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Kriegsende in Rhein-BergAmerikaner befreiten vor 70 Jahren das Kriegsgefangenenlager Hoffnungsthal

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Rhein-Berg – „Genau um vier Uhr am Nachmittag war für uns die Stunde Null gekommen“, erinnerte sich Theo Felten, wie er am 13. April 1945 eine Bohnenstange in die Erde neben seiner Behelfsbaracke in Vilshofen bei Overath-Marialinden rammte und daran die weiße Fahne hisste. „Oben an der Chaussee klatschten sie Beifall.“ Kurz zuvor hätte man fürs Hissen dieser Kapitulationsbekundung noch erschossen werden können. Jetzt rollten Jeeps mit grüßenden amerikanischen Soldaten daran vorbei. Sie kamen aus dem Naafbachtal, das sie bereits am Vortag, am Sonntag vor 70 Jahren, eingenommen hatten.

Gefühl der Erleichterung

Niederlage oder Befreiung? Während die „Stunde Null“ manchen Deutschen vor diese Frage stellte, gab es für 1500 Menschen, die die amerikanischen Truppen bereits am 12. April am Rand der damaligen Gemeinde Rösrath erreichten, nur das Gefühl der Erleichterung. Sofern sie dazu noch in der Lage waren. Unterernährt, verlaust und größtenteils komplett entkräftet fanden die US-Truppen die Kriegsgefangenen im „Lager Hoffnungsthal“ vor, das sich auf dem Gelände des heutigen Kinder- und Jugenddorfes Stephansheide in Rösrath-Kalmusweiher befand.

Im Kriegsjahr 1940 war das Lager eingerichtet worden. In den Gebäuden befand sich zuvor ein Straflager der Streitkräfte im nationalsozialistischen Deutschland als Arbeitskommando für den Truppenübungsplatz in der benachbarten Wahner Heide. Kurz nach Beginn von Adolf Hitlers Westfeldzug wurden in den eigentlich für 600 Personen ausgelegten Baracken 800 französische Kriegsgefangene interniert, ein Jahr später wurden sie von 1200 polnischen Kriegsgefangenen „abgelöst“, die bis Mitte 1944 blieben. Einige von ihnen sind später noch einmal zurückgekehrt und haben Mitarbeitern des Rösrather Geschichtsvereins eindringlich die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Lager beschrieben: Nach bis zu 16-stündigem Arbeitseinsatz beim Grabenziehen auf dem Truppenübungsplatz habe es oft nur zwei Scheiben Kommissbrot und eine Wassersuppe gegeben, erinnerte sich etwa Stanislaw Krzyzaniak: „Das war zu wenig, um zu leben, aber auch zu viel, um zu sterben.“

Die Verhältnisse dürften sich noch verschlechtert haben, als ab Herbst 1944 vorwiegend russische Kriegsgefangene ins Lager gebracht wurden. Dutzende starben an Entkräftung oder Krankheiten, die sich epidemieartig unter den Inhaftierten ausbreiteten. Die amerikanischen Truppen fanden im April 1945 vor der vier bis fünf Meter hohen Lagerumzäunung zahlreiche Massengräber. Die sterblichen Überreste der darin Verscharrten wurden in einer Ehrenanlage direkt neben dem Lagergelände bestattet, manche später auf andere Friedhöfe umgebettet. „Unbekannter russischer Soldat“ steht auf den meisten der 112 heute noch erhaltenen Grabsteine. Unter den 1500 Kriegsgefangenen, denen die GIs die Lagertore öffneten, waren 187 Amerikaner, die von der näher rückenden Front hierher gebracht worden waren oder mit ihren Militärflugzeugen im Rechtsrheinischen abgeschossen worden waren und sich mit dem Fallschirm hatten retten können.

Nachdem amerikanische Truppen bereits am 7. März in Remagen über den Rhein vorgedrungen waren, hatte um große Teile des Rechtsrheinischen noch ein erbitterter Kampf begonnen. Das Bergische Land lag bald darauf im sogenannten „Ruhrkessel“, einem Gebiet vom Ruhrgebiet bis zur Sieg, das die amerikanischen Truppen ab dem 1. April komplett eingekesselt hatten. Neben Einheimischen und Flüchtlingen befanden sich im „Kessel“ auch 300 000 deutsche Soldaten, die den Kampf teils noch erbittert fortsetzten. In Marialinden baute selbst am 12. April, als schon amerikanische Artilleriegeschosse im Ort einschlugen, noch eine „Hitlerjugend-Division“ Maschinengewehrstellungen um das Krankenhaus auf, wie sich der Arzt Dr. Erwin Bücken später erinnerte. Mit seiner Assistentin und Pastor Josef Herchenbach zog der Mediziner am Folgetag den Amerikanern mit weißer Fahne entgegen. Die HJ-Kämpfer schossen auf die Delegation, bevor sie das Weite suchten. Der Widerstand war gebrochen. Am selben Tag marschierten amerikanische Truppen in Rösrath, Overath, Bensberg und Bergisch Gladbach ein, wenige Tage später war der Ruhrkessel aufgelöst.

„Die Amis sind da“ – die Nachricht habe sich wie ein Lauffeuer verbreitet, erinnert sich der Marialindener Werner Pütz, der auch den Erinnerungsbericht von Theo Felten in einem Buch über Krieg und Nationalsozialismus im Bergischen Land veröffentlicht hat. An die Geschichte des Kriegsgefangenenlagers Hoffnungsthal erinnert Samstag unter anderem eine Gedenkausstellung des Rösrather Geschichtsvereins in Stephansheide. Geöffnet ist sie nach Terminvereinbarung unter (0 22 05) 8 46 36 (Anrufbeantworter).