menschen zu helfen“, so Stein. Und mit der Senkung der Grundsteuer B würden breite Bevölkerungsschichten entlastet. (nie)

Zu teuer und überflüssig hatte zuvor CDU-Fraktionschef Michael Metten den dritten Beigeordneten bezeichnet. Die Entscheidung sei nicht sachlich begründet, sondern ausschließlich mit dem Personalwünschen der Koalition. Auch die AfD argumentierte so. Maik Außendorf von den Grünen hielt dagegen. Frisches Personal sei für eine neue frische Politik notwendig, insbesondere beim Thema Verkehr.

Der Stadtbaurat verliert womöglich Kompetenzen

Allerdings ist die Neuorganisation bei den Beigeordneten auch mit neuen Zuschnitten bei den Fachbereichen verbunden. Der letzte verbliebene CDU-Wahlbeamte, Stadtbaurat Flügge, muss damit rechnen, Kompetenzen abzugeben. Auch andere Fachbereichsleiter sind von der Neuorganisation betroffen.

Das Gesamtbild der Neuverteilung steht zwar noch nicht fest, aber Stein hatte mehrfach in der Vergangenheit angekündigt bestehende Strukturen zu verändern. Auch bei den Wahlen zu den stellvertretenden Bürgermeistern zeigte die Koalition ihre Stärke.

Nicht die stärkste Fraktion, wie in den vergangen Jahren, sondern eben die Kandidatin der Koalition, Annamaria Scheerer von den Grünen, wurde erste stellvertretende Bürgermeisterin, Josef Willnecker (CDU) zweiter, Michael Zalfen (SPD) wurde als dritter Stellvertreter gewählt.

Angesichts der Mehrheitsverhältnisse musste bei etlichen Ausschüssen mit fixer Mitgliederzahl gelost werden, welche von den kleineren Parteien mit Stimmrecht, welche mit beratender Stimme vertreten sein werden. Bürgermeister Stein übernahm die Rolle der Losfee.

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Er hatte in seiner kurzen Antrittsrede alle Fraktionen zu einer gemeinsamen, konstruktiven Arbeit aufgefordert. „Lassen sie uns das Gemeinsame suchen und das Trennende überwinden.“ Stein wagte den Blick über den Atlantik, wo vorgeführt werde, wie eine politische Kultur der Trennung herrsche. Er bekam Applaus von allen Fraktionen.

Später ließ es sich der Fraktionsvorsitzende der AfD, Fabian Schütz, nicht nehmen, bei Stein nachzufragen. Denn in dem Koalitionsvertrag, den auch der Bürgermeister unterschrieben hat, wird eine Zusammenarbeit mit der AfD und der Bürgerpartei GL kategorisch ausgeschlossen. „Heißt das, sie als Bürgermeister wollen nicht mit uns zusammenarbeiten?“, fragte Schütz.

Stein erklärte seinen Spagat. Als Bürgermeister werde er „selbstverständlich“ alle Fraktionen gleich behandeln. Auch die AfD und die Bürgerpartei. Als politisch Aktiver schließe er die Zusammenarbeit mit diesen Fraktionen aus. Bei der Bürgerpartei GL ist noch nicht geklärt, ob es bei Mitgliederversammlungen im Vorfeld zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Spätestens bis zum Ende des Monates soll dies nach Vortrag der Verwaltung geklärt sein.

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