Die Nerven liegen blankZerwürfnis im Kürtener Rathaus

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Kürtens Bürgermeister Willi Heider (parteilos)

Kürten – Der politische Haussegen hängt im beschaulichen Kürten mehr als schief. Zoff, Ärger, Streit: Seit dem Hauptausschuss am Mittwochabend ist nichts mehr, wie es war.

„Das Tischtuch ist zerschnitten“, meint Bürgermeister Willi Heider. Er wisse nicht, wie er mit der Ratskooperation aus CDU, Grünen und FDP weiter zusammenarbeite, sagte der parteilose Bürgermeister am Tag nach der Sitzung. Das ist in der Lokalpolitik ein ziemlich einmaliger Vorgang.

Im Ausschuss ringt Heider um Fassung

In der Sitzung selbst konnte Heider Emotionen nur mühsam unterdrücken, er rang sichtlich um Fassung. „Mit diesem öffentlichen Angriff hätte ich nie gerechnet“, sagte er gestern. Im Ausschuss schien es fast, als würde er seine Zukunft im Rathaus infrage stellen.  Er könne das „öffentliche Misstrauen“ der drei Fraktionen nicht nachvollziehen.

„Ich habe mich etwas in Rage geredet. Aber es  ist für mich gut, dass es mal gesagt wurde“, meinte der seit 2015 amtierende und 2020 von den Bürgern mit großer Mehrheit wiedergewählte Bürgermeister.  

Mehrheit beklagt "Entwicklungsstillstand"

Was war passiert? Im Hauptausschuss hatte CDU-Fraktionsvorsitzender Jochen Zähl für die Ratskooperation aus CDU, Grünen und FDP gesprochen. Die Gemeinde benötige wieder eine Beigeordnetenstelle, sagte Zähl, weil die Verwaltung seit Heiders Amtsantritt 2015 kaum ein Projekt habe realisieren können.

„Wir empfinden einen gefühlten Entwicklungsstillstand“, stellte er in Richtung Heiders fest. Auf der Positivliste seien nur das Gerätehaus Biesfeld und das Jugendzentrum K51 zu finden, beides erst nach sechs Jahren Arbeit fertiggestellt.

Mehrheit: "Negativliste ist lang"

„Die Negativliste ist dagegen sehr viel länger“, meinte Zähl. Für die Gerätehäuser in Olpe und Dürscheid seien nicht einmal Grundstücksfragen geklärt, Kataster zu Grünflächen und Straßen fehlten, dann der Sanierungsstau an den kommunalen Gebäuden, das Integrierte Handlungskonzept, der Ausbau des P&R-Platzes Spitze dümpele vor sich hin, eine Orga-Untersuchung habe nichts gebracht. Ein finanzielles Desaster bei der Gesamtschulplanung sei nur durch einen Antrag der Kooperation gestoppt worden.

 „Noch nie hat es bei uns so viele Bürgerbeschwerden gegeben wie aktuell“, sagte Zähl. „Es gibt kein Miteinander zwischen Verwaltung und Politik“, endete die Brandrede.

FDP fordert "Input von außen"

Kritische Töne schlug anschließend ebenfalls FDP-Fraktionsvorsitzender Mario Bredow an. Der Weggang von  Bauamtsleiter Sascha Bormann biete die Chance für eine Neustrukturierung. „Wir wollen Input von außen“ meinte der Liberale. „Es können sich aber auch gut ausgebildete Beamte aus dem Kürtener Rathaus bewerben“, animierte er Mitarbeitende aus der zweiten Reihe.

Heider wies alle Vorwürfe  entschieden zurück. Sämtliche Ideen der Verwaltung würden von der Kooperation abgeschmettert, meinte er. Erst habe es die Geflüchtetenkrise gegeben, dann Corona, jetzt den Ukraine-Krieg. Wie solle er seinen Mitarbeitern eigentlich erklären, was ihm heute vorgeworfen werde? Er wolle es ihnen persönlich sagen, ehe sie es aus der Zeitung erführen.

Freie Wähler sprechen von "persönlichen Befindlichlichkeiten"

„Dass sind persönliche Befindlichkeiten“, kommentierte  Werner Conrad (Freie Wähler) die Debatte. Was ein Beigeordneter der Gemeinde bringen soll, wisse er nicht. „Wir sind auch nicht zu einhundert Prozent mit dem Bürgermeister zufrieden, aber wir klären das im persönlichen Gespräch.“

Gesprächsbedarf sah auch Jürgen Schmidt (SPD), er lud die Kooperation ein, mit der SPD über den Zuschnitt der Beigeordnetenstelle zu sprechen. Die heftige Debatte überrasche ihn, meinte Sebastian Weirauch (AfD).

Mehrheit votiert für Beigeordnetenstelle

Die  Beschlüsse gerieten angesichts der hitzigen Diskussion fast in den Hintergrund. Mit Kooperationsmehrheit empfahl der Ausschuss dem Rat, die Beigeordnetenstelle einzurichten, Freie Wähler und SPD nahmen nicht teil an den Abstimmungen, ihnen fehlten noch Informationen. Der Bürgermeister stimmte als Einziger dagegen.

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Für die Leitung der Schulsanierung setzte die Kooperation eine um zwei Gehaltsstufen niedriger dotierte Stelle durch, gedacht als Ausgleich für die neuen Beigeordnetenstelle. „Da werden Sie niemanden finden, der für unter 100 000 Euro kommt“, kritisierte der Bürgermeister. Fahrlässig werde das Projekt gefährdet.

„Das ewige Zerreden“  gefährde letztlich sogar die Gespräche mit der Rewe-Gruppe, die in Kürten einen neuen Markt bauen wolle. „Hinterher steht Kürten ohne modernen Markt da“, mahnte Heider.

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