Führerschein in Rhein-BergSchummeln bei der Theorie-Prüfung – Mitarbeiter bedroht

Tüv-Mitarbeiter Markus Hupperten zeigt einen Minisender, über den die Prüfungsteilnehmer sich die Antworten einflüstern lassen.
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Rhein-Berg – Die Mitarbeiter der Tüv-Prüfstelle am Lerbacher Weg fühlen sich an ihrem Arbeitsplatz nicht mehr sicher. Immer häufiger werden sie verbal angegriffen, ihnen wird aber auch unverhohlen mit körperlicher Gewalt gedroht.
Mehrmals schon mussten Mitarbeiter in Konfliktsituationen ihre Kollegen hinzurufen. Meist geht es um den theoretischen Teil der Führerscheinprüfung. Einige Bürger fühlen sich offenbar in ihrer Ehre verletzt, wenn sie durchfallen. Andere werden bei Täuschungsversuchen erwischt.
Letztere machen den Tüv-Prüfern am meisten zu schaffen. Es ist nicht nur der Umgang mit der Klientel, sondern auch die Gewissheit, dass viele Führerscheinneulinge mit unzureichenden theoretischen Kenntnissen auf die Straßen entlassen werden.
Wolfgang Partz, Pressesprecher Mobilität und Verkehr: „Diese Personen bewegen sich im Straßenverkehr. Wir sehen dies als Gefährdung für alle Verkehrsteilnehmer an.“
Antworten über Minisender
Im Bundesgebiet absolvieren pro Jahr rund 1,6 Millionen Führerscheinbewerber die in Theorieprüfung. Bundesweit werden 1600 Führerscheinbewerber pro Jahr bei einem Täuschungsversuch überführt, im Rheinisch-Bergischen Kreis sind es zehn Prüflinge.
Über die Dunkelziffer kann der Tüv keine Angaben machen. Es ist aber anzunehmen, dass die Zahl der Betrugsversuche um ein Vielfaches über der der aufgedeckten Taten liegt. „In der Region Köln und im gesamten Umland haben wir rund 45.000 Prüfungen pro Jahr mit 44 aufgedeckten Täuschungsversuchen“, sagt Markus Hupperten, Tüv Rheinland-Regionalleiter für Köln und Gummersbach.
Die Prüflinge werden von skrupellosen Kriminellen mit Minikameras ausgestattet. Während der Führerscheinprüfung fotografieren oder filmen die Probanden den Bildschirm ab und senden die Fotos über ein Handy oder per W-Lan an Personen außerhalb des Gebäudes. Dort werden die Fragen bearbeitet und der Prüflinge bekommt die richtigen Antworten über winzige Empfänger übermittelt.
Diese Empfänger sitzen tief im Gehörgang, unsichtbar für die Prüfer. Es wird gemunkelt, dass die Führerscheinkandidaten 500 bis 1600 Euro für eine auf diese Weise erschlichene Prüfung zahlen. „Rechtlich gesehen ist ein solches Vorgehen kein Betrug“, sagt Arne Böhne, Leiter des Bereichs Führerschein beim Tüv Rheinland. Es entstehe keine Vermögensschaden und die Prüfgebühr sei ja entrichtet worden. Der Gesetzgeber tue sich schwer, Abhilfe zu schaffen oder zumindest das Vergehen als Ordnungswidrigkeit einzustufen.
Anders als bei der Masche mit Kamera und Sender sieht es bei Stellvertreterprüfungen aus. Prüflinge stellen sich mit einer falschen Identität vor, um für andere die Prüfung anzulegen. Der Gesetzgeber sieht in solchen Fällen Geld- oder Freiheitsstrafen vor. Bis zu zwei Jahren Haft kann ein Gericht verhängen. „Grundsätzlich sollten alle, die versuchen, die elementaren Regeln des Führerscheinerwerbs zu umgehen, sich einer Eignungsuntersuchung unterziehen müssen“, findet Partz. Die charakterliche Eignung scheine zumindest fraglich.
Oft sei es in der Vergangenheit zu sprachlichen Problemen bei den Tests gekommen. Aus diesem Grund bietet der Tüv die Theorie-Prüfung mittlerweile in zwölf verschiedenen Sprachen an. „Seit Herbst 2016 haben wir die theoretischen Prüfungen sogar in Hocharabisch auf unseren Computern“, erklärt Hupperten. Geholfen habe dies allerdings nicht. Die Täuschungsversuche seien nicht weniger geworden. An Sprachproblemen könne es also nicht liegen.
Das Landesverkehrsministerium NRW hat bereits im Juni 2015 an die Bezirksregierungen, Fahrerlaubnisbehörden und Prüfstellen in NRW einen Erlass herausgegeben, der über Maßnahmen bei schwerwiegenden Täuschungshandlungen informiert.
Beweislage ist schwierig
„Darin ist geregelt, dass im Falle eines Täuschungsversuchs zur Klärung von Eignungszweifeln eine MPU (medizinisch-psychologische Untersuchung) angeordnet wird“, teilt eine Sprecher des Ministeriums mit. Es sei in Frage zu stellen, ob der Führerscheinbewerber überhaupt in der Lage wäre, die Theorieprüfung zu bestehen.
Die Fahrerlaubnisbehörde ordne für die Wiederholungsprüfung in der Regel eine Einzelprüfung an. Die Sperrfrist für diese Prüfung betrage mindestens sechs Wochen. Im Klartext: In der Regel hat der „Täuscher“ nach sechs Wochen einen weiteren Versuch, die theoretische Prüfung zu absolvieren. Die Tüv-Mitarbeiter finden dies „wenig abschreckend“.
Im Rheinisch-Bergischen Kreis erhalten überführte „Täuscher“ eine Sperrfrist von bis zu sechs Monaten, bevor sie die Prüfung erneut ablegen können. „Von den zehn Täuschungsversuchen sind fünf in der aktuellen Bearbeitung“, sagt Kreissprecher Alexander Schiele. Allerdings kann keiner der Prüflinge mit einer MPU belegt werden. Schiele: „Wir können die Täuschungsversuche nicht beweisen.
Die Prüflinge brechen die Prüfung ab und machen sich aus dem Staub, wenn sie erwischt werden.“ Man habe dann nur den Namen und könne nur die Sperrfrist aussprechen. Dieses Problem kennen auch die Tüv-Prüfer. Partz: „Wir können ja keine Gewalt anwenden, um die Menschen festzuhalten.“