RiesenkuhstallWo die Kuh sich gern melken lässt

Nico Beckers-Schwarz, Jörg und Rainer Biesenbach (v. l.) im Stall.
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Kürten – „2008, als die Milchpreise so niedrig waren und die Milchbauern streikten, wussten wir nicht, wie wir die Rechnungen bezahlen sollten“, erinnert sich Rainer Biesenbach. 1991 bekam der Landwirt, dessen Familie seit 150 Jahren den Hof in Wehrkotten bewirtschaftet, noch 45 Cent pro Liter Milch.
„Zurzeit sind es 25,5 Cent, und die Milchwirtschaft ist seit drei Monaten ein Zuschussgeschäft“, erklärt Nico Beckers-Schwarz, Biesenbachs Schwiegersohn. „Und wenn 2015 die Quote fällt, wird der Milchpreis einen Crash machen“, ist er überzeugt.
2010 setzte sich die Familie zusammen und überlegte, wie es mit der Landwirtschaft weiter gehen könne. Jetzt wollen Hofnachfolger Jörg Biesenbach und sein Schwager einen roboterbetriebenen Boxenlaufstall für 180 Kühe bauen, 100 Meter lang und 44 Meter breit. Ein Plan, der bei einigen Nachbarn auf Widerstand stößt. „Stoppt den Riesenkuhstall!“ – unter dieser Überschrift sammeln die Nachbarn Unterschriften gegen den Bau. „Als wir die Pläne gesehen haben, waren wir entsetzt“, sagt Herbert Hachenberg. „Der Stall soll nur 30 Meter von unserem Grundstück und 54 Meter vom Schlafzimmerfenster errichtet werden.“
Ihm und seiner Frau werde so nicht nur die Aussicht verbaut, auch befürchten sie Geruchsbelästigung und Lärm durch die Kühe und vor allem von dem Krach durch die Bewirtschaftung des Stalls. „Wir haben einen ähnlichen Stall in Wipperfürth mit 500 Kühen besichtigt“, so Hachenberg, die Nachbarn dort wohnten 300 Meter entfernt und beklagten sich über Lärm und Geruch. „Warum kann der Stall nicht in Hofnähe im Tal gebaut werden?“, fragt sich Hachenberg. „Wir befinden uns in einer Wasserschutzzone für die Große Dhünntalsperre“, erklärt Rainer Biesenbach, die Pläne seien mit dem Wupperverband und der Landwirtschaftskammer abgestimmt. „Die wollten die Anlage so weit wie möglich aus dem Tal heraus haben“, so Biesenbach.
Dass der Stall so nahe an der Straße stehen soll, ist den Bauherren gar nicht so lieb. „Das ist, als wenn man ein Wohnzimmer an der Straße baut“, findet Beckers-Schwarz, schließlich habe der Stall keine Außenwände. Im Moment befinden sich auf dem Hof in Wehrkotten 102 Rinder. Im Sommer gehen sie auf die Weide und werden im Winter in Anbindeställen gehalten. „Das war früher so üblich“, erklärt Rainer Biesenbach. In dem nun geplanten Boxenlaufstall mit Melkroboter können sich die Tiere frei bewegen. Sie können selbst entscheiden, wann sie fressen wollen oder gemolken werden. Ein Chip am Halsband reguliert die Futtergabe und kontrolliert die Milch. „In einem solchen Stall gibt eine Kuh locker 2000 Liter mehr Milch pro Jahr, weil sie sich so wohl fühlt“, erklärt Beckers-Schwarz, der als Veterinär auf Rinder spezialisiert ist und solche Ställe kennt. Nachdem die Baupläne öffentlich bekannt wurden, luden Biesenbachs ihre Nachbarn auf den Hof ein und präsentierten ihre Vorhaben.
„Die meisten haben dem positiv gegenüber gestanden“, so Beckers-Schwarz. Mehr Betrieb und Lärm als bisher werde durch den Stall nicht entstehen. „Die Milch wird dann nur alle drei Tage anstatt wie bisher alle zwei Tage abgeholt“, so Biesenbach. Und inzwischen hätten benachbarte Bauern schon Interesse an der anfallenden Gülle bekundet.
Inzwischen haben die Bauherren die ursprünglichen Pläne überarbeiten lassen, um den Nachbarn entgegen zu kommen. Demnach soll der Stall nun 50 Meter von der Straße entfernt errichtet werden. „Da bekommen die Nachbarn gar nichts mehr mit, weil der Stall dann drei Meter unterhalb des Straßenniveaus liegt“, so Architekt Gregor M. Pütz.
Der Kürtener Bauausschuss hat für das Projekt sein gemeindliches Einvernehmen erteilt, höchstmöglicher Abstand zu den Nachbarn vorausgesetzt. Doch die letztendliche Entscheidung trifft der Kreis, wenn ihm die geänderten Pläne vorliegen. Rund 1,5 Millionen Euro kostet der neue Stall. „Das ist einen haarscharfe Kiste, die sich mit 25 Cent pro Liter gerade dreht“, so Beckers-Schwarz. „Wir setzten voll auf Milch.“