StellenplanKreistag bremst Rhein-Bergs Landrat Stephan Santelmann aus

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Der Kreistag Rhein-Berg hat am 15.12.22 Etat und Stellenplan zwar verabschiedet, Landrat Stephan Santelmann (l., mit Kreisdirektor Werdel) musste sich aber harsche Kritik anhören.

Kein schöner Tag: Die Spitze der Kreisverwaltung bei der Stellenplan-Debatte im Kreistag.

Die Kreisverwaltung hat den Stellenplan durchbekommen, letzterer wurden aber mit einer Doppelbremse versehen. Landrat Santelmann (CDU) musste sich im Kreistag harsche Kritik anhören. Die Bürgermeister sind enttäuscht.

Mit Mehrheit hat der Kreistag den Haushalt für 2023 und damit auch den höchst umstrittenen Stellenplan verabschiedet. Allerdings hat der Kreistag auf Antrag der Koalition aus CDU und Grünen eine doppelte Bremse für den insbesondere von SPD und FDP unter Beschuss genommenen Verwaltungschef, Landrat Stephan Santelmann (CDU), eingebaut.

Im Übrigen würdigten die Sprecher der insgesamt sieben Parteien und Gruppen in der Haushaltsaussprache im Wesentlichen die Krisen und Herausforderungen der vergangenen Jahre und der Gegenwart und setzten dabei jeweils eigene politische Akzente.

Mit ihrem Stellenplan-Nachtragsentwurf hatte die Kreisverwaltung für viel Empörung gesorgt. In den Worten von SPD-Fraktionschef Gerhard Zorn: „Landrat Santelmann hat sich dazu entschlossen, 80 Stellen nachträglich vorzulegen. Mit einer Vorlage, die nicht einmal den Anschein einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage und Begründung erweckt.“

Sie bleiben der Chaos-Landrat der Region!
Gerhard Zorn (SPD)

In außergewöhnlicher Schärfe fuhr Zorn fort: „Sie, Herr Landrat, haben dieses Vorgehen vorgegeben oder gebilligt.“ Das Chaos um das Personal in der Kreisverwaltung geht auf Ihr Konto. Persönlich bleibe er sich treu: „Nach dem Pandemie-Chaos, dem Krisen-Management-Chaos folgt jetzt das Personal-Chaos.“ Zorn: „Sie bleiben der Chaos-Landrat der Region!“

Santelmann hörte sich die Sätze, auf seinem Platz in der ersten Verwaltungsreihe auf der Bühne des Bergischen Löwen sitzend, mit versteinerter Miene an, er sagte aber kein Wort dazu. Zorns FDP-Kollege Dr. Alexander Engel bescheinigte dem Landrat eine „in Teilen immer noch unzureichende Verwaltungsführung“. Der FDP-Politiker: „Ich dachte, wir hätten dieses Thema nach den Querelen um die Corona-Pandemie und ihre Bewältigung ein für alle Mal erledigt. Das scheint nicht so.“

Auch habe es eine jahrelange Politik der „zum Teil falschen Prioritäten gegeben“, wenn der Personalbedarf bei Rettungsdienst, Sozialwesen und Bevölkerungsschutz jetzt so hoch sei. Noch am 4. November in der Haushaltsklausur der FDP habe der Landrat kein Wort über die geplante Stellenmehrung verloren.

So sieht vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Politik und Verwaltung nicht aus.
Alexander Engel (FDP)

Engel: „So, Herr Santelmann, sieht vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Politik und Verwaltung nicht aus.“ Das gelte auch für das Verhältnis zu den Kommunen.

CDU-Fraktionschef Johannes Dünner sprach von „nachvollziehbarer Kritik“ im Zusammenhang mit der Stellenplanvorlage, obgleich die Stellenmehrung an sich nicht überraschen komme. Auch der Rhein-Sieg-Kreis habe vergangenes Jahr sein Personal um zehn Prozent aufgestockt, die Stadt Rösrath habe 60 Stellen geschaffen und die Stadt Bergisch Gladbach letztes Jahr 100 und dieses Jahr weiter 36 Stellen.

Dünner weiter: „Was aber schon sehr irritiert und überrascht hat, ist der Umstand, dass der Weg der Stellenplanvorlage gänzlich über den Veränderungsdienst gewählt wurde.“ Gleichwohl machte er den Beschäftigten im Kreishaus Hoffnung auf baldige Verstärkung: Die CDU habe stets signalisiert, ein offenes Ohr zu haben für die Hinweise von Verwaltung, Rechnungsprüfungsamt und Personalrat auf eine strukturelle Unterbesetzung.

