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Mary BauermeisterKürbissuppe in der Wunderkammer

Lesezeit 4 Minuten

An jedem ersten Sonntag im Monat öffnet Mary Bauermeister seit vielen Jahren ihr Forsbacher Atelier für Künstler, Kulturschaffende und Besucher.

Rösrath – Eine Wunderkammer hat einmal Bürgermeister Marcus Mombauer die Wohnstatt von Mary Bauermeister in Forsbach genannt. Und wer einmal das lichte Haus, konzipiert vom Kölner Architekten Erich Schneider-Wessling in den 70er Jahren, besucht hat, weiß, was Mombauer meint. Unter hohen Bäumen, eingewachsen in die Natur, öffnet sich das Haus dem Besucher mit vielen wundersamen Einblicken.

Auf der weiß gestrichenen Eingangstreppe liegen die mit geheimnisvollen Zeichen geritzten orangefarbenen Kürbisse, umgeben von einer Schüttung mit roter Farbe, die wie Blut die Absätze herunter rinnt. Und so nimmt der Besucher – ganz mit Absicht – den Weg durch die untere Etage. Dort empfängt ihn aus der Küche der Duft der legendären Kürbissuppe mit Ingwer. Es ist das Hauptgericht an jedem ersten Sonntag im Monat, wenn Mary Bauermeister ihr Atelier für Künstler, Musiker, Schriftsteller und Kunstinteressierte öffnet.

Man schlüpft in eines der vielen Schlappenpaare, stapelt sein Schuhwerk auf einem Haufen fremder Stiefel, Sandalen und Halbschuhe. Dann steigt man zwischen zwei Spiegeln, die regelmäßig die neuen Gäste auf tiefste verwirren, in die erste Etage ins große Atelier. Vorher hat man vielleicht noch einen Blick in die brodelnden Kochtöpfe geworfen, nebenbei die neuen großen Steinbilder entdeckt, an denen die Künstlerin gerade arbeitet – Kunst und Küche, es geht beides eng nebeneinander.

Im großen Atelier umfängt den Besucher eine Lichtfülle aus den großen Fenstern, die die große Kunst an den Wänden im natürlichen Licht so greifbar nahe macht: Das tonnenschwere Steinrelief über den weißen Sofas, die Linsenobjekte und Prismen, die das Licht der Sonne bündeln und in Regenbogenfarben über Wände und Kunst huschen lassen.

Im Glashaus steht der Klangkörper eines Flügels, das Überbleibsel einer Hommage an Nam June Paik vor ein paar Jahren. Immer wieder entlocken die Besucher dem rudimentären Instrument spontane Improvisationen mit Bürsten und Klöppeln. Oft greift Mary Bauermeister zum Echorohr oder in die Klaviersaiten und lässt die alten Fluxuszeiten wieder schwungvoll aufleben. Ihre Stimme röhrt aus dem Echorohr – es entstehen Töne wie aus einer fremden Welt.

Jeder Ateliersonntag ist anders, hat seine Besonderheit: Zauberer führen Kunststücke vor, Schriftsteller lesen , mal Krimi, mal Kölsches und alles zusammen. Musiker spielen Klassisches oder zeitgenössische Musik, man singt miteinander oder hört zu mit dem Gefühl des intensiven Miteinanders.

Beim Gang durch das Haus gelangt man durch viele weiße Zimmer mit Klanginstrumenten und Kunstwerken – man entdeckt Skizzen zu den Kompositionen von Karlheinz Stockhausen – die Ornamentik von Mary Bauermeister, die heute noch in aller Symbolkraft in den Aufführungen aus dem Zyklus „Licht“ eingesetzt werden. Briefe, Fotografien von Stockhausen, John Cage, Nam June Paik und anderen Zeitgenossen aus der Fluxuszeit – wohin soll man zuerst schauen?

Auf oberen Ebene geht es hinaus in die „schwimmenden Gärten“ auf dem Dach: Baumscheiben im schwarzen Wasser, in dem sich Himmel, Prismenstelen, Sträucher und Bäume spiegeln.

Die „Wunderkammer“ erstreckt sich auch auf das weitläufige Gelände: Das blaue Hexenhaus, das Baumhaus, der Wohnturm, der Zirkuswagen und andere ungewöhnliche Wohnstätten, in denen Teilnehmer der Workshops leben. Mitten im Gelände liegt eine große weiße Birke. Ihr Wurzelwerk ist eingebettet in einen Wall aus Stein und Erde, ihr Astwerk ist behängt mit Folien zum Thema Baum. Vor Jahren ist die Birke umgestürzt, doch sie lebt weiter in der Waagerechten. Bewegliche Prismenobjekte und der große Bergkristall schimmern im wechselnden Licht.

Versammlungsplätze mit rohen Holzobjekten zum Sitzen erinnern an archaische Versammlungsstätten. Und wenn bei gutem Wetter das große Tamtam und die afrikanische Buschtrommel draußen im Gelände stehen, beginnt mit Sicherheit einer der Besucher mit dem Gongschlag und den vibrierenden Tönen. Rhythmische Töne erklingen im improvisierten gemeinsamen Spiel.

Am Ende des großen Grundstücks findet man einen Obst- und Gemüsegarten mit Apfel- und Nussbäumen, Spinat, Tomaten, Kürbissen, Beeren und vielen anderen selbst gezogenen Früchten. Bienen summen, tragen ihren Nektar in die Bienenhäuser. Hier schließt sich der Kreis – Kunst und Natur gehen bei Mary Bauermeister eine synergetische Einheit ein.