Ukrainischer Bischof in Overath„An der Front in der Ukraine ist die Hölle“

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Weihbischof Radoslaw Zmitrowicz aus dem ukrainischen Kamjanez-Podilskyj steht am Altar von St. Walburga in Overath.

Der 59-jährige Weihbischof Radoslaw Zmitrowicz aus dem ukrainischen Kamjanez-Podilskyj beim Besuch in St. Walburga Overath.

Radoslaw Zmitrowicz ist ukrainischer Seelsorger, doch die Todesangst der Soldaten an der Front kennt er genau. In Overath hat er von der Gewissensnot auf dem Schlachtfeld, dem Tod und den seelischen Wunden berichtet – und für die Hilfe aus Rhein-Berg gedankt.

Die Todesangst der Soldaten an der Front kennt Radoslaw Zmitrowicz genau: „Einer hat mir erzählt: Ich hatte einen Kriegsgefangenen ganz vorne an der Front. Ich bin auf dem Schlachtfeld – was soll ich tun? Soll ich ihn bei mir lassen? Sehr gefährlich! Soll ich ihn nach hinten hinter die Front bringen? Auch gefährlich! Was ist das Einfachste?“

Weiter habe der Soldat nicht gesprochen, sagt der ukrainische Weibischof. Auch Radoslaw Zmitrowicz lässt die Frage im Raum stehen. Nur so viel noch: „Das sind schreckliche Situationen. Der Krieg hat viele verletzt. Viele, die im Osten an der Front waren, sagen: Da ist die Hölle, Hölle, Hölle . . .“

Eindrücke aus erster Hand für die, die Ukraine seit Monaten helfen

Der 59-jährige Seelsorger, der da in der Abendmesse in der Overather St.-Walburga-Kirche spricht, ist Weihbischof im ukrainischen Kamjanez-Podilskyj. Mit dem Zug ist er nach Deutschland gekommen, um den Menschen, die seine Landsleute seit Monaten unterstützen, zumindest einen kleinen Eindruck von der Not zu geben, die in seinem Land herrscht. Und damit meint er nicht einmal in erster Linie die materiellen Notlagen.

„Der Krieg hat viele getötet, und noch mehr verletzt“, sagt er und berichtet von den seelischen Wunden, die der Kampf nach dem russischen Großangriff im Februar dieses Jahres bei den Verteidigern hinterlassen hat.

Selbst wenn der Krieg einmal zu Ende ist, werden die Wunden bleiben.
Radoslaw Zmitrowicz, Weihbischof aus dem ukrainischen Kamjanez-Podilskyj

„Wie sollen wir diese Wunden je heilen“, sagt er beinahe ratlos. „Psychotherapeuten können helfen, aber diese Wunden sind sehr, sehr tief.“ Und: „Selbst wenn der Krieg einmal zu Ende ist, werden die Wunden bleiben. Es wird lange dauern, bis die Verdächtigungen, falschen Anschuldigungen, die Vorwürfe, die teilweise mitten durch die Familien in den besetzten Gebieten gehen, geheilt sind.“

Die Hoffnung des Seelsorgers ist trotzdem unerschütterlich. Sein Gottvertrauen nicht minder. „Ich glaube, dass Jesus die Macht hat, diese Wunden zu heilen.“ Die Hoffnung wird auch durch die Hilfe gestärkt, die seit Monaten durch Konvois aus Overath und Bergisch Gladbach seine Heimatstadt in der Ukraine erreichen und die mehr bringen als Kleidung, Lebensmittel und Medikamente. „Ihr zeigt damit, dass Ihr zu uns steht – das ist mehr als alles“, so der ukrainische Weihbischof.

Ukrainischer Bischof dankt für Hilfe aus Overath und Bergisch Gladbach

Wer Geld gehabt habe, der sei geflohen, gerne auch nach Deutschland, berichtet der Seelsorger. „Die, die noch da sind und aus dem Osten zu uns gekommen sind, sind die Ärmsten der Armen. Die haben nichts. Deshalb ist es so gut, dass Ihr an uns denkt – und helft.“

Weihbischof Radoslaw Zmitrowicz überreicht Ulrich Gürster und Norbert Kuhl Dankurkunden für ihre Hilfskonvois in die Ukraine.

Mit Urkunden und „etwas Süßem“ dankt Weihbischof Radoslaw Zmitrowicz Uli Gürster (M.) und Norbert Kuhl (l.) für die Hilfskonvois.

Zum Dank hat Radoslaw Zmitrowicz Dankesschreiben seines Bischofs für Norbert Kuhl von der Humanitären Hilfe Overath und Ulrich Gürster vom Bergisch Gladbacher Verein Hilfe Litauen Belarus aus der Ukraine im Zug mitgebracht. „Wir sind euch und euren Leuten so dankbar“, sagt der Weihbischof hörbar ergriffen am Ende der Messfeier mit Overaths Pfarrer Gereon Bonnacker.

Overather und Gladbacher planen bereits nächster Hilfskonvoi

Die Organisatoren, die in diesem Jahr bereits mehrere Hilfskonvois, teilweise bis in die Ukraine gebracht haben, planen bereits neue Konvois mit weiteren Hilfsgütern. Vor allem warme Kleidung, Bettdecken, Generatoren und Lebensmittel würden jetzt benötigt, sagt der danach gefragte Weihbischof mit Blick auf den bevorstehenden Winter und die russischen Angriffe auf Infrastruktur wie Stromversorgung und Kraftwerke.

Bereits nach der Messfeier beim gemeinsamen Essen im Overather Steinhof überlegen die Hilfstransporteuren mit Dr. Jolanta Czelej-Gorski aus Kürten, die die Hilfskonvois in die Ukraine durch ihre Kontakte mit gemanagt hat, und Michael Metten, der beide Hilfsorganisationen unterstützt, wie die nächste Hilfe ins Krisengebiet gebracht werden kann.

„Und wenn der Krieg dann mal zu Ende ist, dann fahren wir mit den Lkw bis vor eure Kirche“, verspricht Norbert Kuhl dem ukrainischen Bischof. Und wer ihn kennt, weiß, dass auch das kein leeres Versprechen ist.

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