Der Wähler erwartet von uns als Kontrollgremium ordentliche Arbeit.
Roland Rickes (Grüne)

Kritik ließ auch Grünen-Fraktionschef Roland Rickes aufblitzen: Manchmal seien es nicht große Ereignisse, die der Politik Beweglichkeit abfordern, sondern Dinge wie die späte Anmeldung von 80 Extrastellen durch die Personalverwaltung. Der Grüne: „Ich gehe davon aus, dass viele dieser Stellen innerhalb der Verwaltung umfangreich begründet wurden, aber uns liegen diese Begründungen nicht vor.“

Kritik an der Vorgehensweise formulierten mit den Freien Wählern, der AfD und den Linken auch die kleineren Gruppen im Kreistag. Strittig unter den Kreistagsmitgliedern blieb allerdings die Frage, wie mit der einhellig für völlig missglückt gehaltenen Vorlage weiter umzugehen sei.

Schwarz-grüne Koalition setzt sich durch

Am Ende setzte die schwarz-grüne Koalition mit ihrer Mehrheit durch, dass für alle nicht bereits beschlossenen neuen Stellen Santelmann und Co. einen Kriterienkatalog entwerfen sollen. Diese wird dann in einer kurzfristigen Sondersitzung des Personalausschusses beraten und beschlossen. Anhand des Kataloges wird noch einmal die Notwendigkeit jeder neuen Stelle geprüft, und dann geht die Sache in den Fachausschuss.

Die eingebrachten Alternativvorschläge (SPD: 30 neue Stellen mit Besetzungssperre; FDP: 40 Stellen in Katastrophenschutz, Sozialwesen und Co mit Sperrvermerk, im Übrigen gegebenenfalls externe Dienstleister, Freie Wähler: alle neuen Stellen auf drei Jahre befristen) fanden keine Mehrheit. Der Haushaltsplan als Ganzes fand schließlich durch die Zustimmung von CDU und Grünen eine sichere Mehrheit.

Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die die Debatte verfolgt hatten, verließen anschließend kommentarlos den „Löwen“. Ihr Sprecher Frank Stein (Gladbach) bekundete am Freitag Enttäuschung darüber, dass der Kreistag „nicht die politische Kraft aufgebracht“ habe, die Vorlage komplett abzulehnen und eine bessere für 2024 in Auftrag zu geben.


In ihren Haushaltsreden setzten die Sprecher der sieben Fraktionen und Gruppen unterschiedliche Akzente:

  • Für die CDU-Fraktion würdigte deren Vorsitzender Johannes Dünner in einer kurzen Rede beispielhaft die Fortschritte in Sachen Mobilität (Schnellbus für Wermelskirchen, Radpendlerrouten), Soziales (Ausbau der Förderschulen) und berufliche Bildung (Übernehme und Modernisierung der Berufskollege in Bergisch Gladbach).
  • Grünen-Fraktionschef Roland Rickes erinnerte an die Vielzahl neuer Herausforderungen durch Klimaveränderung, Corona-Pandemie und Angriffskrieg. Dies seien der Rahmen für die Herausforderungen, denen sich die Kreispolitik, aber auch die lokale Wirtschaft stellen müsse. Er würdigte er den Ausbau des ÖPNV, gab der Kreisverwaltung aber nicht nur gute Noten, als er in Sachen Digitalisierung kritisierte, es gebe nur „Inseln in einem Meer von Papier“. Der Online-Auftritt des Kreises müsse weg von einer „Marketing-Präsentation“. Bei „Amazon“ gebe es „auch nicht zuerst eine Firmenpräsentation, sondern eine effiziente Oberfläche, um Ihre Probleme zu lösen“.
  • SPD-Fraktionschef Gerhard Zorn legte neben der Stellenplan-Kritik einen zweiten Schwerpunkt auf soziale Fragen, insbesondere den Pflegenotstand, der längst im Kreis angekommen sei. Zwei Anträge seiner Partei zu dem Thema verabschiedete der Kreistag später. Auch bekannte sich der SPD-Politiker zum Ausbau von Bus und Bahn. Der Zuschussbedarf liege 2023 bei 20,7 Millionen Euro und habe sich damit gegenüber dem Jahre 2000 mehr als verdoppelt. Die SPD stehe dazu.
  • FDP-Chef Alexander Engels forderte eine Konzentration auf das Wesentliche. Es sei cleverer, sich weniger Aufgaben zu geben, diese aber „vollumfänglich zu erledigen“. Ein FDP-Antrag auf Senkung der Kreisumlage fand keine Mehrheit.
  • AfD-Chef Sebastian Weirauch benannte in seinem Redebeitrag Trends, die er für problematisch halte, etwa ein bestimmtes Menschenbild, eine Vorstellung von multikultureller Gesellschaft und eine falsche Wirtschaftsstrategie.
  • Für die Freien Wähler warnte Werner Conrad, den Kreishaushalt zu einer „Spielweise“ für persönliche Befindlichkeiten zu machen: „Warum muss der Kreis E-Lastenräder und Fahrradanhänger fördern?“
  • Für die Linken bekannte Vera Lorenz, dass es die Entscheidung über den Haushaltsplan sehr schwerfalle, da jede Aufgabe die Kommunen zusätzlich belaste.
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