Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

GeschichteGründerin von Gut Hungenbach wäre jetzt 100 Jahre alt

5 min
Blick von Haus Varresbeck zum Haupthof

Blick von Haus Varresbeck auf den alten Haupthof, vor dem Brand.

Dr. Hildegard von Fragstein, Gründerin des Kulturgutes Hungenbach in Kürten, wäre am 14. Juli 2025 100 Jahre alt geworden

 Wanderer, kommst du nach Hungenbach in Kürten, fühlst du dich wie in einem Museumsdorf. Auf halber Höhe, entlang der Kommunalstraße nach Weier, findet sich der Eingang zum Landgut Hungenbach.

Der Blick fällt im Innenhof, nach dem Durchschreiten des großen Tores, direkt auf ein Ensemble historischer Gebäude, teils in Fachwerkmanier, teils aus Stein. Diesen Blick wird auch die große Dame von Hungenbach gehabt haben, Dr. Hildegard von Fragstein. An diesem Montag wäre sie 100 Jahre alt geworden.

Die Anlage ist weitläufig, verspielt und idyllisch mit ihren Wegen. Wenn das Licht durch die Bäume strahlt, grüßt Hungenbach als wunderbarer Flecken im Bergischen Land. Nach einigen Jahren als Hotel-Restaurant unter dem damaligen Gastronom Marcel Vlach dient Hungenbach nun als Ort für Hotelbetrieb, für Tagungen und Veranstaltungen.

Das Foto zeigt Haus Varresbeck mit seiner Einrichtung

Haus Varresbeck mit seiner historischen Einrichtung

Das Interesse auch der Kürtener ist stets groß, weil Hungenbach immer eine Zeitreise ins 18. und 19. Jahrhundert bedeutet. Jung-Stilling-Haus und Haus Varresbeck, beide bestimmend und eindrücklich, wirken aus der Zeit gefallen, und das mag auch so stimmen: Bis auf das Haupthaus mit seiner bis 1752 zurückreichenden Historie sind alle Gebäude seit den 1970er-Jahren aus dem Bergischen Land nach Hungenbach versetzt worden. Hungenbach war für die Häuser Rettung vor Vernichtung und Untergang.

Das Landgut Hungenbach , manche sagen auch Kulturgut, ist das Lebenswerk von Hildegard von Fragstein (1925-2019) und des befreundeten Architekten Hans Schwippert, er ist früh in den 1970-Jahren verstorben. Hungenbach ist zu ihrem gemeinsamen Vermächtnis geworden und ein herausragendes Kleinod für Kürten und das Bergische Land. 1977 wurde Hildegard von Fragstein für ihren Einsatz mit dem Rheinlandtaler ausgezeichnet.

Fachwerkhäuser prägen Hungenbach

Historisches Fachwerk prägt Hungenbach

Geboren wurde die spätere Bauherrin als Hildegard Stromberg. Die Burgsmüllerstraße im Düsseldorfer Stadtteil Grafenberg hat ihren Namen heute wie vor 100 Jahren beibehalten. Hier, im Mehrfamilienhaus mit der Hausnummer 54, lebte zu Anfang der 1920er Jahre Kaufmann Erich Stromberg mit seiner Familie, eine bevorzugte, noble Wohngegend. Im Einwohnerverzeichnis sind weitere Kaufleute als Mieter zu finden, auch ein Professor.

Wer einige Jahre zurückblättert im Adressbuch, findet auch Oberlehrer, Chefredakteur und Architekt. Hildegard Stromberg entschied sich als junge Frau, Medizin zu studieren, ihre Dissertation entstand 1955, eine Arbeit im Umfeld der Tuberkulose-Forschung. 1954 findet sich im Düsseldorfer Adressbuch zu ihrem Elternhaus Burgsmüllerstraße 54 der Eintrag „Stromberg, Hildegard, Ärztin“.

Das Foto zeigt das Restaurant, vor dem Brand

Blick in das Restaurant, vor dem Brand

Das Staatsexamen hatte sie 1949 nach einem Medizinstudium an der Universität Bonn abgelegt. Der Bogen in die Gegenwart fällt leicht. Denn nach wie vor findet sich im Haus Burgsmüllerstraße 54 eine Hausarztpraxis. Auch einige Jahre als Internistin an einem Düsseldorfer Krankenhaus folgten für Hildegard von Fragstein, es gab auch Jahre als Ärztin in der Schweiz.

Nichts deutet in dieser Zeit daraufhin, dass es eine Verbindung zu Kürten, zu Hungenbach geben würde. Kurze Zeit nur hielt die eheliche Verbindung zu Dr. Otfried von Fragstein. Nach der Scheidung fand die Ärztin den Weg in den Weiler Weier in Kürten. Er liegt recht idyllisch oberhalb von Hungenbach. Man kann fast auf den 1752 erbauten Hof hinunterschauen.

