HoffnungsthalWunderhübsch und leicht versnobt

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Rösrath – Robert Wagner freut sich auf die Führung: „Hoffnungsthal ist eine besondere Perle.“ Der pensionierte Geschichtslehrer ist Mitbegründer und Vorsitzender des Geschichtsvereins Rösrath, er wird die nächsten zwei Stunden eine Gruppe Rösrather durch den Ort führen. Viele Zugezogene sind dabei, die sich mit ihrer neuen Heimat beschäftigen möchten: „Als Neubürger interessieren wir uns für die Vergangenheit unseres Wohnortes“, sagt ein Besucher, der mit seiner Frau vor zwei Jahren von Dürscheid nach Hoffnungsthal gezogen ist.
Getreu dem Motto der Führung „Hoffnungsthal – schön unterirdisch“ geht es zuerst durch die Bahnhofsunterführung. Auf dem Bahnsteig angekommen, fällt der Blick auf Haus Staade, Herrenhaus aus dem 14. Jahrhundert und ehemaliger Sitz der Adelsfamilie von Loë. „Wären wir ein wenig früher hier gewesen – sagen wir um 1905 herum –, hätten wir einen noch schöneren Blick auf Haus Staade gehabt“, erklärt Wagner, „der Bahndamm wurde nämlich erst später errichtet“. Doch auch bereits vor 1905 besaßen die Hoffnungsthaler eine Eisenbahnlinie: die „Sülztalbahn“. Die Trasse wurde 1890 errichtet und führte parallel zu den heutigen Gleisen die Rotdornallee entlang.
Es geht durch den Ortskern vorbei am ehemaligen Fabrikgelände der wohlhabenden Industriellenfamilie Reusch, die die Entwicklung in der Region über lange Zeit stark vorangetrieben hat. Wagner versucht, den Teilnehmern die Mentalität der Hoffnungsthaler näher zu bringen: „Die Bürger hatten früh eine Eisenbahn, Strom, ein Krankenhaus und sogar eine Kasinogesellschaft. Sie ahnen schon, was dabei herauskommt: Die Hoffnungsthaler trugen die Nase etwas höher“, erläutert Wagner und nennt auch gleich den Spitznamen, den die Bürger ertragen mussten: „Sie wurden »die Föppede« genannt.“ Wo der Begriff genau herkommt, ist unklar. Fest steht: „Man war einfach etwas snobistischer als der Rest der ländlichen Bevölkerung.“ Auf ihr Klima konnten sich die Bürger allerdings zu Recht etwas einbilden: Hoffnungsthal besaß den Status „Luftkurort“ und war für viele Kölner ein beliebtes Naherholungsgebiet.
Die Geschichte von Fritz Zapp muss Robert Wagner unbedingt erzählen: Ursprünglich von Beruf Anstreicher, machte der Hoffnungsthaler sein Hobby zum Beruf und eröffnete ein Fotoatelier. Bei der Hausauflösung vor einigen Jahren konnte der Geschichtsverein drei Autoladungen an Fotografien übernehmen – ein Fundus, dessen historischer Wert sich nicht beziffern lässt. Da nicht alle Fotos beschriftet sind, arbeitet der Geschichtsverein an der Identifizierung: „Sie können sich gar nicht vorstellen, was das für eine kriminalistische Arbeit ist“, erzählt Wagner. Eine amüsante Anekdote hat der pensionierte Schulleiter noch parat: „Fritz Zapp hat bei allen Passfotos die Hoffnungthaler in seinem Atelier auf einem Stuhl Platz nehmen lassen. Es gibt hunderte von Fotos von Bürgern, die alle auf demselben Stuhl abgelichtet sind. Die Sammlung muss man gesehen haben!“
Ein weiteres Hoffnungsthaler Kleinod ist die Volberger Kirche: Wann genau sie errichtet wurde, ist unklar. Allerdings wurde die Bezeichnung „Vogelberhc“ bereits 893 im Güterverzeichnis des Benediktinerklosters Prüm („Prümer Urbar“) erwähnt. Mit dem anliegenden Kirchenhof und den schmucken Fachwerkhäusern sieht die Volberger Kirche aus wie aus dem Bilderbuch: „Ein herrliches Fleckchen Erde“, schwärmt Robert Wagner. Schon früh wurde Hoffnungsthal protestantisch, was zu Spannungen mit dem katholischen Umland führte. Immerhin hatte man eine eigene Kirche, was die katholischen Nachbarn in Forsbach lange Zeit nicht von sich behaupten konnten: Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dort ein improvisiertes Gotteshaus errichtet – in einem ehemaligen Hühnerstall. „Die wurde prompt »Sankt Kikeriki« getauft“, erzählt Robert Wagner.
Letzte Station der Führung ist der Bunker in der Rotdornallee. Für den Bau, 1943 innerhalb von neun Monaten errichtet, wurden an die 1200 Sack Zement verbraucht. Schlagartig fällt die Temperatur um mehrere Grad, wenn man in den düsteren, engen Tunnel hinabsteigt. Gebaut hatten den Bunker neben Kriegsveteranen aus dem Ersten Weltkrieg auch Kriegsgefangene aus dem „Zuchthaus Siegburg“. Kurt Schlüter hat ganz persönliche Erinnerungen an seine Zeit im Bunker: „Ich wurde im September 1944 eingeschult. Hier drin hatten wir von November 1944 bis Januar 1945 Schulunterricht. Da es Winter war, mussten wir Briketts mitbringen, um zu heizen“, erzählt er. Gut kann sich der Rentner noch an den Unterrichtsinhalt erinnern:„Wir hatten das »Märchen vom süßen Brei« durchgenommen.“ Doch warum brauchte Hoffnungsthal im Zweiten Weltkrieg unbedingt einen Bunker? Robert Wagner lüftet das Geheimnis: „Die Flugzeuge der Alliierten kamen aus Großbritannien und steuerten Köln an. Die Piloten hatten nur wenige Sekunden, um ihre Bomben abzuwerfen, doch nicht jeder ist seine gefährliche Fracht losgeworden. Nach dem Abwurf sind sie schnell aus der Schusslinie herausgeflogen – und zwar in süd-östlicher Richtung, genau auf Rösrath zu.
Dort haben die Flugzeuge gedreht, um zurück nach Großbritannien zu fliegen – selbstverständlich nicht, ohne die noch verbliebenen Bomben einfach über vermeintlich menschenleerem Gebiet abzuwerfen.“ Man kann im ganzen Rösrather Umland noch die vielen Krater von den Bomben entdecken. „Die 7000 Einwohner Rösraths haben genauso viele Bomben abbekommen wie eine Million Kölner“, sagt Wagner. Mittlerweile hat es der Bunker zu medialer Berühmtheit gebracht: Hier drehte der WDR eine Szene der ARD-Krimireihe „Tatort“.