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Gefahrgutunfall an Schule geübtFeuerwehr Rösrath probt die Katastrophe

Lesezeit 4 Minuten
Feuerwehrleute in Chemikalienschutzanzügen untersuchen einen Kunststofftank.

Aus diesem Tank soll laut Übungsszenaio eine gefährliche Substanz ausgetreten sein.

Einen Gefahrtgutunfall an der Schwimmhalle der LVR-Schule am Königsforst hat sich die Feuerwehr Rösrath bei einer Großübung als Übungsszenario vorgenommen. Ein Blick hinter die Kulissen mit Video.

„Muss ich da raus?“, fragt die junge Frau ängstlich, als sie ein Feuerwehrmann in schwerem Chemikalienschutzanzug aus der Schwimmhalle hinausgeleiten will. Von draußen ist Schreien zu hören. Offenbar sind die Jugendlichen, die hier gerettet werden sollen, mehr verängstigt als erleichtert, die Retter in der Spezialausrüstung zu sehen. Auch eine wichtige Erfahrung und Übung für die freiwilligen Feuerwehrleute, die in den schweren Schutzanzügen stecken.

Am Dienstagabend haben sie unter realistischen Alarmierungsbedingungen bei der Jahresabschlussübung der Rösrather Feuerwehr ein ganz besonders brenzliges Szenario geprobt. Ein Gefahrgut-Unfall direkt an einer Schule mit Schwimmhalle.

Völlig überraschend für das Gros der Feuerwehrleute piepst am Dienstagabend um 18.30 Uhr der Alarmmelder. Das Einsatzstichwort: ABC-Stoffaustritt im Freien. Die Adresse: Paffrather Weg 11. Dort befindet sich die LVR-Schule am Königsforst.

Umgehend hat die Feuer- und Rettungsleitstelle des Kreises Vollalarm für die Rösrather Feuerwehr ausgelöst. Zwar sind Schulen, Behörden und Polizei informiert und steht bereits in der Alarmmeldung, dass es sich um eine Übung handelt – gleichwohl läuft nun alles wie bei einem reellen Einsatz ab.

Gespielter „Schulhausmeister“ will immer wieder in Gefahrenzone zurück

Die Feuerwehreinheit aus Forsbach ist die erste an der Einsatzstelle. Im Laufschritt eilen Vize-Feuerwehrleiter Lars Pläsker, der die Einsatzleitung übernimmt, und der Leiter der Feuerwehr, Bastian Eltner, der heute die Assistenz hat, den Paffrather Weg hinauf. Ein völlig aufgelöster „Hausmeister“, gespielt von Simon Spenlen vom Organisationsteam, empfängt sie. „Kommen Sie, wir müssen dahin, da läuft das Zeug aus, da...“, sagt er immer wieder.

Nur mit Nachdruck gelingt es den Einsatzkräften, den Mann aus dem Gefahrenbereich zu bringen. Denn wenige Meter weiter läuft aus einem Container eine für die Feuerwehrleute zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannte Flüssigkeit aus. Nur dass es irgendetwas mit dem Schwimmbadumbau zu tun haben soll, hören sie von dem aufgelösten „Hausmeister“. Er wird in den kommenden Minuten ihr wichtigster Ansprechpartner vor Ort bleiben und daher ständig im Gespräch gehalten.

Im Ernstfall hätte sich neben der ätzenden Flüssigkeit auch eine Chlorgaswolke bilden können.
Björn Roth, PRessesprecher der Feuerwehr Rösrath

„Gams“ heiße nun die Regel, erläutert Feuerwehrpressesprecher Björn Roth, der das Szenario wie ein halbes Dutzend Übungsbeobachter verfolgt. Gams, das steht für: Gefahr erkennen, Absperren, Menschenrettung durchführen und Spezialkräfte alarmieren.

Absperrband wird ausgerollt, ein Dekontaminationsplatz auf einem der unteren Schulhöfe aufgebaut und schwere Schutzausrüstung herangeschafft. In der arbeitet sich ein erster Trupp von zwei Feuerwehrleuten zum Eingang der Schulschwimmhalle vor, dort ist ein riesiger Kanister umgestürzt.

Feuerwehrleute retten „Verletzten“ aus der Gefahrenzone

Eine Flüssigkeit läuft aus einem Leck in der Kunststoffwand. Am Boden: ein offenkundig Verletzter. Mit vereinten Kräften schaffen die beiden Feuerwehrleute die schwere Übungsfigur aus der Gefahrenzone, beginnen in sicherer Distanz mit der Reanimation.

Wenig später entdeckt ein weiterer Trupp an dem Behälter eine Kennzeichnung, meldet den mutmaßlichen Gefahrstoff dem ABC-Fachberater Dr. Christof Krummeich, der ebenfalls an der Einsatzstelle eingetroffen ist. Mit seiner Hilfe ermittelt die Einsatzleitung die Gefährlichkeit der Lage, muss dabei auch den Nieselregen und Wind mit einberechnen. Schließlich spielen die bei einer möglichen Verdünnung des Stoffs beziehungsweise der Ausbreitung gefährlicher Dämpfe eine wichtige Rolle.

Eine Hypochlorit-Lösung tritt laut Übungsszenario aus dem Container aus (tatsächlich hat Übungsorganisator und Stadtausbildungsbeauftragter Peter Preußer natürlich nur Wasser verwendet). Bevor allerdings das Leck im Container mit Spezialwerkzeug und -material verschlossen werden kann, muss die Einsatzleitung plötzlich nochmal ganz schnell umdisponieren.

Plötzlich tauchen weitere „Verletzte“ an der Einsatzstelle auf

Ein Jugendlicher kommt aus der Halle, klagt über Schmerzen durch eine Flüssigkeit an seiner Hand und berichtet von weiteren Schülern, die noch in der Schwimmhalle sind. Jetzt geht’s erstmal vorrangig um die Rettung dieser Personen, von denen – wie bei realen Einsätzen auch möglich – bislang noch niemand wusste.

Ebenso unvorhersehbar ist die Reaktion derer, die gerettet werden sollen, davon aber erstmal gar nichts wissen wollen. „Die Statisten von der Jugendfeuerwehr machen ihre Arbeit gut“, freut sich Simon Spenlen: „Gewünschte Eskalation ist eingetreten.“ Und seine Kolleginnen und Kollegen haben eine weitere Facette zu üben.

Nach gut anderthalb Stunden sind alle Personen aus der Halle gerettet, ist das Leck im Behälter mit dem Gefahrgut mit einem Holzpfropfen verschlossen und wird über Funk das Ende der Übung bekannt gegeben. 61 Feuerwehrleute, darunter auch zwölf der Freiwilligen Feuerwehr Overath, die mit den Rösrather Kollegen ein Fahrzeug des Messzugs des Kreises managt, atmen auf und gehen in die Nachbesprechung. „Denn natürlich wollen wir aus jeder Übung auch etwas für mögliche künftige Einsätze lernen“, sagt Pressesprecher Björn Roth.

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