1967, so berichtet es die Autoren Rainer Stahlke und Werner Häck in den „Kürtener Schriften Heft 10“ (erschienen 2016), entdeckte von Fragstein die Liebe zu einem Fachwerkhaus in Weier, das sie über einige Jahre tatkräftig renovierte. Zwei Jahre später, 1969, stand zufällig der historische Bauernhof von Hungenbach zum Verkauf. Offenbar entstand in diesem Jahr die Vision, gemeinsam mit Hans Schwippert ein kleines Dorf historischer Gebäude zu schaffen.

Das Kutscherhaus aus Schildgen

Zunächst fand ein Kutscherhaus aus Odenthal-Schildgen (heute Bergisch Gladbach) den Weg nach Hungenbach. Es stand dem Straßenbau im Weg. Schwippert war es, der die Aufbauten detailliert aufmaß; Balken um Balken wanderte nach Hungenbach. Das Kutscherhaus steht am Eingang des historischen Ensembles, das Reetdach fällt unmittelbar in den Blick.

Damit war der Anfang gemacht, und manches andere fand wie von alleine den Weg nach Kürten. Ein Stallgebäude aus dem 18. Jahrhundert, früher unweit in Olpe zu finden, kam als zweites Gebäude auf das Gelände. Hungenbach wuchs schnell, drittes Objekt war die Futterkrippe aus Kürten-Biesenbach, mit einer Schreinerei im oberen Geschoss.

Ein berühmter Augenarzt

Historisch bedeutsam ist das Jung-Stilling-Haus aus Krähwinkerbrücke bei Hückeswagen. Es wäre gewiss beim Bau der großen Wuppertalsperre in den Fluten versunken. Als Mieter wohnte seinerzeit der berühmte Augenarzt Johann Heinrich Jung-Stilling im Anwesen. Dieser Jung-Stilling war locker mit Johann Wolfgang Goethe befreundet, und auf einer seiner Reisen ins Bergische Land könnte auch der Dichter sein Haupt im Jung-Stilling-Haus gebettet haben.

Die Kürtener Zimmerei Berger übernahm damals den Aufbau des translozierten Gebäudes. Mit nummerierten Balken gelang es, das Gebäude in seiner Originalform wieder aufzubauen. Das Haus prägt Hungenbach, und auch die zahlreichen Einrichtungsgegenstände mit mehr als 200-jähriger Vergangenheit lassen beim Betrachter Gedanken an einer Zeitreise aufkommen.

Neben dem Dichter des „Werthers“ soll auch wenige Jahre später zu Napoleons Zeiten Joachim Murat, Großherzog von Berg, auf Varresbeck residiert haben. Blaublütige Vergangenheit hat das Haus auf jeden Fall zu bieten. Zwei Jahrzehnte. So lange dauerte es, bis der Aufbau von Haus Varresbeck gelang.

Waffelessen mit der Gründerin

Im Jahr 2003 konnte Hildegard von Fragstein die Vollendung feiern. Das von Architekten als Sachsenhaus eingestufte Gebäude ist mächtig und wuchtig und bietet heute auch einen mediterran anmutenden Wellnessbereich.Modernste Tagungstechnik ist hier ebenfalls zu finden. Heute ist das Gelände für Tagungs- und Veranstaltungsteilnehmer sowie Hotelgäste geöffnet.

Früher, auch zu Zeiten von Hildegard von Fragstein, war es etwas anders. Das sanierte Hauptgebäude bot viele Jahre Platz für Familienfeste, Hochzeiten und andere Feiern. Kleinkunst kam von 1983 bis 1989 nach Hungenbach. Später war es die Hausherrin persönlich, die zum Waffelessen beim Tag der Offenen Tür einlud. Aus Altersgründen übernahm ab 2012 Pächter Marcel Vlach das Restaurant, zehn Tage nach der Eröffnung schockte ein Großbrand die Betreiber.

Heute Veranstaltungsort

Vom Haupthof konnten nur Kaminzimmer und Wehrturm teilweise gerettet werden. Über zwei Jahre dauerte es, bis der Wiederaufbau beginnen konnte. Ab 2021 folgten auf das Restaurant Veranstaltungsagenturen. Hildegard von Fragstein verbrachte ihren Lebensabend in einem Wohnstift in Bonn, nahe bei ihrer Ziehtochter Dr. Astrid Hencke und deren Mann Dr. Udo Degener-Hencke.

Nach dem Tod von Hildegard von Fragstein im Jahr 2019 ging Hungenbach an das Ehepaar aus Königswinter über. Als bislang letztes Kapitel übernahmen Eventagenturen Hungenbach als Hotel-, Tagungs- und Eventlocation. Aktuell wird das Landgut von einer Agentur aus Wipperfürth geführt.