Treffen in Bergisch GladbachSchlangenmenschen aus aller Welt

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Bergisch Gladbach – Manchmal nimmt sie ihre Beine in die Hand, legt die Füße in den Nacken oder trägt den Kopf unter dem Arm. Bei Zlata scheinen die starren Gesetzmäßigkeiten von Anatomie und Schwerkraft aufgehoben. Fast meint man, bei der 28-jährigen seien Knochen, Muskeln und Bänder durch eine Kautschukmasse ersetzt, die Bewegungen zulässt, die der normale Mensch nur aus Brehms Tierleben kennt. Zlata gilt derzeit als beste Kontorsionistin, als biegsamster Schlangenmensch weltweit.
Doch was so elegant und fließend wirkt, ist in Wahrheit Schwerstarbeit. „Es ist Hochleistungssport“, sagt die 28-Jährige, die in Russland geboren wurde und heute in Leipzig lebt. „Es ist die schwierigste Akrobatik, die es gibt.“ Es erfordere totale Körperkontrolle, höchste Flexibilität und Koordination, um trotz unübersichtlich verknoteter Körperteile die Pose zu halten und dabei noch entspannt zu lächeln.
Beim International Contortion Convention 2013, dem Kongress der Schlangenmenschen aus aller Welt im Bergischen Löwen, ist Zlata einer der Stars. Im hautengen smaragdgrünen Glitzerdress zeigt die Schlangenfrau ihre Kunst, die jeden Untrainierten unverzüglich auf den Behandlungstisch eines Orthopäden zwingen würde.
Schon als sie vier Jahre alt war, wurde ihr Talent entdeckt. „Im Kindergarten fiel auf, dass ich die Brücke besser turnte als andere Kinder, einfach beweglicher war.“ Das hatte unter anderem eine angeborene medizinische Ursache: Der Gallertkern ihrer Bandscheiben, der wie ein Wasserkissen die Druckunterschiede der Wirbel ausgleicht, ist dicker als bei anderen Menschen, ihre Wirbelsäule dadurch so elastisch wie bei einem Baby.
Beweglichkeit allein reiche aber nicht für ihren Job im Showgeschäft, den sie professionell betreibe, sagt sie, während sie sich aufwärmt – weich macht, wie die Schlangenmenschen sagen. Schon als Kind trainierte sie in einer Zirkusschule und lernte dort alle Tricks: „Man muss die Posen beherrschen, wissen, wie man sich bewegt und atmet, damit alles elegant aussieht.“ Aber auch ihr Körper kenne Grenzen, sei keine Maschine. Nach anstrengenden Darbietungen rinnt der Schweiß über das perfekt geschminkte Gesicht, und auch ein Muskelkater ist nichts Ungewöhnliches.
Den hatte auch Horst Frindt immer wieder, der Altstar unter den Kontorsionisten. Drei Tage lang berichtet der 78-Jährige über seine Karriere, die ihn in den 50er, 60er und 70er Jahren rund um die Welt führte. Von der sah er aber immer erst nach den Auftritten etwas, denn auf die Showbühne wurde der Künstler stets in einer kleinen Kiste getragen, deren Format nicht das überschritt, was heute jeder Paketdienst an der Haustüre abgibt. „Da lag ich dann drin, ein Bein hinter dem Kopf, das andere angewinkelt, die Arme verschlungen“, erklärt Frindt und deutet die damalige Verwringung vorsichtig an.
Heute – nach mehreren Operationen – möchte er nicht noch einmal in eine solche Lage geraten. „Mensch oder Puppe“ hieß die Erfolgsshow des Morlidor Trios, mit dem Frindt unter anderem in Las Vegas begeisterte. Aufgewachsen in einer Artistenfamilie, blieb ihm damals kaum eine andere Wahl, als auch in diesen Knochenjob einzusteigen. Eigentlich wäre der zierliche Mann lieber Vermessungstechniker geworden. Stattdessen machte ihn der Vater weich – auf die harte Tour. „Ich musste den Spagat auf zwei Stühlen üben, die immer weiter auseinander gezogen wurden. Am Ende hängt man durch, das tut schon weh.“ Aber damals sei das noch ein goldener Beruf gewesen, und „unsere Nummer war schwer gefragt“. Von der Sechs-Minuten- Show habe er 31 Jahre lang gut leben können. Nur sein Gewicht musste er halten: „53 Kilo habe ich damals gewogen, und es hätte nicht mehr sein dürfen, weil ich sonst nicht mehr in die Kiste gepasst hätte.“
Für viele Teilnehmer sei es das allergrößte, endlich einmal Horst Frindt zu begegnen, sagt Ska von Schöning, die den Kongress, der im vergangenen Jahr noch in Las Vegas stattfand, nach Bergisch Gladbach holte. Manche seien erst durch Frindt zu Liebhabern der Kontorsion geworden. „Wir haben lange nach ihm gesucht“, sagt die Showproduzentin und Sportakrobatin, die auch Schlangenmenschen trainiert. Warum die Suche nach ihm so schwierig war, weiß sich Frindt auch nicht zu erklären. In einer Kiste habe er jedenfalls nicht gesteckt.