Zum Kuscheln in den KuhstallHof in Waldbröl beherbergt ausgemusterte Tiere

„Ach ist die süß“ – Die 25-jährige Janine beim Kuhkuscheln auf der Weide.
Copyright: Thomas Banneyer
Waldbröl – Prinz Poldi liegt im Stroh und strahlt nichts weiter aus als Ruhe und Gelassenheit. Er ist ein Rinderbulle, ein Pinzgauer, Vertreter einer alten Rasse, die sich kaum ein Landwirt in den Stall stellt, weil die Tiere weder Turboleistungen in der Fleisch- noch in der Milchproduktion erbringen. Poldi schert das nicht, dafür sieht er sehr gut aus, wiederkäut genüsslich und denkt an irgendetwas sehr Schönes. Kälbchen Prinzessin tut es ihm nach, auch die Kuh-Mutter übt sich im Nichtstun und wirkt zufrieden. Eine Bilderbuchszene aus einem offenen Stall in Waldbröl, die Sonne wirkt mit sanften Strahlen freundlich mit.
„Ach, ist der süß“
Genau das haben sich Janine (25) und ihre Lebensgefährte Christian (30) gewünscht. Sie sind eigens aus Norddeutschland angereist. Während Christian noch an einen Balken gelehnt Fragen zur Rangordnung in Kuhherden mit dem Gastgeber Uwe Eschmann bespricht, gibt sich seine zarte Frau im roten Anorak direkt Prinz Poldi hin. Sie kniet sich ins Stroh, streichelt erst vorsichtig die Ohren, dann den Hals, seufzt immer nur „ach, ist der süß“ oder „ach, ist der weich“,
Melanie Eschmann und ihr Ehemann Uwe kennen die Laute der Verzückung, die Großstädter von sich geben, wenn sie sich neben ein große, schwer atmende Kuh legen, deren Brustkorb sich mächtig hebt und senkt, den Herzschlag hören und selbst das Summen der Fliegen als Musik wahrnehmen.
Trend aus den Niederlanden
„Kuhkuscheln entspannt, man vergisst alles um sich herum, die Gedanken kommen zur Ruhe“, sagt Uwe Eschmann. In den Niederlanden wird das bäuerliche Beruhigungsritual schon länger angeboten, die Eschmanns gehören in NRW zu den ersten, die diese tierische Therapie praktizieren.
Der lange verlassene Hof in Neuenhähnen gehörte den Großeltern von Melanie Eschmann. Vor Jahren gingen sie und ihre Ehemann daran, das Gebäude etwas auf Vordermann zu bringen, um Rinder zu züchten – und nahmen letztendlich dann doch Tiere auf, die in der herkömmlichen Landwirtschaft keinen Platz fanden. Frühchen, für deren Aufzucht im Normalbetrieb keine Zeit blieb, oder Tiere, die aus anderen Gründen nicht der Norm entsprechen, wie etwa weibliche Zwillingskälbchen, die bei Rindern meist unfruchtbar sind und Milchbauern daher nicht als Melkvieh dienen können. Gnadenhof nannte man das früher, aber der Begriff gefällt den beiden gar nicht. Eine bekannte Adresse sind sie trotzdem. Häufig melden sich Bauern und Leute, die eine Sorgen-Kuh kennen. Melanie und Uwe Eschmann sind sicher, so ein Tier kann 30 oder sogar 40 Jahre alt werden – und soll das auf ihrem Hof mit der Lizenz zum Schmusen genussvoll tun.
Täglich 45 Liter Wasser
Janine hat sich mittlerweile Valentino zugewandt, karamellfarbener Jersey-Bulle, dunkle Augen mit einem Blick, der alles verspricht. Sie legt ihr Ohr an seines, dann an seinen Hals. Lebensgefährte Christian erfährt gerade, dass Kühe 45 Liter Wasser pro Tag trinken. Und dass die Tiere sehr wahrscheinlich nur schwarz-weiß und nicht besonders scharf sehen.
Uwe Eschmann hat früher als Metzger gearbeitet und auch geschlachtet. Heute bringt er bereits zerlegtes Fleisch in die Gastronomie. Das Kuhkuscheln und der Hof sind das Hobby von ihm und seiner Frau. Zu den Schmusenachmittagen kommen, von Schulklassen bis zu Managern, die unterschiedlichsten Menschen. Aber noch bringt der Flauschfaktor nicht immer das Geld für das Tierfutter – neben 19 Rindern wollen noch vier Ziegen, vier Pferde und zwei Schweine sattwerden.