Fliegenfischen an der SülzGlück hängt am seidenen Faden
Rösrath – Ssssst: Manchmal ist es kaum mehr als ein Windhauch, manchmal klingt es wie ein Peitschenhieb, wenn die dünne Angelschnur über das Wasser schwingt. Es ist früh am Morgen, die Sülz hinter Schloss Eulenbroich noch kühl. Das Gewässer strömt lebhaft und bildet kleine Strudel an den steinernen „Unterständen“. So nennt Matthias Becker die Stellen, an denen die Bachforellen ruhen. In der „Nährströmung“ direkt vor ihrer Nase muss er seinen Köder platzieren.
Das ist leichter gesagt als getan, denn Becker und sein Kumpel Paul Klein sind keine „normalen“ Angler. Sie sind Fliegenfischer. „Der Unterschied besteht darin, dass nicht der Köder, sondern die Schnur das wichtigste ist“, erklärt der 1. Vorsitzende der Fischereigemeinschaft Rösrath 1961, und Kollege Klein rollt die Spule an seiner Rute ab. Sein Glück hängt sozusagen am seidenen Faden. „0,14 Millimeter dünn“, sagt er und hält das Ende vorsichtig zwischen den Fingerspitzen. Kaum sichtbar, und dann muss er hier noch die ebenso winzige Köder-Larve dranknoten.
27 Meter dieser Schnur hat Matthias Becker an seiner 2,50 Meter langen Rute. Wenn er gut ist und das Gewässer groß genug, kann er diese komplett auswerfen. In weiten Schwüngen lässt er die Schnur hin und her über das Wasser sausen, bei jedem Schwung gibt er mehr Leine, bis er zielgenau den Köder genau dort auswirft, wo er den Fisch vermutet. „Manchmal“, berichtet Klein lachend, „landet der auch im Nacken eines Spaziergängers – aber das passiert nur Anfängern.“ Eine solche ist die Reporterin definitiv, die mit geliehenen Anglerstiefeln beherzt in den Fluss watet, um sich ihren Jugendtraum zu erfüllen, der mit einem Film begann: Robert Redfords Montana-Epos „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ (1992). Hauptdarsteller Brad Pitt war einfach ein hinreißend schöner Fliegenfischer.
Für den Sport des Fliegenfischens benötigt man, wie zum normalen Angeln auch, einen Angel- beziehungsweise Fischereischein. Dieser wird bei der Verwaltung im Wohnort beantragt. Voraussetzung ist der erfolgreiche Abschluss der Fischerprüfung (Mindestalter 13 Jahre), die zweimal im Jahr bei der unteren Fischereibehörde des Rheinisch-Bergischen Kreises stattfindet. Nächster Termin: 28. Oktober, je nach Teilnehmerzahl auch am 29. Oktober. Anmeldeschluss: 29. September 2014. Anträge und Informationen: Rheinisch-Bergischer Kreis, Untere Fischereibehörde, Refrather Weg 30, Bergisch Gladbach, ☎ 02202/13 28 20.
Kurse bietet Rolf Renell in Odenthal an, der dort den Fliegen-Shop betreibt, Dülmener Weg 17, ☎ 0179/2163201 oder 02174/747549. Informationen auch bei Angelgeräte Wichterich in Bensberg, ☎ 02204/566 88.
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Im wirklichen Leben erweist sich die Angelschnur als äußerst tückisch und will keineswegs dorthin, wo sie hinsoll. Sie verhakt sich zwischen Steinen auf dem Bachgrund, landet in den Brennnesseln oder verknotet sich wie von Geisterhand selbst in der Luft. „Tja, das ist eine unserer Lieblingsbeschäftigungen, diese Knoten aufzudröseln“, lästert Klein, hat die Sache aber schnell repariert. „Nicht wie ein Lasso wild über dem Kopf schwingen“, rät er, „lieber kleine, kontrollierte Bewegungen.“ Weil es nicht so statisch ist wie Angeln, hat sich Becker fürs Fliegenfischen entschieden: „Du bis immer in Bewegung.“ Wenn ein Fisch an der richtigen Stelle steht, hat er den Köder in einer Sekunde geschnappt. Wenn nicht, heißt es: weitergehen, die Schnur werfen, einholen, weitergehen, werfen. „Da ist man oft stundenlang unterwegs“, berichtet Becker. „Aber das ist ja das Schöne: Ich tauche tief in die Natur ein. Ich lese das Gewässer. Das ist wie eine Exkursion in den Urwald.“ Eisvögel beobachtet er dann, Wasserasseln und Bisamratten.
Beim Fliegenfischen geht es darum, die natürliche Bewegung der Insekten zu imitieren, die den Fischen als Nahrungsquelle dienen. „Wir stellen mit unseren Ködern den kompletten Lebenszyklus der Fliegen nach“, erklärt Becker: von der Larve, die unten im Bachbett aufgenommen wird, über die aufsteigende Nymphe bis zur Eintagsfliege, die knapp über der Wasseroberfläche schwirrt, vom Kleinkrebs bis zum schweren Streamer (für tiefere Gewässer). Die meisten sind selbst gebastelt. Matthias Becker zückt sein Schatzkästlein, in dem die täuschend echt aussehenden Kunstinsekten akkurat in Reih’ und Glied liegen. „Viel Arbeit für die langen Winterabende.“
Inzwischen haben wir uns vom Wehr bis zur Brücke vorgearbeitet, wo die Sülz enger, aber tiefer ist und von dichten Sträuchern gesäumt wird. Matthias Becker klettert die steile Böschung hinunter und platziert seinen Köder tief unter die herabhängenden Zweige. „Wir haben uns nicht die leichteste Art ausgesucht, an den Fisch zu kommen“, stellt er grinsend fest. Gleich darauf heftiges Zappeln. Es ist ein Winzling, der sofort wieder vom Haken springt. „Gut so“ sagt Becker. „Den will sowieso keiner haben, der ist viel zu klein.“
Die Fischer haben strenge Auflagen. Das betrifft die Größe des Fischs (bei Forellen mindestens 25 Zentimeter) ebenso wie die Fangzeiten: „Vom 20. Oktober bis 1. April dürfen wir nicht ins Wasser, weil die Fische laichen“, erklärt Becker. Lachse dürfen gar nicht geangelt werden. Alle Babys werden gleich wieder ins Nasse befördert. Klein: „Das ist schmerzfrei, weil wir nicht mit Widerhaken arbeiten, sondern mit einfachen Haken, die die Fische nur mit der Vorderlippe schnappen, aber nicht schlucken.“
Für zehn Jahre hat der Verein den Flussabschnitt von der Stadt Rösrath gepachtet. Nur die 20 Mitglieder dürfen hier fischen, müssen aber auch Bestandspflege betreiben. Die Sülzgenossenschaft kontrolliert. Es gibt einen Hegeplan, und die Pächter setzen neue Bachforellen ein, wenn die Population schrumpft. „Wir Angler sind es, die sich um das Gewässer kümmern“, kontert Matthias Becker Kritik am Jagdvergnügen. „Wir sammeln sogar den Müll.“ Das Angeln für den Eigenbedarf sei sauber, ökologisch und tierfreundlich.
Während wir reden, zieht Paul Klein seinen ersten Fang des Tages vom Haken: eine mittelgroße Bachforelle. Er legt sie ins Gras, gibt ihr kurz eins aufs Maul und zieht gekonnt den Kiemenschnitt. „Sie haben noch nie so eine gute Forelle gegessen“, versichert er und drückt der Reporterin den Fisch in die Hand. Er wird Recht behalten.