„Es zerreißt einem das Herz“Kommentar zum Umzug der Schwarzbauten-Bewohner

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Knatsch um die Schwarzbauten in Overath: Bürger und Bürgerinnen wehren sich.

Overath – Dass sich Beamtinnen und Beamte an Gesetze halten und Entscheidungen nicht nach Lust und Laune treffen, ist eine  Errungenschaft des Rechtsstaates. Es geht nicht, dass derjenige, der „jemanden auf dem Amt kennt“, leichter zum Ziel kommt als jemand, der diesen Klüngel-Vorteil nicht hat.  Insofern ist es  nicht kritikwürdig, dass sich die Overather Verwaltung seit Jahren engagiert und erfolgreich bemüht, den Schwarzbau-Wildwuchs entlang der Flüsse zu beenden.

Gleichwohl gibt es Grenzen. Grenzen der Zumutbarkeit, der Verhältnismäßigkeit, der Menschlichkeit. Es zerreißt einem das Herz, wenn kranke alte  Menschen nach Jahrzehnten aus ihren vier Wänden  vertrieben werden sollen –  auch wenn das für die Overather Betroffenen anders als einst im Fall Liedtke in Kürten  eigentlich keine Überraschung mehr sein müsste. Bei der kurzfristigen Verabredung eines  Fototermins für diese Zeitung meldete der Sprecher der Bewohner zurück, er habe viele seiner Nachbarn erreichen können. Allerdings seien zwei  ältere Personen wegen eines Termins zur Chemotherapie leider verhindert.

Fall Liedtke zeigt, wie es auch gehen kann

Eine Chemotherapie tut sich niemand an, der nicht an Krebs erkrankt ist. Und diese Menschen  sollen jetzt ihre Häuser verlassen? Geht’s  noch? Bedarf  es  weiterer Worte, um klarzumachen, was sich für ein bürokratisches Monster hinter dem eigentlich ehrenwerten  Streben der Stadtverwaltung nach Rechtssicherheit und Gleichbehandlung verbirgt?

Den „Fall Liedtke“ in Kürten, bei dem die Kreisverwaltung jahrelang erfolglos versucht hatte, eine 77 Jahre alte Dame aus ihrem Häuschen zu bekommen, hat am 24. Februar 2016 das Oberverwaltungsgericht Münster mit einem sensationellen Machtwort beendet. Die Münsteraner Oberrichter wiesen damals für den konkreten Fall einen Weg auf, wie die alte Dame bleiben konnte.

Es braucht Herz und Augenmaß

Jenseits aller Fragen nach einer Vergleichbarkeit unter verwaltungsrechtlichen Aspekten gibt der Fall Liedtke Hoffnung. Denn er zeigt: Es gibt immer einen Weg, um  brutale Nebenfolgen einer allzu konsequenten Rechtsanwendung  zu mildern. Diesen Weg zu finden und ihn auch zu beschreiten, braucht es neben hohem juristischem Sachverstand Herz und Augenmaß. Strafrichterinnen und Strafrichter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte  schaffen das täglich. Warum nicht auch die Stadt Overath? Die Stadtverwaltung sollte dringend nochmal nachsitzen.

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Die Mitglieder des Overather Stadtrates wiederum haben zwar über eine etwaige Verlängerung der Duldungen bis zum Tode der Bewohner nicht selbst zu entscheiden. Aber  ihre Meinung zu dieser Frage könnten und sollten sie im Rat klar und deutlich formulieren.

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