Krieg und FriedenAltenberger Forum diskutiert über die Krisen der Welt und ihre Folgen

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Die Akteure des 28. Altenberger Forums.

Die Akteure des 28. Altenberger Forums im Martin-Luther-Haus Altenberg.

„Ist der Friede am Ende?“, lautet der Titel der Podiumsdiskussion im Martin-Luther-Haus-Altenberg, bei der Theologen zu Wort kamen.

„Ist der Friede am Ende?“ Diese Frage stand wie ein Menetekel über der Podiumsdiskussion des Altenberger Forums, das am Dienstagabend zum 28. Mal stattfand. Selten war die aktuelle Lage so bedrohlich, waren die Aussichten so düster, eine Stimmung, die man Gästen und Publikum im Martin-Luther-Haus anmerkte.

„Es hat sich etwas verändert in der Nachkriegsordnung“, leitete Moderatorin Melanie Wielens die Fragerunde ein, zu der Ökumeneausschuss und der Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreises eingeladen hatten. Die Podiumsgäste einte ihre Nähe zu Glauben und Theologie, beurteilten die Lage allerdings aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln.

Darf sich ein angegriffenes Land militärisch verteidigen?

Den Fragen stellten sich Prof. Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven, Direktor des Instituts für Theologie und Frieden (Hamburg), Dr. Matthias Engelke, Pfarrer, Friedenstheologe und Mitbegründer des Ökumenischen Instituts für Friedenstheologie sowie Militärdekan Dr. Roger Mielke (Koblenz). Dr. Hermann-Josef Tebroke (MdB), ehemaliger Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreises, hatte kurzfristig wegen einer Corona-Erkrankung absagen müssen.

Darf sich ein angegriffenes Land militärisch verteidigen und dabei Tote in Kauf nehmen? Gibt es mithin Gerechtigkeit im Krieg – oder zumindest hehre Ziele? Oder gelten für Staaten schlicht andere moralische Maßstäbe als für ihre Bürger? Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt.

Wie soll man mit Rechtsbrechern im internationalen System umgehen?

Die Gründung der Europäischen Gemeinschaft sei ein gelungenes Beispiel dafür, wie Frieden funktionierten könne, war sich die Runde einig. Ein Glücksfall für Europa, den man nicht hoch genug schätzen könne. Basis hierfür sei die Rechtsstaatlichkeit. Doch nun müsse sich Europa entscheiden, wie es mit denen umgehe, die diese „Gemeinschaft des Rechts aufkündigen“, sagte Militärdekan Mielke: „Wer setzt das Recht durch, beim Angriff des Unrechts?“

Wie man mit Rechtsbrechern im internationalen System umgehe, „darauf haben wir noch keine Antwort“, so auch Theologe Justenhoven. Zumal die Sicherheitssysteme versagten, so Friedenstheologe Engelke: OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) und die Vereinten Nationen seien „vor die Wand gefahren worden“.

„Gewalt kontaminiert und setzt sich fort“

Im christlichen Raum sei die Frage des Abends „Ist der Friede am Ende?“ blasphemisch, meinte er. „Nach christlichem Verständnis ist der Friede nie am Ende, sondern höchstens wir sind am Ende.“

Die christliche Idee der Feindesliebe, die vor der Veranstaltung im Gottesdienst im Altenberger Dom im Zentrum stand, sei kein erfolgversprechendes Mittel in der Politik, damit sei kein Staat zu machen, bedauerte Engelke. Aber wenn die Menschen sich nach der Bergpredigt verhielten, „dann hat das enorme politischen Auswirkungen“.

Die politische Ordnung zu verteidigen, das habe seinen Preis, so Mielke mit Blick auf die schwierige Abwägung, wo die Selbstverteidigung und die Nothilfe aufhöre und die ungerechtfertigte Gewalt anfange. „Gewalt kontaminiert und setzt sich fort“, sagte er, auch aus seiner Erfahrung als Militärseelsorger. Friedenstheologe Engelke war da radikaler: Es gebe neben dem Gebot „Du sollst nicht töten“ auch noch ein elftes: „Du sollst nicht töten lassen“.

Die aktuellen Kriege in der Ukraine und in Gaza beschäftigten auch das Publikum, das Gelegenheit hatte, Fragen zu stellen. So auch die, ob die Religionen der Welt zum Erhalt des Friedens beitragen können. Ein zweischneidiges Schwert, nach Ansicht von Heinz-Gerhard Justenhoven: „Jede mir bekannte Religion ist gleichzeitig gewaltstimulierend und friedensmotivierend.“

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